XI. Bismarcks Sturz.

Der Briefwechsel Waldersees ( 844) bildet eine wichtige Ergänzung seiner Denkwürdigkeiten und bringt vor allem ein reichhaltiges und interessantes Material zur Geschichte der Zeit vor und unmittelbar nach Bismarcks Sturz. Noch deutlicher als in den Denkwürdigkeiten tritt uns in dem Briefwechsel Waldersee und sein militärisch-politischer Freundeskreis vor die Augen, der innen- und außenpolitisch im wachsenden Maße gegen Bismarck Stellung nahm und vor allem den Gedanken des Präventivkrieges verfocht. Sehr deutlich zeigt sich die entscheidende und aktive Mitarbeit Waldersees und seines Kreises an Bismarcks Sturz, der durch eine langjährige Minierarbeit vorbereitet war. Zugleich zeigt der Band deutlich den Gegensatz des Militärs zum Politiker mit vielfachen Beispielen für die Militärattachéepolitik. Die Feindschaft gegen Bismarck erklärt sich mit daraus, daß dieser den militärischen Einflüssen auf die Politik schärfsten Widerstand leistete. --Franks Biographie Adolf Stoeckers ( 845a), deren parteigeschichtliche Bedeutung an anderer Stelle zu besprechen sein wird, ist ein wichtiger Beitrag zur inneren Geschichte Deutschlands in unserem Zeitraum (vgl. meine ausführliche Besprechung in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1929, S. 131 ff.). Hier sei nur auf den vielleicht unerfreulichsten Teil der Tätigkeit Stoeckers, seinen Kampf an der Seite der Kreuzzeitungspartei und Waldersees um Wilhelm II. und gegen Bismarck, hingewiesen. Stoecker war von allen Gegnern Bismarcks in dieser Zeit wohl derjenige, der am stärksten aus sachlicher Überzeugung gegen den Reichsgründer focht, trotzdem erscheint er vor Bismarcks Sturz im Grunde nur noch als eine Figur in dem Schachspiel Waldersees. -- Die Arbeit von H. Richter über Sachsen und Bismarcks Entlassung ( 850) beruht vor allem auf Akten der preußischen und österreichischen Gesandtschaft und druckt in den Anlagen aus dem Briefwechsel zwischen Berlin und Dresden eine Reihe von Aktenstücken ab. Die Veröffentlichung ändert an dem Gesamtbild von Bismarcks Sturz nichts, ist aber für manche Einzelheiten interessant, so für Wirkung und Behandlung des sächsischen


S.222

Antrages für Arbeiterschutz, wobei Richter vor allem auf die wechselvolle Haltung des Kaisers hinweist. Der Verfasser betont unter anderem, daß man von sächsischer Seite feststellte, Bismarck habe zu der internationalen Konferenz über Arbeiterschutzgesetzgebung als deutsche Vertreter nur ausgesprochene Gegner ausgesucht, unter anderem Sachsen ausgeschlossen. Die Arbeit gewährt einen neuen Einblick in die sehr unerfreulichen Zustände der Zeiten vor Bismarcks Sturz und zeigt darüber hinaus sehr deutlich, wie wenig ein Einzelstaat im Reiche Bismarcks imstande war und den Mut hatte, selbständig Politik zu machen.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)