III.--IV. Historische Kartographie; historisch-politische Geographie.

Über die großen historischen Atlasunternehmungen ist z. Zt. wenig zu berichten; sie haben in stiller Arbeit ihren Fortgang genommen. Aus den Vorarbeiten zum Hessischen Atlas liegen Teilstücke gedruckt vor (für die Abtei Hersfeld, Grafschaft Ziegenhain und Kreis Frankenberg), deren Besprechung für später vorbehalten bleibt ( 284, 286). (Vgl. auch S. 462.) Erschienen ist eine neue Lieferung des verdienstlichen Werkes, das die Historische Kommission für Niedersachsen herausgibt: Topographische Landesaufnahme des Kurfürstentums Hannover von 1764--86 in Lichtdruckwiedergabe ( 293); die Lieferung stellt das Herzogtum Bremen und das Fürstentum Verden dar. Auch im Osten sind die Atlasarbeiten in guten Gang gekommen. Über ihren Stand in den Provinzen Preußens, namentlich in Pommern und Brandenburg, berichtet Fr. Curschmann in einem Vortrag, der im Korr.-Bl. d. Ges.-Ver. 76 zum Abdruck gebracht worden ist ( 270). Es wird dabei das eingeschlagene Verfahren dargelegt: die von dem kartographischen Erfassen der jüngeren politischen Gebilde rückwärts schreitende Methode, wobei der Grenzforschung sorgsame Aufmerksamkeit gewidmet wird; als Arbeitskarten haben sich dabei die Grundkarten 1 : 100 000 brauchbar erwiesen. Über die Arbeiten zur historisch-politischen Landeskunde einzelner Gebiete wird in den Abschnitten für Landesgeschichte das Nähere mitgeteilt. Doch sei auf zwei Arbeiten von allgemeinerer Bedeutung hingewiesen. E. Klebel hat eine Untersuchung über die Ostgrenze des karolingischen Reiches, zumal nach annalistischen Nachrichten, geboten, von der


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Adria bis zur Niederelbe ( 277). Als Ergebnis stellt er heraus, daß von einer natürlichen Grenzscheide nur an wenigen Stellen gesprochen werden kann, so bei der Waldgrenze gegen Böhmen. Ein Unterschied der Grenzverhältnisse im Norden und Süden ist darin zu erblicken, daß von der Ostsee bis zur Donau vor der Reichsgrenze Völker sitzen, welche durch Lieferungen und Schoßzahlungen eine gewisse Abhängigkeit bekunden, während im Süden die Slawen fest in das Reichsgefüge einbezogen sind. All die karolingischen Grenzbezirke sind lang und schmal, gleichsam Aufmarschgebiet, keine Festungsgürtel. In einer Arbeit K. Lechners ( 280), die vornehmlich der Grafschaft Raabs in Österreich gewidmet ist, geht der Verfasser erneut auf die Frage nach dem Verhältnis von Grafschaft, Mark und Herzogtum ein. Er zeigt, daß es in der Mark Grafschaften gab, die ein besonderes Rechtsgebiet bleiben konnten, auch nach Personalunion mit dem Herrschaftsbereich des Landesfürsten, ein Ergebnis, das auch anderwärts bei der Forschung Beachtung verdient. -- Eine Untersuchung ungewöhnlicher Art gilt dem Territorium Nürnbergs, dem größten, das überhaupt eine Reichsstadt erworben hat: H. Dannenbauer hat dafür eine sehr gründliche Studie durchgeführt, die viel neue Ergebnisse bringt, namentlich in verfassungsgeschichtlicher Hinsicht ( 282). Er geht auf das Reichsgut in und um Nürnberg und seine Verwaltung ein, besonders für die staufische Zeit, auch auf die bambergischen Kirchenlehen, und die weitere Entwicklung, seitdem die Hohenzollern Burggrafen von Nürnberg geworden sind; weiter schildert er den Erwerb der pfälzischen und bayerischen Ämter. Sodann wird die Entstehung der Hoheitsrechte der Stadt über das Landgebiet dargelegt; der Verfasser tritt für die Annahme ein, daß die Landeshoheit nicht nur auf die hohe Gerichtsbarkeit zurückzuführen ist, sondern auch andere Rechte, Steuer und Folge, sowie Grundherrschaft dafür in Betracht kommen, wobei ausführliche Nachweise für die Grundbesitzverhältnisse erbracht werden. Eine nach dem Vorbild der großen Atlasarbeiten angelegte kartographische Darstellung ist nicht versucht worden; nur eine Orientierungsskizze ist beigefügt (vgl. auch S. 275).


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