2. Die einzelnen Territorien.

Schweitzer ( 1362) schickt der Veröffentlichung einer Anzahl von Akten aus Wiener Archiven über die kirchlichen Verhältnisse in der österreichischen Kaiserstadt zu Ausgang des 18. und namentlich im zweiten und dritten Jahrzehnt des 19. Jhds., insbesondere über die Persönlichkeiten von Clemens Maria Hofbauer, Adam Müller, Zacharias Werner, den Grafen Széchényi und weitere Männer ihres Kreises, allgemeinere Erörterungen


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voran, in deren Mittelpunkt die 1808 beginnende vielseitige und ungemein tiefgreifende Tätigkeit Hofbauers in Wien steht. In den bekanntgegebenen Polizeiakten auch in ihren Schwächen gekennzeichnet, wird sie vornehmlich auf die Gebiete der Jugenderziehung, der Reform der Homiletik, des literarischen Schaffens, der Gewinnung breiterer Bevölkerungsschichten für eine vom kirchlichen Standpunkt aus einwandfreie Lektüre hin begleitet. Schweitzer schlägt mit beachtenswerter Begründung vor, in Zukunft von einer »kirchlichen Romantik« in Wien als einer innerhalb der katholischen Romantik »die bewußte Reformarbeit« im Sinne der Kirche pflegenden Richtung zu sprechen. -- Die deutsch-katholische Bewegung in Steiermark, die Posch ( 1363) mit nüchterner Sachlichkeit und deshalb auch überzeugend schildert, gewann hier und in Wien erst durch die Verfassung von 1848 äußeres Lebensrecht. Die Bewegung schloß sich an die demokratisch-revolutionäre Strömung des Zeitalters enge an. Ihr hauptsächlicher Begründer, der Badener Karl Scholl, war seiner rein menschlichen Eigenart nach naiver Idealist, seine weltanschauliche Einstellung führte ihn nahe an den Pantheismus hin. Während der Deutschkatholizismus im Bereich des engeren Deutschland verhältnismäßig schnell aus eigener Schwäche zusammenbrach, bereiteten ihm in Österreich die politische Reaktion und in Graz der sie noch überbietende Eifer des dortigen Stadthauptmanns 1851 und ein wenig später ein gewaltsames äußeres Ende. Als er 1867/68 unter veränderten politischen und persönlichen Bedingungen noch einmal aufflackerte, war aus einer in ihren Anfängen wenigstens zu einem Teil religiös bestimmten Bewegung ein mehr negativer »religiöser Reformverein« geworden, der sich seit 1869 dem wirklichen Sachverhalt entsprechend »Freidenkerverein« nannte.

Scharnagl ( 1364) erörtert in Variierung entsprechender, in letzter Zeit angestellter Studien Anderer für andere Staaten auf Grund der einschlägigen Ministerialakten das Verfahren bei der Ausübung des landesherrlichen Nominationsrechtes für die Bistümer in Bayern für das Jhd. zwischen dem Konkordatsabschluß von 1817 und dem Sturz der Wittelsbacher 1918. Der Beweis wird erbracht, daß der Papst einem Nominierten, dessen Eignung für das Bischofsamt oder wenigstens für die in Frage kommende Diözese er verneinte, die kanonische Institution versagen konnte. Da die Regierung unzutreffenderweise und entgegen der in der Freisinger Denkschrift von 1850 geltend gemachten Auffassung der Bischöfe die Pfründe mit der Nomination für übertragen ansah, wurde bei Verweigerung der päpstlichen Institution entweder eine Resignation des Ernannten oder eine Zurücknahme der Ernennung durch königliches Signet nötig. Eine wiederholte neue Nominierung von Kandidaten seitens des Königs war durchaus möglich. Die von der Kurie mehrfach angeregte regelmäßige Fühlungnahme der Regierung mit ihr vor der Nomination wurde in München nicht gewünscht. Unter Maximilian II. und dem Prinzregenten Luitpold wurde jedoch in vielen Fällen erst zur Veröffentlichung der Nomination geschritten, nachdem die päpstliche Konfirmation gesichert war. Scharnagl illustriert seine sich in strenger Folgerichtigkeit aufbauenden Darlegungen durch Einzelfälle aus dem ganzen Jahrhundert.

Leeb ( 1365) hat das vierhundertste Gedenkjahr der 1527 erfolgten Hinrichtung des aus Raab an der Inn gebürtigen ehemaligen Pfarrvikars Leonhard Käser zum Anlaß genommen, in Erneuerung einer 1900 veröffentlichten Arbeit von F. Roth die Persönlichkeit Käsers und das Verfahren gegen ihn so eingehend


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zu würdigen, wie es der immerhin dürftige Quellenbefund erlaubte. Die Exekution des zur Lehre Luthers Übergetretenen ist auf Anordnung Herzog Wilhelms IV. von Bayern erfolgt, nachdem Käser einen in anfänglichem Wankelmut oder aus Übereilung vor der bischöflichen Behörde in Passau geleisteten Widerruf nicht aufrecht erhalten hatte, in der Folge noch in Wittenberg persönlicher Schüler Luthers geworden war und sich bei den seine Degradation als Geistlicher einleitenden ausführlichen Disputen in Passau zu den Kontroversfragen vom lutherischen Standpunkt aus geäußert hatte. Leebs Studie versucht an den im Zwiespalt der Meinungen befindlichen Stoff einzig historische Kategorien anzulegen, mag meines Erachtens in ihr auch ein letztes Schwanken im Urteil nicht ganz vermieden sein. Der sittlichen Integrität Käsers wird ihr volles Recht; er war kein Rebell, freilich nach Leebs nicht leicht beiseite zu schiebender Meinung zu sehr von oppositionellem Denken erfüllt, um wirklich Märtyrer zu sein. Im Anschluß an die Abhandlung gibt F. Zöpfl eine Käser unmittelbar nach seinem Tode von befreundeter Seite gewidmete Schrift und die Erwiderung auf sie aus der Feder von Johannes Eck heraus.

Halsers ( 1367) Biographie Karl Joseph von Riccabonas, des ersten im Anschluß an die kirchliche Neuorganisation vor hundert Jahren erwählten, vom zeitgenössischen Urteil als »ein wahrer Franz von Sales« gepriesenen Bischofs von Passau (1827--1839), gewinnt eine gewisse allgemeinere Bedeutung, weil sie ihren Helden als Freund Sailers kennzeichnet, in einer ausführlichen, lebendig geschriebenen Einleitung den Geist der »katholischen Glaubenserneuerung in Deutschland« eingangs des 19. Jhds. mit Sailer als Glanzpunkt verlebendigt und Riccabonas Episkopat als Hauptzeit der »Aera Saileriana« in der Geschichte der Diözese Passau aufweist. Halsers Buch ist eines von denjenigen, die aus weiter Überschau, mit williger Hingabe an den Stoff und gesundem Urteil verfaßt sind, ohne daß aus der Darstellung das pastorale Element ganz ausschiede und letzte fachwissenschaftliche Anforderungen erfüllt würden. Die allgemeinen Erörterungen in ihm sind, wie gesagt, belangreicher als die nicht besonders bemerkliche Zeichnung der geistigen Silhouette Riccabonas selbst.

Das literarische Jahrhundertgedächtnis der Gründung der Oberrheinischen Kirchenprovinz hat sich in unserem dem Jubiläumsjahr unmittelbar folgenden Berichtsjahr, wie zu erwarten stand, vielseitig fortgesetzt. So hat Zeller ( 1370) seine Einführung in die von ihm veröffentlichte, in ihrem Original in der Konstanzer Wessenbergbibliothek ruhende kurze Selbstbiographie des aus dem bayrischen Allgäu gebürtigen späteren Geistlichen Rats in Konstanz und Ellwangen Joseph von Mets (1758--1819) zu einer Art diplomatischer Vorgeschichte des Bistums Rottenburg ausgestaltet. An ihr sind die Bedachtsamkeit der Einzelangaben, die abwägende Einschätzung aller Verhältnisse, die gemäßigt kritische Beurteilung der beteiligten Persönlichkeiten vollauf zu loben; in der Bewertung seiner zweifellos aufschlußreichen Quelle greift Zeller, wie ich fast meinen möchte, ein wenig hoch. Mets verfügte ebenfalls über nahe Beziehungen zu Sailer, außerdem zu Wessenberg; namentlich erfahren wir auch von seinen wechselvollen Wanderjahren und seiner in einer unruhigen Übergangszeit getätigten einflußreichen Mitarbeit an den genannten beiden Stätten kirchlicher Verwaltung. --Gröber ( 1353) hat sein zugleich Gestaltungskraft und die Gabe der Unterscheidung in kirchlichen und kirchenpolitischen Grenzfragen bekundendes Charakterbild Wessenbergs weitergeführt und abgerundet.


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Baier ( 1354) sekundiert seiner Arbeit diesmal mit der Darbietung von einigen aus dem Karlsruher Generallandesarchiv geschöpften Belegen über Wessenbergs Haltung zu dieser oder jener vom Zeitgeist besonders umkämpften Einzelangelegenheit des religiösen Lebens und zum badischen Staatskirchentum. In ein verwandtes Interessengebiet führen Fleigs ( 1372) Beitrag über Dalberg und die Säkularisation des Fürstbistums Konstanz sowie der erst einmal mehr die äußeren Umrisse seines Themas absteckende Anfangsteil einer Studie Wetterers ( 1375) über die seit der Säkularisation datierende Spätzeit des Bischöflichen Vikariats in Bruchsal, das im ganzen von 1780 bis 1827 bestanden hat. Göller ( 1355) schließt seine zugleich auf die Berner Nunziatur, auf Karlsruher und auf vatikanische Akten gestützte Darstellung der Vorgeschichte der Bulle »Provida solersque« von 1821 ab. Thematisch engere Ziele haben sich Albert ( 1373) und Bastgen ( 1374) gesteckt, von denen der eine auf selbständiger Grundlage die mehr als nur diözesangeschichtlich belangvollen Vorgänge bei der Weihe und Einführung des ersten Freiburger Erzbischofs Bernhard Boll umschreibt, während Bastgen mit vatikanischen Materialien über die Wahl seines Nachfolgers Ignaz Demeter aufwartet. Über alle hier seit derjenigen Gröbers genannte Arbeiten findet sich in diesen »Jahresberichten« noch ein eingehenderes Wort in dem Abschnitt »Baden« (vgl. S. 489). --Hagen ( 1371) behandelt umfassend und mit reichen d. h. den einheimischen, nicht auch den römischen Belegen das Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche in Württemberg von 1848 bis zu der weit über ein halbes Jhd. in Geltung gebliebenen Regelung des J. 1862. Die von den Regierungen der neuen Oberrheinischen Kirchenprovinz gemeinsam erlassene, bekanntlich viel umstrittene landesherrliche Verordnung vom 30. Januar 1830 ist die Folie, auf der unter vergleichender Heranziehung der Verhältnisse innerhalb dieser Kirchenprovinz und im übrigen Deutschland die staatskirchenrechtliche Lage in dem einstmals ganz protestantischen und auch weiter überwiegend nichtkatholischen Territorium vor 1848 mit bemerkenswert festen Strichen skizziert und damit unter anderem auch wieder ein wesentlicher Beitrag zu einer Geschichte des Bistums Rottenburg geliefert wird. Ich möchte fast meinen, der oberrheinische Bischofskampf der beginnenden fünfziger Jahre habe bisher nirgendwo eine seine übereinzelstaatliche Bedeutung so gut heraushebende, eine so abwägend gehaltene und so weitsichtige Beurteilung gefunden, als in dem hier anzuzeigenden Buch. Auch den weiteren Erörterungen, die es bringt, bleibt sehr zu ihrem Vorteil der allgemeindeutsche kirchenrechtsgeschichtliche Hintergrund und mit ihm die Sicherheit und Reife des jederzeit an der kirchlichen Auffassung orientierten, jedoch zugleich ein bemerkliches Verständnis für eine maßvolle Linie und für die staatlichen Belange beweisenden Urteils gewahrt. Die Unterschiede in den Auffassungen der zuständigen Bischöfe, der beteiligten Nuntien und des Kardinalstaatssekretärs Antonelli treten klar hervor. Ein Hauptvorzug der Arbeit ist auch, daß sie es nicht bei der bloßen Auseinanderfaltung der sich in Stoß und Gegenstoß entwickelnden Dinge und dem Auffangen der von ihnen ausgelösten publizistischen und parlamentarischen Reflexe bewenden läßt, sondern die Sonde der Kritik möglichst tief in alle Handlungen und Entscheidungen einführt. Wesentliche Epochen der württembergischen Entwicklung waren die 1854 von Bischof Lipp mit der Regierung abgeschlossene Übereinkunft, »ein echtes Kompromißwerk mit allen seinen Licht- und Schattenseiten« (I 138),

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die 1857 durch das Eingreifen Roms ohne kuriale Befragung Rottenburgs an ihre Stelle gesetzte, »die Verwirklichung der Autonomie der katholischen Kirche« (I 269) bedeutende Konvention und endlich nach deren parlamentarischem Scheitern das mehr dem ständisch-staatlichen Standpunkte angenäherte, für lange Zeit endgültige Gesetz vom 30. Januar 1862. Es braucht kaum betont zu werden, daß bei Hagen auch zur Charakterisierung der Persönlichkeiten des kirchlichen und staatlichen Lebens der Epoche, zur Beurteilung des Standes der Kirchendisziplin und der innerkirchlichen Lage innerhalb des Bistums Rottenburg, sowie für die Geschichte der katholisch-theologischen Fakultät in Tübingen und anderes mehr oder weniger viel abfällt. -- Über Neuerscheinungen zur Kirchengeschichte des Elsaß und Lothringens vgl. S. 482 ff.

Veit ( 1383) berichtet eingehend über die Säkularisation im Fürstentum Nassau-Usingen, dessen Entschädigungsgut vornehmlich Kurmainzer Besitz war. Die Farben des Bildes des Verlustes der katholischen Kirche in Deutschland durch die Säkularisation, meint er, »wirken um so empörender, je mehr die Einzelheiten des Verlustes bekannt werden« (S. 526). Der Verlust »kommt jedenfalls einer Expropriation der deutschen Katholiken in den Staaten gleich, die große protestantische Mehrheiten haben« (S. 530). Daß die Huldigung der Untertanen an ihre neuen Landesherren von kirchlichen Feiern begleitet war, wertet Veit als »eine mindestens ebenso schmerzliche Erinnerung an diese Zeit, wie die Säkularisation selbst« (S. 540). Zu Auslassungen dieser Art mag doch betont sein, daß mit der gewiß nützlichen Untersuchung des Umfanges und der Folgen der Säkularisation über die sich von einem jeden Standpunkt aus wohl an erster Stelle erhebende Frage, wie es zu ihr denn eigentlich hat kommen können, noch weiter nichts entschieden ist.

Die Aufzeichnungen des Münsterschen Kriegsgerichtsrates und Stadtrates Ludwig Ficker ( 1387), eines Bruders Julius Fickers, des Historikers, über den »Kulturkampf in Münster« oder, wie es ursprünglich der Chronist selbst dem Inhalte noch entsprechender formuliert hatte, über »Münster in der Zeit des Kulturkampfes« haben die Fürsorge, die ihnen O. Hellinghaus durch ihre vollständige Drucklegung, eine abwägende Einleitung, durch ihre Kommentierung und die Beigabe von Anlagen hat zuteil werden lassen, vollauf verdient. Die Jahre 1873 bis 1885 umfassend, gewähren sie einen so tiefen und lehrreichen Einblick in die durch die damalige kirchenpolitische Gesetzgebung Preußens innerhalb eines betont katholischen Milieus hervorgerufenen Verhältnisse und entstandenen Schwierigkeiten, wie ihn außer der Feder eines scharf beobachtenden und geistig aufgeschlossenen Ortseingesessenen kaum jemand offen legen konnte. In der Hauptstadt Westfalens unterlag die Theorie der Gesetzgebung auf eine besonders nachhaltige, natürlich für einen so energischen Verfechter des staatlichen Standpunktes wie den Oberpräsidenten Kühlwetter überaus unwillkommene Art der Bewährungsprobe durch die Praxis katholischen Empfindens und Lebens. Selbstredend, daß in einem Werk vom Umfang des Fickerschen auch unendlich viel auf Dinge entfällt, die das Ressort des Kirchenhistorikers nur halb betreffen; ich denke z. B. an manche Mitteilungen über die Münstersche Akademie. Für das Verständnis der religiös-kirchlichen und der kirchenpolitischen Lage in einem größeren, katholisch orientierten westdeutschen Gemeinwesen während der siebziger und der frühen achtziger Jahre, für ihr Erhebendes und Problematisches, ihre Schwankungen und Wendungen wird


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die Veröffentlichung stets von symptomatischem Werte bleiben und insofern sogar die allgemeine Geschichte befruchten können.

Dem aus dem Geblüt der Landgrafen von Hessen-Darmstadt und daher aus dem protestantischen Bekenntnis hervorgegangenen späteren Kardinal Friedrich von Hessen (1616--1682) haben Dersch ( 1388) und Noack ( 1389) Aufsätze gewidmet (vgl. S. 446).

Die Schrift von Jablonski ( 1390) dient wesentlich der Neuprüfung der Frage nach der der katholischen Minderheit im späteren Delegaturbezirk Berlin, Brandenburg und Pommern von dem Normaljahr 1624 bis zur Verkündigung der Bulle »De salute animarum« zugebilligten Religions- und Kultusfreiheit. Und zwar erörtert sie diese Frage vor allem unter dem Gesichtspunkt: Sind ältere und neuere Historiker, wenn sie speziell aus der Entwicklung der Dinge in den Kernlanden Brandenburg-Preußens auf eine das Fortschreiten der grundsätzlichen Toleranz in anderen Staaten vorwegnehmende Duldsamkeit der Hohenzollern und ihrer Bürokratie zugunsten der andersgläubigen Minderheit ihrer Untertanen geschlossen haben, mit ihrer Meinung im Recht gewesen oder nicht? Jablonski beantwortet diese Alternative entschieden negativ. Manche eine religiöse Duldsamkeit proklamierende Aussprüche solcher Herrscher, denen schon katholische Landesteile winkten oder unterstanden, sind aus rein politischer oder wirtschaftlicher Eingebung geflossen und können deshalb eine Erhebung ins Grundsätzliche nicht beanspruchen. Viele sind Worte geblieben, die niemals durch eine Tat besiegelt wurden. Ein so problematisches Etwas wie die Toleranz Friedrichs des Großen läßt sich selbst mit gelegentlichen römischen Lobsprüchen auf den König nicht beweisen: Einmal wurde die Kurie im 17. und 18. Jhd. über Preußen hie und da durch Gewährsmänner bedient, die an günstigen Berichten persönlich interessiert waren; anderseits kennt der diplomatische Verkehr Lobeserhebungen, die weniger realen Leistungen in der Vergangenheit als Hoffnungen auf die Zukunft dienen sollen. Besonders überzeugend übt Jablonski an den bekannten Aufzeichnungen des Potsdamer Militärseelsorgers P. Bruns O. Pr. Kritik und weiß er das Verhalten Friedrich Wilhelms I. zu deuten: Hinter dem scheinbar weiten, für die Potsdamer Militärgemeinde zweifellos auch von persönlicher Güte getragenen Entgegenkommen des Königs verbarg sich als letzte Absicht, die Kultübung der Katholiken, die sich aus Gründen der Staatsraison nun einmal nicht mehr unterbinden ließ, wenigstens unabhängig von fremden Oberen und ganz in der eigenen Hand zu halten. Schade, daß Jablonski nur für seine Abschlußperiode ungedruckte Archivalien, und zwar ausschließlich solche kirchlicher Herkunft benutzen konnte. Vielleicht durch die Zuspitzung ihrer umsichtig angelegten und mit bemerklicher Selbständigkeit durchgeführten Erörterungen auf einen einzigen Grundgedanken ein klein wenig thesenhaft wirkend, hebt seine Untersuchung doch gegenüber der früheren Auffassungsart die Dinge auf eine höhere Ebene. Vgl. zu dem Thema auch die im vorigen Band dieser Jberr., S. 377, angezeigte Abhandlung von Heckel.

Hoffmann ( 1392) berichtet über Personalstand und Arbeitsleistung der erst 1756 durch Abtrennung von der böhmischen neu entstandenen schlesischen Jesuitenprovinz. In großer Fülle sind Einzelheiten, zum Teil von barocker Eigenart geboten; die Studie hat jedoch mit Absicht ihre kritische Zusammenschau unterlassen und sich überhaupt in die Zeitgeschichte nur wenig eingebaut.


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Der Offensivgeist der Gesellschaft Jesu war, wie Hoffmann nicht zu unrecht feststellt, um die Mitte des 18. Jhds. vorläufig gebrochen, mochte die Seelsorgspraxis des Ordens auch weiter neue Wege gehen. Nicht zuletzt der in unserer Gegenwart immer lebhafter gepflegte Wissenszweig der religiösen Volkskunde wird für Stoffdarbietungen wie die hier vorliegende aufrichtigen Dank wissen.

Loesche ( 1393) schildert auf Grund der deutschen und tschechischen Akten im Fürstlich Liechtensteinschen Hausarchiv zu Wien Rekatholisierungsbestrebungen in Mähren seit der Schlacht am Weißen Berge bis vor das Zeitalter Maria Theresias. In satten Farben ohne viel darstellerische Abtönung und ohne einen weiteren politischen Hintergrund gezeichnete lokale Einzelbilder ziehen an uns vorüber. Die Mannigfaltigkeit dieser Einzelheiten erleichtert es, über die religiös-sittliche und die wirtschaftliche Lage der vorher zum Teil dem Täufertum zugefallenen Mähren sowie über die Wirkung des auf sie durch die Habsburger angewandten regionalen Konfessionszwanges ein allen Gesichtspunkten gerecht werdendes Urteil zu gewinnen.


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