I. Allgemeines.

Es ist Hans Delbrück vergönnt gewesen, noch den fünften Band seiner Weltgeschichte abzuschließen ( 786), der die Zeit von 1852 bis 1888 behandelt. Der Gesamtcharakter dieses Werkes ist in den Berichten des vorigen Jahres (S. 228 und 239 f.) von zwei verschiedenen Rezensenten zutreffend gewürdigt worden, so daß wir uns hier darauf berufen dürfen. Auch dieser


S.208

Band zeigt, wie vorteilhaft gerade die Einheitlichkeit der Gesamtauffassung Delbrücks und die ihm eigene scharfe Linienführung für eine so große zusammenfassende Darstellung sind. Darüber wird man gern vergessen, daß Delbrücks Neigung zu einseitiger und thesenhafter Formulierung manches Mal der Mannigfaltigkeit historischen Lebens nicht ganz gerecht wird, und daß sein Interesse für kriegsgeschichtliche Dinge militärische und Schlachtenschilderungen bei der Stoffverteilung des Bandes vielleicht etwas allzusehr bevorzugt werden läßt. Der Band zieht in vielleicht noch stärkerem Maße wie die früheren auch die neueste Literatur heran, und für die späteren Zeiten kann Delbrück gelegentlich aus eigenem Erleben einige Züge beitragen. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß, wie man auch zu manchen Einzelheiten stehen mag, dieses letzte Werk Delbrücks ein geschlossenes und anschauliches Bild des behandelten Zeitraumes der allgemeinen und im besonderen der deutschen Geschichte bietet. Ergänzt ist der Band durch ein umfangreiches Personen- und vor allem Schlagwortregister für die gesamte Weltgeschichte, das Delbrück selbst als eine »Art schematischer Soziologie« bezeichnet. Ein Ergänzungsband, der die Schilderung bis zur Gegenwart fortsetzt, ist von Delbrück noch beabsichtigt gewesen. Man darf hoffen, daß er aus seinem Nachlaß veröffentlicht werden kann.

In der großen Ausgabe der Gesammelten Werke Bismarcks ( 833) ist im Berichtsjahr der erste Band der Reden erschienen, der den Zeitraum 1847 bis 1869 umfaßt. Die von Wilhelm Schüßler bearbeitete Ausgabe kann natürlich nur Bekanntes bringen; sie beschränkt sich, im Gegensatz zu der großen Publikation von Kohl, bei der Kommentierung der Reden auf das Allernötigste. Im Vorwort hat Schüßler eine kurze Würdigung des Redners Bismarck vorausgeschickt. -- Die kleinen Bismarckfunde, die Johann Saß veröffentlicht ( 833a), enthalten einige für Bismarck persönlich interessante Aktenmitteilungen, vor allem über sein Verhältnis zu Bucher und Fröbel, daneben einige für den Geschäftsbetrieb im Auswärtigen Amt interessante Stücke, die unter anderem Bismarcks Sorge für gute Sprache zeigen.

Der von dem Sohn herausgegebene Briefwechsel des Botschafters General von Schweinitz ( 845) bildet eine dankenswerte Ergänzung zu den Denkwürdigkeiten des Botschafters, die im vorigen Jahr an dieser Stelle besprochen wurden (Jahrg. 1927 Nr. 1036, S. 249 f.). Die neue Publikation bestätigt und ergänzt das, was über Persönlichkeit und politische Haltung von Schweinitz auf Grund der Denkwürdigkeiten gesagt wurde. Während die Denkwürdigkeiten 1892 abschlossen, wird die neue Publikation bis zum Tode des Botschafters im Jahre 1901 weitergeführt, wobei freilich die Briefe und Aufzeichnungen aus dem letzten Jahrzehnt wenig ergiebig sind. Im übrigen handelt es sich nicht nur um einen Briefwechsel, fast noch wichtiger sind in den Denkwürdigkeiten nicht abgedruckte Stellen der Tagebücher und Notizkalender. Am wichtigsten ist das reichhaltige Material über Rußland und seine Beziehungen zu Deutschland. Trotz mancher Kritik an Bismarck und der Wirkung seiner »Diktatur« auf die inneren Verhältnisse Deutschlands, zeigt sich in dem Briefwechsel, daß die außenpolitischen Ansichten des Botschafters in den Zeiten nach 1871 doch im ganzen nur durch Schattierungen von Bismarcks Politik abwichen. Von den Briefschreibern seien an dieser Stelle nur der spätere Kaiser Friedrich und seine Gemahlin erwähnt, die beide mit zahlreichen und vielfach charakteristischen Briefen vertreten sind; so beklagt sich der Kronprinz am 1. April 1866 darüber,


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daß Bismarck den König, der den Krieg mit Österreich nicht wünsche, in ihn hineintreibe (S. 23). Gegen die einführenden und erklärenden Zwischenbemerkungen des Sohnes und Herausgebers wird man mehrfach Bedenken nicht unterdrücken können, was freilich den Wert der Publikation weniger beeinträchtigt als die Tatsache, daß man nicht immer das Gefühl hat, in der Auswahl das historisch Wichtigste und Wertvollste abgedruckt zu bekommen. Darüber kann nun freilich stets gestritten werden, aber man sieht zum Beispiel nicht recht ein, warum auf S. 265 wichtige Aufzeichnungen über Bismarcks Entlassung nur ganz knapp gegeben werden, während sonst für Äußerlichkeiten manchmal allzuviel Raum vorhanden ist.


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