III. Ortsnamen.

An Hilfsmitteln für die Ortsnamenforschung bietet die Zeitschrift für Ortsnamenforschung außer ihrer Bibliographie ( 385) auch landschaftliche Berichte, in ihrem 4. Bande einen solchen von E. Schwarz ( 397), der eine Übersicht über die Forschung in den Sudetenländern seit dem 19. Jhd. bringt und mit dem Plan eines »Sudetendeutschen Ortsnamenbuches« schließt, das er zusammen mit Gierach herausgeben will. Auf dem Gebiete der Flurnamenforschung ist als umfangreiche Materialsammlung H. Beschorners Handbuch der deutschen Flurnamenliteratur bis Ende 1926 ( 271) zu nennen, das in dem Streben nach Vollständigkeit natürlich sehr Ungleichwertiges zusammenfaßt.

Von den Arbeiten, die Ortsnamen für Nachbarwissenschaften ausbeuten, benutzt die von L. Traub (Württ. Vjhh. Landesgesch. 34, 1--28) die Flußnamen Württembergs dazu, die keltische und illyrische Schicht der Vorbewohner zu erschließen. W. Uhlemann ( 272) zeigt in seinem Vortrage hauptsächlich, welche Erkenntnisse die Flurnamen für die Flurgeschichte bringen, für Morphologie, Bodenverhältnisse, Wirtschaftsbetrieb, Flurverfassung und -recht. Daneben ergeben sich doch aber auch aus der Beachtung der Flurverhältnisse und ihrer Geschichte gewisse Gesichtspunkte für die Namendeutung. So bestätigt der Verfasser eine früher aus anderem Material abgeleitete Beobachtung E. Schröders, daß ein Name oft nicht des Typische, sondern das Besondere andeutet, daß ein


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Flurname mit 'Eibe' oft nur auf einen auffälligen Einzelbaum, nicht auf eine starke Verbreitung von Eiben hinweist; zu beachten ist ferner, daß Flurnamen Flurformentypen andeuten können, daß sie aber nicht zweifelsfreie Beweise sind, schließlich, daß der Bedeutungsinhalt eines Flurnamen nicht einfach aus dem Sprachlich-Nächstliegenden geholt werden kann (vgl. die Verwendung von 'Gebreite' in derselben Bedeutung neben 'Gelänge'. Ergänzend sei hier noch hinzugefügt, daß bei der Verwendung älterer Sprachformen zur Deutung nicht das nur Lautlich-Verwandte genügt, sondern daß das Lautlich- und Bedeutungsverwandte herangezogen werden muß, bei 'Gehren' nicht mhd. gēr 'Wurfspieß', sondern gēre 'Zwickel. Schoß'. -- Von Nachbarwissenschaften aus kommt auch J. Sturm ( 386) zur Ortsnamenforschung. In Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Genealogie und Ortsnamenkunde (ZONF 2) gewinnt er durch Interpretation von Stiftungsurkunden hauptsächlich des 9. Jhds. das Hauptresultat, daß die mit Personennamen aus Großgrundbesitzerfamilien gebildeten -ing-Namen Beweise für grundherrschaftliche Siedlungen seien. Diese Namenbildung sei von der ersten Landnahme bis in die Zeit der ersten Ausbausiedlungen in Übung gewesen. Geographische Namen deutet der Verfasser als bäuerliche Siedlungen und sieht in dem Nebeneinander beider Formen einen Beweis für starke soziale Unterschiede schon in der Zeit der Landnahme.

Die Arbeiten E. Schröders sind bis auf eine vorwiegend der Scheidung scheinbar eindeutiger Namen und Namenbestandteile gewidmet. In einer Reihe hessischer Beispiele ( 394) hat -tal nichts mit 'Tal' in unserem Sinne zu tun; vielmehr ist es Bezeichnung eines Hofes, Dorfes oder einer Stadt im Gegensatz zu dem durch 'Berg' und 'Burg' bezeichneten Herrschaftssitz, neben dem die bäuerliche Siedlung nachträglich angelegt wurde oder sich entwickelte. -- Für die auffallende Erscheinung, daß bei den mit -rode zusammengesetzten Ortsnamen scheinbar die Flexion des ersten Teils fehlt, findet Schröder ( 393) durch genaue Beobachtung der Schreibungen an hessischem Material, daß mit -rode ursprünglich erste Bestandteile von einer dreifachen Form verbunden waren, auf -en (z. B. Vockenrode), auf -es (z. B. Abterode < Abbetesrode) und auf Vokal (Wessilrode < Wesilhilderode, Gundelrode < Gundalarode). Während der Verlust des n in -en im 14./15. Jhd. eintritt, läßt sich der Übergang -esrode = -erode hauptsächlich in den Urkunden des 12. Jhds. verfolgen, obwohl er schon bis ins 11. Jhd. zurückreicht. Richtig ist zweifellos bei dieser Wandlung die Mitwirkung des (dynamischen) Akzents, doch ist auch diejenige dialektischer Erscheinungen nicht von der Hand zu weisen, da Hessen sowohl die Apokope des -n in -en als auch den Übergang sr > r kennt. Auszunehmen von der Entwicklung -esrode zu -erode sind gewisse Fälle, in denen mit der Apokope des Schluß-e sich eine Synkope des Fugen-e verbindet bei gleichzeitiger Erhaltung des s (z. B. Ruprechtesrode = Rupsroth). -- Bei Lâr und -lar scheidet Schröder ( 395) zwischen dem selbständig und in Kompositis auftretenden Stamm hlâr 'Losanteil, Weide', der in Westfalen, den Niederlanden und am Niederrhein verbreitet ist, und einem -lar, das, in Namen des Typus Hasalari auftretend, auf ursprüngliches -ari zurückgeht, aber durch falsche Abteilung zu einem weiterwuchernden Kompositionsglied lari geworden ist, das hauptsächlich in westdeutschen Bezirken verbreitet war. Eine Kreuzung beider Bildungsformen kann sich dann in Westfalen, vielleicht auch in den Niederlanden vollzogen haben. Über ein drittes Element vgl. noch Frings, Zeitschr. f. dt. Alt. 66,


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46 ff. -- Um eine Scheidung handelt es sich schließlich auch in Nr. 390. Außerhalb des von Gradmann nachgewiesenen konstanten Dinkel-Gebietes, z. T. aber auch in diesem ist dinkel nicht immer von der Getreideart herzuleiten, sondern es kann sich auch um eine Erweiterung des Stammes thing, thinh 'Zeit, Tagung, Tagungsort' handeln, so u. a. in Dinkelburg, Dinklar, Dinkelsbühl. Dinglingen aber ist urkundliches Tuntelinga, Dingelsdorf altes Thingolfesdorf.


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