§ 38. Kirchenverfassungsgeschichte des Mittelalters.

(E. Klebel.)

Die allgemeinen Untersuchungen, die im Zusammenhang mit dem Erscheinen des neuen Jus canonicum stehen und im Vorjahre einen ziemlich großen Teil des Berichtes füllten, fehlen in diesem Jahre fast völlig. Die folgende Übersicht führt zuerst die beiden mit dem neuen Jus canonicum zusammenhängenden Arbeiten vor, dann einige andere von allgemeiner Wichtigkeit, hierauf jene, die den Bistümern und Domkapiteln gelten, sodann allgemein kirchliche Organisation und schließlich Kloster- und Ordensgeschichten. Bedauerlicherweise ist eine ziemliche Zahl von Arbeiten von Wien aus nicht erreichbar gewesen, soweit nötig soll im folgenden Berichtsjahre auf sie eingegangen werden.

Die beiden mit dem neuen Jus canonicum sich beschäftigenden Arbeiten von Hofmeister ( 1309) und Hanser ( 1316), welch letztere nur eine Entgegnung auf die erstere ist, haben für die Geschichte der Kirchenverfassung keine besondere Wichtigkeit. Hofmeister setzt sich mit dem jetzt geltenden Recht über den Gebrauch von Mitra und Stab der Prälaten auseinander und gibt dazu eine kurze geschichtliche Einleitung, die gegenüber der Darstellung von Hanser im Vorjahre nichts Neues bringt. Hansers Entgegnung befaßt sich ebenfalls im wesentlichen mit den modernen Rechtsverhältnissen. Er betont nur das Gewohnheitsrecht für die Erlangung des Privilegs von Mitra und Stab im MA. stärker als Hofmeister.

Als die hervorragendste Arbeit möchte ich den Aufsatz von Eichmann ( 1307 a) über Königs- und Bischofsweihe anführen. E. untersucht die Frage vom liturgiegeschichtlichen Standpunkt aus, stellt zunächst die altorientalischen Bestandteile der Königsweihe fest, die sich seit Ende des 4. Jhds. im byzantinischen Reiche durchsetzt. Jedoch fehlt in Byzanz die Salbung des Herrschers. Dieser Brauch taucht zuerst bei den Briten im 6. Jhd. und bei den Westgoten im 7. Jhd. auf. Eine enge Anlehnung der bisher völlig verschiedenen Bischofsweihe an die Königsweihe sieht E. besonders bei den Angelsachsen im 8. Jhd. Die Salbung geht aus den Gebräuchen der Königsweihe in die der Bischofsweihe über. Die Weihe des römisch-deutschen Kaisers entlehnt zunächst manches von der Papstweihe. In Rom tritt bereits im Beginn des 10. Jhds. eine Abänderung ein, indem die Salbung des Hauptes für den Bischof allein vorbehalten wird. Nach dem Investiturstreit wird die Königsweihe, die noch im 12. Jhd. an einigen Orten als Sakrament gilt, zum Sakramental heruntergedrückt, womit die Verlegung aus der Messe heraus verbunden ist. 1204 erfließt eine Dekretale Innozenz III., die endgültig den Charakter der Königsweihe als Sakramental festlegt. Trotzdem hat das römische Missale bis dahin nur Formulare für eine Kaiserweihe besessen, eine solche für Königsweihen entsteht am päpstlichen Hofe erst unter Papst Klemens V. Wichtig ist besonders, was E. über die verschiedenen, in den Gebeten der Königsweihen vorkommenden Vergleiche des zu weihenden Königs mit David, Melchisedek und anderen alttestamentlichen Gestalten anführt. Die sehr weitgehende Annäherung der Königsweihe an die Bischofsweihe, die am Ende des 9. Jhds. im burgundischen Reiche am engsten wurde, zeigt auch von der Seite der Liturgie her, wie enge die Verknüpfung von Sacerdotium und Imperium vor dem Investiturstreit war. Man wird


S.306

bei der Betrachtung der kirchlichen Rechte der deutschen Könige und Kaiser an diesem Aufsatz nicht vorübergehen können.

Weiter hat Pöschl ( 1314) seinen Aufsatz über die Inkorporation vollendet (vgl. Jberr. 3, S. 354). Der 1928 erschienene Schluß enthält nur die Zusammenfassung des 1927 Gebotenen. Pöschl ( 1310) hat dann weiter ein Buch über die Regalien der ma.lichen Kirchen veröffentlicht. Als Grundzug dieses Buches kann man die Tendenz betrachten, die vor 1800 liegenden Auffassungen über die Stellung von Kirche und Staat im MA. wieder zur Geltung zu bringen. P. will in den Regalien, auf die sich seit dem Investiturstreit allein ein Obereigentumsrecht (Lehenrecht) der Könige und Kaiser erstreckt, nur die Hoheitsrechte, also Zoll, Münze, Gericht usw. sehen. Zwischen den Zeilen erkennt man aus seinen Belegen, daß die von ihm nur nebenbei angeführten Güter, die durch die Könige an die Kirche gelangten, doch bis ins 13. Jhd. eine viel bedeutendere Rolle spielten. Man wird P. zwar zustimmen, wenn er nachweist, daß vor dem Investiturstreit eine Sonderung der Regalien vom übrigen Kirchengut nicht vorkommt, und eine solche erst im Laufe der Debatten während des Investiturstreites sich herausbildete. Wenn er jedoch daraus das Eigenkirchenrecht der Könige auch über die Hochkirchen des Reiches indirekt in Abrede zu stellen sucht -- das Wort Eigenkirchenrecht und der Name Stutz werden von P. sorgfältig vermieden -- wird man ihm hier nicht folgen können. Die Quellenbenützung hat ähnliche Mängel aufzuweisen, wie sie im Vorjahre gerügt wurden; so ist P. z. B. das Salzburger Urkundenbuch bisher unbekannt. Man frägt sich, ob nicht die Belastung mit Servitien den Unterschied der »Regalien« und anderer Kirchengüter ausmache.

Forchielli ( 1317) untersucht die Bedeutung des im 9. Jhd. auftretenden Begriffes »schola sacerdotum«, die eine unter Leitung des Archidiakon stehende Körperschaft von Priestern mit gemeinsamen Vermögen ist. Alle alten Taufkirchen der Diözese Verona hätten diese, von F. auf karolingische Einflüsse und die Regel Chrodegangs zurückgeführte Kollegien von Priestern besessen.

Zur Geschichte der Bischofswahlen in Italien bringt Magni ( 1308) den interessanten Nachweis, daß im 12. und 13. Jhd. in Oberitalien sich die Wahlen der Bischöfe ungefähr ebenso vollzogen wie die der städtischen Konsuln. Die Teilnahme der städtischen Beamten erfolgt trotz des Verbots der Laieninvestitur immer noch; als Formen der Wahl tritt entweder die Aufstellung von Elektoren durch die Versammlung von Klerus und Volk oder die Nomination des Bischofs durch Kompromiß von seiten des Vorsitzenden auf. Mitunter läßt auch ein Bischof seinen Nachfolger noch selbst wählen. Eine Akklamation des Volkes, sowie ein Te deum beschließen den Wahlgang. Eine Einschränkung der Wahl auf die Domherren allein ist nicht üblich.

Schönenberger ( 1283) stellt die Geschichte des Bistums Basel während des großen Schismas dar und untersucht eingehend die Beziehungen der Bischöfe nach Rom und Avignon, sowie die Motive der anfänglichen engen Verbindung mit Avignon. Die Einstellung der Klöster, Stifter und Pfarren wechselt mit der des Bischofs (vgl. auch S. 518). Kloe ( 1323) behandelt die Wahl kapitulationen der Bischöfe von Speyer, deren älteste 1272 datiert ist. Bis 1802 folgten 17 andere, mit Ausnahme der ersten alle deutsch. Im 14. Jhd. sind sie am häufigsten, im 15. Jhd. werden sie meistens vom nächsten Bischof ebenso übernommen, wie sie dem Vorgänger vorgelegt wurden (vgl. auch


S.307

S. 495). Santifaller ( 1318) veröffentlicht die Statuten und statutenartigen Urkunden des Domkapitels von Brixen. Man kann wohl nicht deutlicher die Lage in Südtirol charakterisieren, als wenn man darauf hinweist, daß dieses völlig unpolitische Werk über das deutsche Bistum Brixen in italienischer Sprache erscheinen mußte. Die älteste der publizierten Urkunden stammt von 1256, ordentliche Statuten gab sich das Kapitel erst 1422, eine Erneuerung erfolgte 1485. Die Mitwirkung des Bischofs ist keineswegs immer durchgeführt. Der Veröffentlichung sind 13 Tafeln mit Faksimilen beigegeben. Martin ( 1320) untersucht die interessanten Gerichtsverhältnisse der Stadt Regensburg und das dem Bischof zustehende Probstgericht; er meint, die verschiedenen Gerichte seien eigentlich eines und nur nach dem Vorsitzenden und den Gegenständen geschieden worden. Ein endgültiges Urteil über diese recht gute Arbeit kann erst der historische Atlas von Bayern bringen. An diesen Abschnitt sei noch die Arbeit von Leder ( 1270) über die Kirchenpolitik Friedrichs des Schönen von Österreich angeschlossen. Dieselbe besteht im wesentlichen in einer Wiedergabe des in Finkes Acta Arragonensia enthaltenen Materials und ist daher durchaus unzulänglich, wichtige Veröffentlichungen sind der Verfasserin unbekannt geblieben (Lang, Erben).

Von den Arbeiten, die die Organisation der einzelnen Diözösen behandeln, seien an die Spitze die von Post ( 1327) und Schmid ( 1330) gestellt. Die erstere führt in sauberer und genauer Darstellung stets an den Text der Urkunden anschließend, die Entwicklung des Eigenkirchenrechtes in der Diözese Utrecht vor. Der Verfasser kann dartun, daß die Verhältnisse innerhalb dieser Diözese durchaus der herrschenden Lehre entsprechen, nur hat sich der Übergang vom Eigenkirchenrecht zum Patronat erst am Ende des 12. Jhds. und ohne jeden Kampf vollzogen. P. glaubt nur einen Wechsel in der Terminologie der Urkunden, keine Änderung im Rechte feststellen zu können (vgl. auch S. 527).

H. F. Schmid ( 1330), der bereits die Kirchenorganisation des Sorbenlandes sowie von Böhmen untersucht hat, geht nun zu der Untersuchung der polnischen Kirchenorganisation über. Er kann in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der früheren Arbeiten dartun, daß in diesen slawischen Gebieten an Stelle des kanonischen Zehents die »decima constituta« getreten ist, daß weiter die ältesten Kirchen, sowohl Bischofssitze als Stifter, mit Anteilen an den landesfürstlichen Einnahmen, also Zehenten von Zöllen, Münzen, Naturalabgaben u. dgl., nicht aber mit Grundbesitz ausgestattet gewesen seien. Erst die Durchführung der deutschrechtlichen Siedlung in Polen, sowie die schweren kirchenpolitischen Kämpfe des 13. Jhds. seien imstande gewesen, das weitgehende Eigenkirchenrecht einzuschränken, die Zehentfreiheit der Magnaten zu beseitigen und eine der deutschen ähnliche kirchliche Organisation zu schaffen. Man wird dem Verfasser in seinen Ausführungen, die allerdings wegen der reichlich herangezogenen polnischen Literatur für einen Deutschen nicht immer überprüfbar sind, im wesentlichen beistimmen; wo er jedoch auf Grund der angeführten Zehentverhältnisse weitere Schlüsse auf die soziale Organisation der Slawen tut und vor allem glaubt, der Grundbesitz sei bis tief ins MA. hier bedeutungslos gewesen, wird man ihm kaum folgen können. Seine Angaben über die tatsächlichen Verhältnisse würden jedenfalls eine weniger weitgehende Auslegung auch gestatten.

Es sind sodann zwei Arbeiten von Ahlhaus zu erwähnen ( 1322) und


S.308

( 1328). In der ersten wird der Begriff »civitas et dioecesis« besprochen. Der erstere beschränkt sich seit der Karolingerzeit immer mehr nur auf die Bischofsstädte, der letztere stammt aus dem Orient, ist zunächst eine Übertragung des gleichen byzantinischen politischen Begriffes auf die Patriarchalsprengel und wird dann für die Metropolitansprengel und schließlich für die Bistümer verwendet. Beide Vordrucke werden zur stehenden Formel, die eine Sonderstellung der Bischofsstadt andeutet. Die Stadt Konstanz, an der nun die Bedeutung des civitas-Begriffes untersucht wird, erhielt erst im 10. Jhd. eine Mehrheit von Pfarren. A. ist imstande darzutun, daß erst 1832 die Stadt Konstanz einem Dekanat zugewiesen wurde, und bis dahin außerhalb der dekanalen und archidiakonalen Organisation stand. Eine ähnliche Stellung nimmt die Stadt Worms in ihrer Diözese ein, während in Augsburg, Basel, Straßburg, Mainz und Würzburg Stadtarchidiakonate, in Speyer, Utrecht und Trier andern Archidiakonaten unterstellte Stadtdekanate auftreten. Es sei beigefügt, daß die Stadt Salzburg eine ähnliche freie Stellung in der Erzdiözese einnahm und nur dem Namen nach dem Erzdiakonat des Domprobstes unterstand. Die andere Arbeit ( 1328) befaßt sich mit der Diözese Hildesheim. Es wird zunächst ausführlich eine Liste aller vorhandenen Klöster und Stifter gegeben und die ihnen inkorporierten oder mit dem Patronat zuständigen Kirchen werden verzeichnet. A. errechnet ein Verhältnis der geistlichen zu den weltlichen Patronaten von 63½ % zu 36½ %.Besonders in dem Gebiet, wo der Bischof auch Landesherr war, überwiegen die geistlichen Patronate. Der zweite Teil der Arbeit geht an Hand der verschiedenen kirchenrechtlichen Institutionen das Material aus der Diözese Hildesheim durch und verzeichnet das Vorkommen der einzelnen Einrichtungen. Die erste Inkorporation ist 1288 nachweisbar. Diese deduktive Methode gestattet leider nicht festzustellen, worin Eigentümlichkeiten des Hildesheimer Sprengels bestanden haben könnten. Über die Bevogtung der Pfarren äußert sich A. gar nicht. Schlenz ( 1329) behandelt die Entwicklung des Kirchenpatronates in Böhmen. Leider ist die Arbeit mehr Materialsammlung als Darstellung geworden. In außerordentlicher Fülle bringt S. die Belege über die zahlreichen Übergriffe der Patronatsherren, namentlich seit dem 15. Jhd., wo die Pfarrer nur zu oft mehr als Hörige denn als Geistliche behandelt wurden. Die Geschichte der Gesamtorganisation kommt dabei leider zu kurz. Mit Ostpreußen befassen sich zwei Arbeiten. Altaner ( 1337) untersucht die Heranbildung eines einheimischen Klerus zum Zwecke der Missionierung in den verschiedenen Gebieten, wo das MA. Mission trieb. Die Untersuchungen über den Osten, Byzanz usw. interessieren uns in diesem Zusammenhang nicht. Über Preußen erwähnt er, daß der erste Nachweis eines Versuches, Preußen als Missionspriester heranzubilden, sich 1282 findet. Aber noch 1426 war der Mangel an preußisch sprechenden Priestern so groß, daß kurz vorher erst ein Drittel aller Altpreußen als getauft bezeichnet werden konnte. Eine Schule für preußische Knaben ist erst kurz vor der Reformation in Heilsberg nachweisbar. Man wird diese Tatsachen für die Bedeutung der Germanisierung Ostpreußens nicht unterschätzen dürfen.

Vincke ( 1288) behandelt den Klerus des Bistums Osnabrück im späteren MA. und sucht dabei in apologetischer Tendenz manche bisherigen Auffassungen zu korrigieren. Wertvoll ist besonders das ausführliche Verzeichnis aller Pfründen des Bistums, sowie die Umrechnung der aus einem


S.309

Zehentregister von 1456/58 entnommenen Erträge derselben, aus denen V. nachweisen kann, daß der Osnabrücker Klerus im allgemeinen gut stand. Weniger ergebnisreich sind seine Untersuchungen über die Herkunft des Klerus, sehr zu begrüßen das am Schluß beigegebene Verzeichnis aller Lehrer und Studierenden des Bistums Osnabrück nach den Universitätsmatrikeln von 1291 bis 1509. Die Arbeit von Gelder ( 1326) bietet eine ausführliche Untersuchung über die Herkunft der Erzdiakone in den Diözesen Köln und Trier bis 1500. Es ist zu bedauern, daß diese Arbeit noch nicht im Druck vorliegt. G. untersucht die Dompröbste und Domdechanten von Köln, dann die Erzdiakone von Bonn, Carden, Dietkirchen, Longuion, Tholey, Trier und Xanten. Er kommt zu dem Ergebnis, daß in der Kölner Erzdiözese bis 1300 die Erzdiakone meist Edelfreie waren, während in der Trierer Diözese mit Ausnahme des Erzdiakonates Dietkirchen, wo erst nach 1354 Ministerialen als Erzdiakone erscheinen, schon im 12. Jhd. die Ministerialen diese Ämter erlangen. Die Befreiung der Edelfreien vom Sendgericht des Erzdiakons, welche in der Diözese Köln 1266 und neuerlich 1310 ausgesprochen wird, hängt wahrscheinlich mit dem Eindringen der Ministerialen in die Ämter der Erzdiakone zusammen. Berlière ( 1315) gibt eine ungleichmäßige Zusammenstellung von Nachrichten über Äbte und Klöster, die archidiakonale Gewalt innehatten. Klebel ( 1281) beschließt seine Aufsätze über die Pfarren und Kirchen Kärntens mit einigen Nachträgen, einem Register sämtlicher in Kärnten vorkommender Kirchenpatrozinien mit Angabe der ersten Erwähnung und einem Ortsregister. Fink ( 1341) gibt eine Zusammenstellung und Untersuchung der in Tirol vorkommenden Kirchenpatrozinien, ohne jedoch den Zusammenhang zwischen Patrozininenforschung und der Erforschung der Pfarrorganisation streng durchzuführen. Die Auffassungen Farners werden mit Recht abgelehnt.

Von Arbeiten, die sich mit Klöstern und Klosterwesen befassen, ist zunächst hier die Zusammenstellung von Hammelrath ( 1273) zu erwähnen. H. gibt für Bayern, Württemberg, Baden, Elsaß, das südliche Hessen und die Rheinpfalz eine Zusammenstellung aller Klöster, die 1517 und 1750 nachweisbar sind, z. B. Benediktiner 1517: 94, 1750: 68, Zistizienser 31 und 18, Augustinerchorherren 53 und 35 usw. und sucht an diesen statistischen Übersichten festzustellen, welche Orden der Reformation größeren oder geringeren Widerstand entgegengesetzt hätten. Die günstigsten Ziffern finden sich bei Prämonstratensern, Augustiner-Eremiten, Karthäusern und Karmelitern. Sehr wertvoll ist die Untersuchung von Hilpisch ( 1311) über die Doppelklöster, in denen neben einem Männerkonvent auch ein Frauenkonvent bestand. Er weist sie bereits in Ägypten im 4. Jhd. nach, hier ist der Männerkonvent der führende, viel seltener der der Frauen. Im übrigen christlichen Orient haben sich Doppelklöster bis um 860 behauptet, dann sind sie verschwunden. In Gallien sind sie etwas jünger; hier sind es meist Frauenkonvente mit einigen dienenden Brüdern, ebenso in England. Entgegen bisherigen Behauptungen lehnt H. Doppelklöster in Irland ab. Mit der karolingischen Zeit hören sie in Frankreich, mit den Däneneinfällen in England auf. Die deutschen Doppelklöster des 11. Jhds. glaubt H. auf Ansiedlungen von Reklusen neben Männerklöstern zurückführen zu sollen. Schließlich untersucht er noch jene Orden, die von Anfang an als Doppelklöster gedachte Niederlassungen errichteten, wie der Orden von Fontevrault, der der Humiliaten und der hl. Birgitta. Ebenfalls


S.310

mit den Doppelklöstern befaßt sich Bühler ( 1293). B. untersucht die bayerischen Doppelklöster des 9. und der folgenden Jahrhunderte, wobei auch die Herkunft der Mitglieder untersucht wird; so stellt die Verfasserin für Aspach meist Edelfreie, für Mallersdorf meist Ministeriale als Mitglieder fest. Eine eigentümliche Entwicklung bietet Holzen, wo ursprünglich die Frauen nur im Anschluß an ein Männerkloster leben, welches allmählich eingeht, so daß sie seit dem 15. Jhd. vollkommen allein herrschen. Molitor ( 1312) untersucht Verbände innerhalb des Benediktinerordens, indem er von der Regel ausgeht, die bereits ein Eingreifen der Nachbaräbte voraussieht. Er kommt sodann auf Verhältnisse zwischen je zwei Klöstern (z. B. Stablo und Malmédy), auf das Verhältnis der Zellen zum Hauptkloster, auf abhängige Probsteien, die schließlich zur Organisation des Ordens von Cluny hinüberführen. An diese Organisationen schließt er die andern, den Benediktinern nahestehenden Orden des MA., also die Zisterzienser, Camaldulenser usw., um schließlich auf die Generalkapitel der Benediktineräbte einzelner Länder und auf die Kongregationen des 15. Jhds. überzugehen. England, Irland und Skandinavien sind in den Untersuchungen weniger berücksichtigt. Mitterer ( 1263) untersucht die Einwirkungen des hl. Bonifazius auf das bayerische Klosterwesen, wobei besonders das, was über Freising beigebracht ist, interessante Aufschlüsse gibt. Auch für Regensburg und Passau ist einiges von einem neuen Standpunkt aus beleuchtet. Sabbe ( 1265) untersucht die Reform, die Richard von St. Vannes in Flandern und Nordfrankreich durchgeführt wurde und glaubt, daß sie sich unabhängig von Cluny entwickelt habe, erst um 1080 sei die Regel von Cluny in diesen Klöstern eingedrungen. Die cluniazensische Reform hat Brackmann zu zwei bedeutenden Studien veranlaßt. In der ersten ( 1269) schildert B. die Entwicklung von Cluny und vergleicht sie mit den unter Gregor VII. in Deutschland durchgeführten Bindungen der Klöster an Rom. Es wird an der ganzen französischen und spanischen Entwicklung klar, daß Abt Hugo von Cluny, als er als päpstlicher Legat bei König Rudolf weilte, denselben Plan des Eingreifens in die Politik verfolgte, den Cluny bereits vorher in Kastilien ausgebildet hatte. Während jedoch Gregor VII. ebenfalls den Versuch machte, wie in Südfrankreich und Spanien ein ganzes System von einem Mittelpunkt abhängigen Klöstern zu schaffen, wozu Hirsau als Zentrum ausersehen war, hat Urban II. in der Übereignung von Klöstern unmittelbar an Rom ein seiner Politik besser dienendes System gefunden. Ein »Kirchenstaat«, wie ihn etwa St. Viktor in Marseille besaß, hat sich in Deutschland also nicht entwickeln können. Der Vergleich mit Frankreich und Spanien erweist sich als außerordentlich lehrreich und fruchtbar. Die zweite Studie Brackmanns ( 1268) befaßt sich mit den Acta Murensia, dieser Hauptquelle für die Entwicklung des so viel umstrittenen Schweizer Klosters Muri. Auf den Forschungen von Hirsch aufbauend, zeigt B., daß eine Reihe weiterer bisher für mehr oder weniger echt gehaltener Urkunden für das Kloster Muri um 1150 herum verfälscht worden sein müßten (Kardinalsurk. von 1086 und St.No. 3106). Die Entwicklung Muris ist also keine geradlinige, streng im Sinne der Reform verlaufende, vielmehr muß für das Ende des 11. und den Anfang des 12. Jhds. eine Reihe von Kompromissen zwischen strengeren und milderen Tendenzen angenommen werden. Es ist daher die Darstellung der Acta selbst, die einen möglichst einheitlichen Charakter vorzutäuschen sucht, als tendenziös mehrfach zu berichtigen. Der Vergleich mit

S.311

den Urkunden für Engelberg, die ebenfalls verunechtet sind (St.No. 3202, J.-L. 7148 und die Gründungsurk.), zeigt das auf das deutlichste. Neun Lichtdrucktafeln mit Faksimilen sind beigeschlossen. Brackmann zeigt, wie um die Mitte des 12. Jhds. der große Zug der Hirsauer Reform bereits zu erlöschen beginnt. Die Arbeit von Wilhelm ( 1298), die sich ebenfalls mit Muri beschäftigt, und ein möglichst einheitliches Bild der Reform zu geben versucht, ist nach den Ergebnissen Brackmanns zu berichtigen (vgl. auch S. 517). Rathgen ( 1313) untersucht die eigenkirchenrechtlichen Elemente der Kloster- und Stiftsvogteien, vor allem in Thüringen und findet hier eine der herrschenden Lehre durchaus entsprechende Gestaltung des Eigenkirchenrechtes. Die Hochgerichtsbarkeit des Vogtes kann er an sehr vielen Stellen belegen. Die Zugehörigkeit der Ministerialen zum Vogtgericht sieht er für ungewöhnlich an, hält sie aber doch für das ältere. Ministerialen als Vögte findet er bereits um 1130. Verwickelt sind die Rechtsverhältnisse der slavischen Hörigen sowie der Kolonisten einzelner Klöster, die R. untersucht.

Mettler ( 1299) behandelt das Kloster Ellwangen vor allem vom baugeschichtlichen Standpunkt. Volk ( 1300) stellt auf einem Deckelblatt der Biblia Schweickhofer eine Liste der Neresheimer Konventualen um 1125 fest und veröffentlicht sie. F. Beyerle ( 1301) ergänzt die Forschungen seines Bruders über die Mitglieder des Klosters Reichenau, indem er einen Nachtrag im Verbrüderungsbuche des Klosters der Zeit um 975 zuweisen kann (vgl. auch S. 488). Mit der Reform der Benediktiner des 15. Jhds. befaßt sich Volk ( 1275), indem er die Generalkapitel der Bursfelder Benediktinerkongregation von 1446 an bis 1780 untersucht. Auf Grund der seit 1458 erhaltenen Kapitelrezesse wird eine Liste der Teilnehmer dieser Kapitel gegeben, außerdem ihr Verlauf ausführlich geschildert.

Reich ( 1321) stellt die Fälle zusammen, in denen das Asylrecht des Klosters St. Ulrich und Afra in Augsburg in Erscheinung trat.

In diesem Jahre hat der Prämonstratenserorden nicht weniger als drei Abhandlungen hervorgerufen. Zak ( 1277) gibt eine Liste der aus dem Orden hervorgegangenen Bischöfe, merkwürdigerweise in lateinischer Sprache, obschon der Verfasser in Niederösterreich lebt. Im ganzen kann er einen Kardinal, einen Patriarchen, einen Exarchen, drei Primaten und 197 Bischöfe feststellen. Die Gewohnheiten des Prämonstratenserordens untersucht Heijman ( 1276). In ausführlicher Weise kann H. belegen, daß die Gewohnheiten des Ordens teilweise von denen des Zisterzienserordens, teilweise von Cluny abhängig sind und kann teilweise den Urtext durch Vergleich verschiedener Fassungen ermitteln. Er glaubt die Entstehung der Gewohnheiten zwischen 1126 und 1131 einreihen zu sollen. Spätere Umarbeitungen haben manches geändert. Paas ( 1325) behandelt den Kampf der drei in der Kölner Diözese liegenden Prämonstratenserklöster Steinfeld, Knechtsteden und Hamborn um ihre exempte Stellung. Bereits 1121 war Steinfeld von der Gewalt der Erzdiakone befreit worden, seit 1310 hat der Abt selbst archidiakonale Gewalt. Die beiden anderen Klöster gelangten nicht ganz so weit. Die Kämpfe mit dem erzbischöflichen Ordinariat fallen in die Jahre 1663--70, 1687--91 und 1756--61. Auch die Bettelorden haben einige Untersuchungen veranlaßt. Gratien ( 1278) gibt eine Geschichte des Minoritenordens von seiner Entstehung bis 1318. Deutschland wird hierbei nur gelegentlich gestreift, z. B. erwähnt, daß das älteste Ordensstudium der


S.312

deutschen Provinz sich in Magdeburg befand. Im Anhang findet sich eine knappe Darstellung der Stellungnahme der Minoriten im Kampfe der Päpste gegen die Hohenstaufen. Hitzfeld ( 1279) untersucht die Auswirkungen der Dekretale Papst Bonifaz VIII. von 1300, »Super cathedram«, die die Privilegien der Bettelorden gegenüber der Pfarrgeistlichkeit beschnitt. Er kann den ziffernmäßigen Nachweis erbringen, daß die Einschränkung der Seelsorgetätigkeit besonders der Minoriten auf die finanzielle Lage des Ordens und damit auf den Mitgliederstand eine sehr drückende Wirkung ausgeübt hat. Das Verhältnis der Minoriten zur Kurie ist dadurch stark beeinflußt worden. Mummenhoff ( 1287) schildert die Gefangennahme des Kölner Dominikaners Frater Henricus de Treysa 1346 in Aachen, die vom Provinzial veranlaßt und ohne Wissen der Stadtbehörden durchgeführt, zu dessen gewalttätiger Befreiung durch das Volk geführt hat. Wilms ( 1280) veröffentlicht das älteste Verzeichnis der deutschen Dominikanerklöster nach dem Codex Cracoviensis des Dominikanerarchivs in Rom, sowie nach den Handschriften von Frankfurt No. 1514 und Darnstadt No. 28 und sucht die Klöster zu identifizieren. Von 65 erwähnten Klöstern der Provinz Teutonia lassen sich nur 56 nachweisen, außerdem 9 in der Provinz Sachsen. Am Schluß sei auf einige Einzelstudien aufmerksam gemacht. Schröder ( 1319) behandelt Alt-St. Stephan in Augsburg und untersucht die Gründungsurkunde von 969, die er für echt erklärt, dann die ständische Zusammensetzung des Stiftes, dessen Mitglieder meist ministerialischer Herkunft waren. Er glaubt auch, Alt-St. Stephan sei als Kanonissenstift gegründet, was es mindestens seit 1150 war. Weiter druckt er das Nekrolog des Stiftes ab. Ein Faksimile der Gründungsurkunde ist angeschlossen. Lennarz ( 1285) behandelt die Probstei und die Pröbste von St. Peter in Fritzlar, deren Archidiakonat er auf das Bistum Büraburg zurückleitet (vgl. auch S. 464). Eine sehr sorgfältige Arbeit hat Bock ( 1294) der Gründung des Klosters Ettal gewidmet. B. weist nach, daß ursprünglich nur ein Benediktinerkloster vorhanden war und daß erst um 1340 Kaiser Ludwig IV. auch eine Stiftung für Ritter, die verehelicht waren, errichtet hat. Die entsprechende Regel für die Ritter nimmt sich die Deutschordensregel zum Muster und ist nachweislich auf 1332 rückdatiert. Die Ausstattung des Klosters ist aus der Politik Kaiser Ludwigs, verschiedene dem Reiche gehörende Gebiete um Ettal enger mit dem Herzogtum Bayern zu verbinden, zu erklären. Klinkott ( 1304) behandelt das vom Rat der Stadt Frankfurt a. O. gegründete Karthäuserkloster »Barmherzigkeit Gottes«. 1396 gegründet, 1429 von den Hussiten zerstört, 1437--39 wieder aufgebaut, erregt es besonderes Interesse durch seinen letzten Prior Peter Golitz, dem heftigsten Gegner der Reformation in der Mark Brandenburg. Erst 1564--67 ist das Kloster ausgestorben. Es sei dann auf einige Kleinigkeiten aufmerksam gemacht. So erwähnt Levison ( 1333) eine Handschrift in London Addit. 30. 996, die verschiedene das Stift Essen betreffende Gewohnheiten, Hofrechte und Ordnungen, wie einen Äbtissinnenkatalog enthält. Gümbel ( 1342) veröffentlicht das sog. Meßnerpflichtbuch von St. Lorenz in Nürnberg von 1493, eine Ordnung aller kirchlichen Verrichtungen durch das ganze Jahr, die der Meßner zu vollziehen hat. Die Ordnung gewährt einen guten Einblick in den Alltag des kirchlichen Lebens dieser Zeit; daß der Ratsherr, der das Amt eines Kirchherrn von St. Lorenz ausübt, den Kirchmeister, den Verfasser des Buchs berät, entbehrt auch nicht des Interesses für die kirchliche Verfassung. Einen ähnlichen Einblick

S.313

in das Verhältnis der Stadt Nürnberg zu Papst und Bischof gewährt die ausführliche Biographie des Dr. Konrad Konhofer, gest. 1452, von Weigel ( 1282). Der Rat von Nürnberg hält sich in diesem Manne einen kanonistisch gebildeten Beirat, der den Auftrag erhält, in Rom eine Ermäßigung des Fastengebotes, wie einige Änderungen in der Pfarrorganisation zu erwirken. Konhofer bleibt bis an sein Lebensende im Dienste der Reichsstadt. Hier beginnt die Entwicklung der Staatskirche des 16. Jhds. Schmidt ( 1347) untersucht den Kaland zu Menden in Westphalen, eine jener Bruderschaften, die schon im Vorjahr unser Interesse erregten, und veröffentlicht die Statuten desselben; ein Urbar von 1412 und Listen der Mitglieder um 1437--40 und seit 1453 sind angeschlossen.

Eine gesonderte Beachtung verdienen die beiden großen Arbeiten von Lesne ( 1317 a) und von Schultze ( 1019). Lesne untersucht in dem dritten und letzten Teil des 2. Bandes seiner Histoire de la propriété ecclésiastique die Verhältnisse der Bischöfe und Klöster Frankreichs im 9.--11. Jhd. gegenüber dem König und den großen Lehensträgern der französischen Krone. Während sich die Karolinger die Gewalt über die Bischöfe vorbehalten und nur die Klöster in größerer Zahl an die Großen vergeben, ändert sich das unter den Capetingern: von nun an unterstehen auch die Bischöfe den Herzogen und Großen Frankreichs. Die Reformbewegung beginnt dieses Band zu lockern. Die Bestrebungen, Kirchengüter zu säkularisieren, indem man sie als Lehen verleiht, haben bis ins 11. Jhd. angedauert. L. untersucht auch die Formen, in denen das geschah, ausführlich. Schultze ( 1019) untersucht in einer großen Arbeit die alte These Brunners, nach der das in verschiedenen germanischen Rechten auftauchende Drittel von Fahrhabe für die Seele des Verstorbenen auf einen germanischen Totenbrauch zurückgehen soll. Nachdem er ausführlich die Rechtslage in sämtlichen Rechten germanischer Herkunft fixiert hat, stellt er drei verschiedene Formen des Seelenteils fest. 1. Den skandinavischen Hauptzehent, 2. den Kopfteil, d. h. der Anteil für die Seele wird gleich groß bemessen wie ein Kopfanteil eines Erben und 3. das Seeldrittel. Er kann die erstere Form mit dem kirchlichen Zehent zusammenbringen und ist imstande nachzuweisen, daß der Kopfteil auf eine Predigt des hl. Augustin, die der Aachener Regel für die Domkanoniker von 816 einverleibt wurde, zurückgeht. Bezüglich des Seeldrittels kann S. Brunners Beweise entkräften. Jedoch muß auch der Versuch S.s, diese Einrichtung auf Augustin zurückzuführen, als nicht völlig geglückt bezeichnet werden. Bedauerlicherweise hat die Zahl derjenigen Arbeiten, die neues Material beibringen zugunsten jener, die lediglich schon vorhandene Thesen stützen, abgenommen.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)