V. Wirtschaftsgeschichte.

Mit Freude weisen wir auf den Abschluß von P. Schwartz' bedeutsamem Quellenwerk zur Agrar- und Sozialgeschichte der Neumark hin ( 1216, vgl. Jg. 1926, S. 532 u. Jg. 1917, S. 486). Das sogen. Klassifikationsregister, das Friedrich Wilhelm I. 1718/19 als Grundlage für eine genaue Hufenveranlagung anlegen ließ, ist aus seinem foliantenreichen Dasein


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hiermit in eine für die wissenschaftliche Nutzung durchaus brauchbare Gestalt gebracht worden. In geschickten, alles Wesentliche umfassenden Auszügen ist hier, mit guten Registern, ein Material ausgebreitet, das auf die Forschung befruchtend wirken muß. Dabei ist nicht etwa nur an die ortsgeschichtliche gedacht. Es ist zu wünschen, daß der Wirtschaftshistoriker schlechthin nicht an dieser Quelle vorübergeht, die übrigens auch dem Familiengeschichtler viel bieten kann. In den Einleitungen zu Teil 1 und 2 ist ein guter Überblick über die agrarischen Verhältnisse der damaligen Neumark gegeben, ohne den das Quellenwerk schwer brauchbar gewesen wäre. -- Wie hier so wird auch in zwei anderen Veröffentlichungen die Bevölkerungsgeschichte der Mark gefördert. J. Schultze, der schon früher für das Land Ruppin eine ähnliche Arbeit lieferte (vgl. Jg. 1925 S. 510), gibt jetzt für die Prignitz ein Landesvisitationsprotokoll von 1652 in berechtigter und ausreichender Zusammenfassung heraus ( 299). Eine Einführung stellt die wesentlichen Ergebnisse fest: fürchterliche Verödung der Priegnitz durch den Dreißigjährigen Krieg, ganz allmähliche Besserung zwischen 1640 und 1652, völlige Neubesetzung mancher Ortschaften, zum Teil in geschlossener Form, durch Siedler aus dem Nordwesten des Reiches und -- soziologisch wichtig -- ein deutliches Einsetzen der Geburten erst seit 1640. So wird der Bericht auch ein neuer Beweis gegen die unhaltbaren Ansichten von der Unschädlichkeit des großen Krieges für die Landeskulturen. In gleicher Weise hat G. Krüger in einem Heftchen »Die Stadt Cottbus und ihre Bevölkerung nach dem dreißigjährigen Kriege« (Cottbus, A. Heine. 28 S.) behandelt.

Man könnte sich denken, daß eine gute familiengeschichtliche Forschung für die territoriale Wirtschaftsgeschichte wertvolle Ergebnisse zeitigt. Was aber K. v. Strantz in einem Aufsatz »Beitrag zur ritterlichen Besiedlung der Mark in der Wittelsbacher Zeit. Die Strantz von Tüllstedt aus Thüringen« (Brandenburgia, Monatsblatt Jg. 37, S. 5--14) zum Vorschein bringt, sind ziemlich wertlose Auslassungen. Daß ausgerechnet die Strantz die Mark von Polen abgewannen, dürfte unbeweisbar sein. -- Neben der Siedlungsgeschichte nennen wir einige wichtige Veröffentlichungen zur Gewerbe- und Industriegeschichte. F.-W. Jeroch verdanken wir eine gut gegliederte Darstellung der Innungsverfassungen der beiden Städte Alt- und Neustadt Brandenburg ( 1215). Sie ist bis ins 18. Jhd., also bis in die große Reformzeit des Innungswesens, geführt und arbeitet die Bedeutung der Korporationen für die allgemeine Entwicklung heraus. Einen nützlichen Überblick über die märkischen Papiermühlen bis um 1800 -- die älteste bekannte hat schon vor 1540 in Neustadt-Eberswalde bestanden -- hat Rud. Schmidt gegeben (Brandenbg. Jahrbuch Bd. 3 S. 58--76), während F. Schmidt der Cottbuser Tuchindustrie eine ausgedehnte und gerade für den Übergang vom Zunfthandwerk zur Industrie beachtenswerte Untersuchung widmet ( 1217). Nicht mehr in den engeren landesgeschichtlichen Rahmen gehört ein hier wenigstens kurz zu nennendes Büchlein von A. D. Bensch über die Berliner Porzellanindustrie unter Friedrich d. Gr. ( 1213).

Noch immer harren wir -- trotz mannigfacher Vorarbeiten -- einer Geschichte der märkischen Fischerei. Sie würde ein sehr wichtiger Beitrag von allgemeiner Bedeutung werden. Das lassen auch die vielen kleinen Aufsätze zur Fischereigeschichte der verschiedensten brandenburgischen Gebiete erkennen, die in einer Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Fischereivereins für die


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Provinz Brandenburg erschienen sind ( 1214). Aus dem rein Örtlichen hebt sich eine kleine »Geschichte des märkischen Fischereirechts« von Görcke heraus.


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