II. Süd- und Westdeutschland.

Die Zeitschriften von regionaler Bedeutung, welche über die Ergebnisse in den einzelnen Arbeitsprovinzen berichten, sind regelmäßig erschienen ( 491, 493, 497, 498, 503, 506, 507). Franz faßt in einem Forschungsbericht ( 490) zusammen, was an germanischen Funden aus Niederösterreich bis heute vorliegt. Der nicht in planmäßiger Arbeit gewonnene Fundstoff zeigt deutlich die großen Lücken, die hier noch klaffen; doch lassen sich die Grundzüge der ethnischen und Kulturentwickelung in diesem Grenzgebiet des Römischen Reiches bereits erkennen. Reinecke behandelt einén schon seit Jahrzehnten bekannten Fundort wichtiger Altertümer der vorrömischrömischen Zeit Kärntens, der auch venetische Inschriften geliefert hat ( 489); mit seinen geschichtlichen Gesichtspunkten und topographischen Beobachtungen gewinnt


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er dem bisher nur typologisch ausgewerteten Fundstoff neue Seiten ab. Sodann bespricht er ( 491) den Münchshöfer Typus, eine spätsteinzeitliche Gruppe im rechtsrheinischen Bayern, und die slawischen Funde im Nordosten des Landes, welche in Verbindung mit Ortsnamen und frühmittelalterlicher Überlieferung die Erkenntnis der Siedelungsgeschichte fördern. Die Übersicht Wagners ( 492) über die Römerzeiten Bayerns liegt in einer neuen Auflage vor. Die Vorzüge des Buches -- Kürze und Übersichtlichkeit der Darstellung -- werden durch den Nachteil aufgewogen, welcher in der Anordnung des Stoffes nach sachlichen Gruppen besteht; so verzichtet der Verfasser auf eine geschichtliche Darstellung und kommt oftmals der antiquarischen Kleinmalerei recht nahe. Die ursächlichen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Erscheinungen finden nur gelegentlich Berücksichtigung, und die großen Unterschiede zwischen früh- und spätrömischen Verhältnissen, sowie denjenigen der Limeszeit beherrschen nicht das Ganze. Die Fundberichte aus Schwaben ( 493) erweitern durch die erstmalige Einbeziehung Hohenzollerns ihr Arbeitsgebiet und bieten eine Fülle wertvoller Beobachtungen aus allen Zeitabschnitten und Teilen Württembergs. Reinerth ( 494) behandelt eine kleine befestigte Siedelung mit früher Hallstattkultur, die fast vollständig ausgegraben worden ist. Merkwürdigerweise hält er an ihrer Bezeichnung als Wasserburg noch immer fest; aber man nimmt die Schrift doch gerne zur Hand und sieht der endgültigen und ausführlichen Veröffentlichung der Grabungsergebnisse nun mit verdoppelter Spannung entgegen. Bei Hertlein ( 495) bieten schriftliche und archäologische Überlieferung in engster Verflechtung die Grundlagen der ebenso übersichtlichen wie zuverlässigen und vielseitigen Darstellung. Die politische Geschichte des Landes äußert sich archäologisch in den Grenzanlagen, den Straßen und den Denkmälern der Verwaltung. Neben den römischen Einrichtungen und Kulturgütern lebt die Kultur der keltisch-germanischen Mischbevölkerung weiter. Stellt der Fall des Limes um 260 einen wichtigen Schnitt in der Geschichte des Landes dar, so darf doch seine Bedeutung nicht überschätzt werden; denn einerseits bereitet sich das Ende der Römerzeit langsam vor, und anderseits greift Rom auch noch im 4. Jhd. mannigfach in die Verhältnisse im Dekumatlande ein. Goeßler ( 496) führt durch die wertvolle Rottweiler Sammlung und damit durch die Frühgeschichte eines Platzes, der in römischer Zeit als Straßenstation, Kastell und Markt von Bedeutung war; eine hundertjährige Sammeltätigkeit am Orte hat hier ein stattliches Museum zusammengebracht. Die Badischen Fundberichte ( 497) bieten eine größere Anzahl neuer Beobachtungen, und die Schweizerische Gesellschaft für Urgeschichte verzeichnet, wie jedes Jahr, gewissenhaft und in übersichtlicher Form die bekannt gewordenen Funde ( 498). Ein kleiner Führer durch Augusta Raurica ( 499) bietet einen zuverlässigen Wegweiser durch die zum Teil heute noch sichtbaren Reste einer römischen Provinzstadt. Der Forschungsbericht von Linckenheld ( 500) unterrichtet über die in Lothringen gewonnenen, in zahlreichen Einzelarbeiten an den verschiedensten Stellen veröffentlichten Ergebnisse; die vorgeschichtliche Zeit ist dort noch immer schwach vertreten, während die gallo-römische Kultur der Mediomatriker immer deutlicher in Erscheinung tritt. Die neue Auflage des Buches von Sprater ( 501) gibt zu erkennen, wie rege das Speierer Museum an dem Ausbau seiner archäologischen Abteilung arbeitet. Von den wichtigeren Neufunden, die sie nennt und abbildet, seien hier nur diejenigen aus der Bronzezeit

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genannt, welche durch das Auftreten von zweihenkeligen Amphoren die Ableitung der Bevölkerung der sogen. Hügelgräberbronzezeit von derjenigen des spätsteinzeitlichen schnurkeramischen Kreises ermöglichen. Die Darstellung Spraters schließt mit dem Ende der vorrömischen Eisenzeit; die Hoffnung, daß auch die römische und die frühgeschichtliche Zeit der Pfalz in gleicher Form bearbeitet werde, hat sich inzwischen bereits in gewissem Umfang erfüllt. Der Erforscher Rheinzaberns, Ludowici, bietet in einem neuen Katalog ( 502) die Ergebnisse seiner letzten Grabungen, welche ebenso wie die früheren der Kenntnis der dortigen römischen Tonindustrie und der zugehörigen Siedelung gegolten haben. Vielseitig ist der Inhalt der Mainzer Zeitschrift ( 503); neben den Berichten über die verschiedenen Grabungen und Erwerbungen bietet sie eine Monographie der Steinsäulen (Monolithe) Rheinhessens. Denkt man bei ihnen zunächst an einen Zusammenhang mit den Menhiren des westeuropäischen Neolithikums, so mahnen doch manche Beobachtungen zur Vorsicht. Die Untersuchung ergibt nicht »eine einheitliche Entstehungszeit oder eine gleichartige spätere Verwendung der Monolithe. Jedoch bestärkt die auffallende Parallele der Verteilung aller rheinhessischen Hinkelsteine mit der archäologischen Siedelungskarte die Annahme, daß diese Gruppe ursprünglich der Vorgeschichte zuzuweisen ist.« Behn hat mit Erfolg in den Bautrümmern sowohl des römerzeitlichen Dieburg ( 504) wie des Klosters Lorsch ( 505) gegraben. Der neue Band der Bonner Jahrbücher ( 506) enthält neben Fundnachrichten die Tätigkeitsberichte der beiden rheinischen Provinzialmuseen in Bonn und Trier. Ist auch das Arbeitsgebiet der Trierer Zeitschrift ( 507) wesentlich kleiner, so bietet die römische Kaiserstadt und ihre Umgebung entsprechend zahlreichere und großartigere Denkmäler. In Köln blicken die Anthropologische Gesellschaft und das von ihr betreute Museum für Vor- und Frühgeschichte ( 508) auf eine fünf- undzwanzigjährige Tätigkeit zurück und geben in zwei kleinen Festschriften Rechenschaft über ihre eifrige Arbeit. Die Erforschung des römischen Köln ist in dieser Zeit sehr in den Hintergrund getreten und wird erst seit wenigen Jahren planmäßig betrieben; ein Buch von Fremersdorf ( 511) gibt zu erkennen, wie man jetzt versucht, mit allen Mitteln das Versäumte nachzuholen, und wie das Finderglück diesem Streben günstig war. »Wenn man den Zuwachs aller anderen rheinischen Museen während der letzten fünf Jahre zusammenstellt, so dürfte man noch nicht eine solch stattliche Reihe hochwertiger und einzigartiger Fundstücke bekommen, wie sie allein von Köln hier in Auswahl vorgelegt werden.« Das römerzeitliche Köln muß mit eigenen Maßstäben gemessen werden, und so nimmt man das von Fremersdorf in so übersichtlicher Form gebotene reiche Material gerne entgegen. Über seine Tätigkeit am Niederrhein berichtet Stampfuß. Die Arbeit über das Hügelgräberfeld von Diersfordt bei Wesel ( 509) führt ein Musterstück planmäßiger und gewissenhafter Ausgrabung vor; die Funde gehören den frühesten Zeiten des Auftretens der Germanen am Niederrhein, d. h. der ersten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrtausends, an. Ein kleinerer Aufsatz ( 510) unterrichtet über die sehr wichtige Ausgrabung spätlatènezeitlichen Fundstoffes im Kreise Rees, welcher germanischen Brandgrubenbestattungen entstammt. Man wird diese Zeugnisse des Auflebens der archäologischen Arbeit am Niederrhein mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen und sich von ihr eine Verdichtung der Fundkarten des bisher etwas vernachlässigten Gebietes versprechen.[E. Wahle.]


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