II. Stadtgeschichte (Stralsund).

Die denkwürdigen Ereignisse des Jahres 1628, in welchem Wallenstein trotz größten Aufwandes die Belagerung von Stralsund infolge des zähen Abwehrwillens der Stralsunder Bürger aufgeben


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mußte, haben sich mit solchem Nachdruck in die Erinnerung der Stralsunder eingeprägt, daß die Wiederkehr des Abzuges der Wallensteinschen Truppen nach vollen 300 Jahren nicht nur festlich begangen wurde, sondern auch Betrachtungen über die Vergangenheit der heldenmütigen Stadt ihren Weg in die Öffentlichkeit nahmen.

Als Bogislaw XIV. schließlich doch seine Neutralität durch die Annahme der Franzburger Kapitulation (i. J. 1628) aufgeben mußte, fielen Wallenstein sogleich die pommerschen Küstenorte bis auf Stralsund zu, das sich hoffnungsvoll auf Verhandlungen mit Schweden stützend ihm trotz seiner vielfachen diplomatischen und kriegerischen Versuche keinen Einlaß gewährte. Hierüber schildert Wehrmann ( 661) die Einzelheiten und zugleich die damaligen inneren Verhältnisse der Stadt. Auf archivalischer Grundlage untersucht Paul ( 655 a) die weitzurückreichenden Beziehungen Stralsunds zu Schweden, die bereits in dem Handelsprivileg für Stralsund vom Jahre 1574 einen freundschaftlichen Ausdruck gefunden hatten. Während für Schweden die befreundete kontinentale Hafenstadt wichtig war, bildete für Stralsund der Handel mit Schweden das Rückgrat seines Wohlstandes, so daß eine für beide Teile förderliche Wechselwirkung entstand, die allerdings zu Beginn des 30jährigen Krieges in der politischen Auffassung der damaligen Zeit sehr verschiedenartige Beurteilung erfuhr. Diesen Fragen geht Paul ( 660) ebenfalls nach und erklärt das politische Verhalten Stralsunds aus den Lebensverhältnissen der Stadt selbst. Denn Stralsund war nach Lübeck die mächtigste deutsche Handelsstadt an der Ostsee und strebte danach, gleichfalls freie Reichsstadt zu werden. Das brachte sie nach verschiedenen Richtungen hin zum Ausdruck und erhoffte auch, in den Verhandlungen mit Schweden, hierfür dessen Unterstützung im Reiche zu erlangen. Diese Aussichten zerrannen jäh, als Schweden nach dem Danziger Tage gegen das Reich in den Krieg zog und Stralsund in sein Schlepptau nahm.

Die kirchliche Bewegung, in deren Zeichen der 30jährige Krieg geführt wurde, lernt man auch aus den kirchlichen Akten Stralsunds kennen, unter denen ein Kirchenregister, d. h. ein Rechnungsbuch, Laag ( 662) Veranlassung gibt, den Niederschlag der Zeitgeschichte für die Jahre 1626--1630 darin zu beleuchten. Laag zieht jedoch noch weitere kirchliche Archivalien heran und bietet daraus ein abgerundetes Bild von den vielfältigen Einwirkungen der äußeren Verhältnisse auf das kirchliche Leben und dessen Verhalten dazu. Materiell hatte die Kirche bedeutende Ausgaben für Unterstützungen und die freiwillig übernommenen Begräbnisse für Soldaten zu leisten und daneben noch wesentliche Minderungen von Einnahmen zu ertragen. Auf geistigem Gebiete stand dem eine erhöhte seelsorgerische Tätigkeit gegenüber und mutvolles Eingreifen selbst durch Flugschriften, wenn die Kirchenpolitik es erheischte. -- Nur wenige Städte sind im deutschen Osten in der Lage, bis in die Zeit ihrer Entstehung urkundliche Quellen im Zusammenhang zu besitzen, wie es bei Stralsund der Fall ist. Daher läßt sich, wie Hoogeweg ( 66) darlegt, die Sorge der Stadt für ihre Archivalien schon frühzeitig nachweisen. Erst auf einzelne Bürgerhäuser verteilt, wurde das Archiv seit dem Anfang des 15. Jhds. in dem neu erbauten Rathaus vereinigt. Entsprechend der steigenden wirtschaftlichen Bedeutung Stralsunds und der Ausdehnung der Verwaltung auf das Kirchenvermögen durch die Reformation wuchs auch die Masse der Archivalien, an deren Ordnung sich im Laufe der Zeit verschiedene Hilfskräfte versuchten, bis in der


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2. Hälfte des 19. Jhds. Ferd. Fabricius mit geschickter Hand dem Archiv die bis in die neuere Zeit geltende Grundlage gab. Aber erst die sachgemäße Durcharbeitung durch Hoogeweg, den ehemaligen Staatsarchivdirektor in Stettin, schuf eine auch für die Zukunft berechnete Ordnung unter gleichzeitiger Sammlung aller inzwischen wieder verstreuten Teile im Gebäude der Stadtbibliothek. -- Aus den verschiedensten Quellen der Überlieferung hat Rich. Marsson, Aus der Schwedenzeit von Stralsund, v. Olthoff und Giese. Stralsund 1928. VIII, 99 S. die Fülle seiner Mitteilungen geschöpft, die er um zwei Männer v. Olthoff und Giese mit ihren Familien gruppiert. Beide Männer wurden gemeinsame Leiter der Münze in Stralsund, die zur Regulierung der Wirtschaftsverhältnisse während des 7jährigen Krieges als einzige Rettung eingerichtet worden war.


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