I. Allgemeines:

Das umfangreiche Werk Allens ( 628) berührt die deutsche Geschichte nur in seinem ersten Teile, der von der Stellung des Luthertums und des Calvinismus politischen Fragen gegenüber handelt, und zwar sind es Luther und Melanchthon, die Wiedertäufer, Calvin und die Magdeburger Bekämpfer des Interims, deren politische Anschauungen der Verfasser untersucht, Zwingli wird nur nebenbei erwähnt. Der Verfasser legt besonderen Wert darauf, die große Mannigfaltigkeit der Anschauungen zu kennzeichnen, den Mangel an


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Konsequenz bei Luther, die strengere Logik des Denkens bei Calvin. Sachlich handelt es sich besonders um das Verhältnis von Staat und Kirche und um die Frage des Widerstandsrechts gegenüber der andersgläubigen Obrigkeit. Von allen Reformatoren wird dieses im Grunde bis 1550 geleugnet, erst von den Magdeburgern verteidigt, aus ähnlichen Gründen von Knox, Goodman u. a. Eine weitere wichtige Frage, die besonders durch den Prozeß Servets aufgerührt wird, ist die der Duldung der Häretiker, der Toleranz. Castellion und Acontius erscheinen nach Anklängen bei Melanchthon und Brenz als ihre ersten entschiedenen Verteidiger, Calvin und Beza als ihre Bekämpfer. -- Die weiteren Kapitel des Werkes verfolgen die Entwickelung der politischen Gedanken in England, Frankreich und Italien. Die politischen Momente treten hier neben den religiösen viel stärker hervor. Die Frage des Widerstandsrechtes führt zur Untersuchung der Grundlagen der gouvernementalen Gewalt überhaupt und der Grenzen ihrer Macht. Den Schluß des Buches bildet ein Verzeichnis zeitgenössischer Literatur und neuerer einschlagender Werke. (Vgl. S. 331.) -- Da Allen Zwingli keiner eingehenderen Behandlung gewürdigt hat, wird sein Werk in erwünschter Weise ergänzt durch den Aufsatz von Wendorf ( 634). Er erörtert Zwinglis Stellung zum Staat in beständigem Vergleich mit der Luthers und zeigt, wie beide in der Persönlichkeit beider Männer begründet waren. Während Luther dem Staat gegenüber mehr negativ eingestellt war, bejahte ihn Zwingli, selbst ein politischer Kopf. Er vertrat auch ein gewisses Widerstandsrecht gegen die böse Obrigkeit auf Grund der schweizerischen demokratischen Verhältnisse. Für die Erbmonarchie hatte er kein Verständnis, lehnte sie ab.


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