VI. Die Kirchengeschichte

ist ebenfalls stark vertreten, ganz im Gegensatz zur Abteilung VIII., die die Werke zur Kultur- und Bildungsgeschichte zu enthalten hätte, aber dieses Jahr ausfällt. -- H. Reimers zeigt in seinem Vortrage »Das Papsttum und die Freien Friesen« ( 1260), daß sich hier Herzensfrömmigkeit, die in dem Papst den Statthalter Gottes sah, und weitblickende kuriale Politik, die sich auch einmal in Würdigung der Volkseigenart zu bescheiden wußte, innerhalb der beiderseitigen Begebenheiten eingelebt haben. Man respektierte in Rom in den freien Friesen einen Volksstamm von durchaus eigener Prägung und hielt sich von übereilten Gewaltmaßregeln, auch wo Verletzungen formalen Rechts dazu hätten Anlaß geben können, behutsam fern. -- H. Stutt hat in einer gründlichen und fleißigen Arbeit »die nordwestdeutschen Diözesen und das Baseler Konzil« ( 1271) in den Jahren 1431 bis 1441 behandelt. Einleitend schildert er die Anknüpfung der Beziehungen bis zum


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Frühjahr 1434 und verfolgt dann im eigentlichen Hauptteile die Stellungnahme der Prälaten, soweit es das zur Verfügung stehende Quellenmaterial gestattete. Den Schluß bildet eine Aufzählung der inkorporierten und nicht inkorporierten nordwestdeutschen Konzilsbesucher. Abgesehen von den Zusammenstellungen über Altarpfründen und Vikarien in größeren Städten liegen Untersuchungen über den Klerus einzelner Diözesen, besonders für Norddeutschland, wenig vor. Auch J. Vinckes mit kritischer Klarheit bearbeitetes Buch über den »Klerus des Bistums Osnabrück im späten MA.« ( 1288), eine Freiburger Dissertation, will nicht alle Fragen, die den Klerus betreffen, behandeln, sondern nur seine Herkunft, seine Bildung, die Ämterbesetzung, das Pfründenwesen, die sittlichen Zustände, die Reformen und das Verhältnis von Klerus und Volk. Der Verfasser stellt seine Arbeit in den großen Zusammenhang der allgemeinen politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und gibt uns so mit seiner Schrift einen brauchbaren Beitrag zur Kenntnis des ma.lichen Klerus. -- Zur Verfassungsgeschichte der ma.lichen Kirchen ist nur eine Abhandlung vorhanden: J. Ahlhaus ( 1328) untersucht nach einer knappen Übersicht über die Quellen im ersten Teil die Geschichte des geistlichen Patronats und der Jnkorporation, indem er die einzelnen Stifter, Klöster, Archidiakonatskirchen und die Kirchen des Domkapitels bzw. des Bischofs im Hochstifte Hildesheim berücksichtigt. Der zweite Teil legt die Rechtsverhältnisse des Patronats und der Inkorporation klar. Die auf gründlichen und sorgfältigen Forschungen beruhende Arbeit beschließt ein Autoren- und Ortsregister. -- Zum Abschnitt »Kultus« gehört das nächste Werk: G. Matthaei gibt im ersten Abschnitt eine Geschichte der »Vikariestiftungen der Lüneburger Stadtkirchen im MA. und im Zeitalter der Reformation« ( 1348). Diese Entwicklung des Vikariewesens erreichte mit der Reformation ihr Ende. Im zweiten Abschnitt wird das weitere Schicksal der verschiedenen Vikarien verfolgt. Das umfangreiche Benefizialverzeichnis und wertvolle Register erhöhen den Wert des Buches. -- Die evangelische Kirchengeschichte der Neuzeit bildet mit vier größeren Veröffentlichungen den Schluß der Abteilung: A. Brenneke stellt im ersten Teil seiner »Geschichte des hannoverschen Klosterfonds« ( 1470), der die Vorgeschichte bis 1584, dem Jahre des Rückfalls von Calenberg-Göttingen an die Wolfenbütteler Linie des Welfischen Hauses, behandelt, »die Herrschaftsbeziehungen zu den Klöstern im Gebiet des Territoriums Calenberg-Göttingen vor und nach der Reformation und dazu vor allem die Geschichte der Kirchenreformation dieses Landes selbst« dar. Das Buch ist, was der obengenannte Nebentitel besagen soll, aus Studien zu einer Vorgeschichte des hannoverschen Klosterfonds erwachsen. Die vielfältige Zusammensetzung des Werkes erhält ihre innere Einheit durch die das Ganze beherrschende Persönlichkeit: die Herzogin Elisabeth. Sie, deren alleiniges Werk die Reformation des Fürstentums Calenberg-Göttingen war, steht im Mittelpunkte der Handlung. Aus den Akten heraus entwickelt der Verfasser in lebendig-anschaulicher Darstellung ihr Bild, das anders aussieht, als wir es bisher kennen. Elisabeth ist größer und interessanter geworden. Sie ist »sowohl Schicksalsträgerin wie überragende Persönlichkeit und die Tragik, die ihrem Leben mit keinem Grunde abgesprochen werden kann, sowohl Schicksals- wie Charaktertragik gewesen«. Mit unendlichem Fleiße ist der Stoff zu dem großen Werke, mit dem der Verfasser die Öffentlichkeit schon vorher

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(vgl. Jberr. 1, 520, nr. 2371) auszugsweise bekanntgemacht hatte, zusammengetragen und zuverlässig verarbeitet. H. Hoyer ( 1469) will eine kritische Darstellung der bisher fehlenden Osnabrücker Reformationsgeschichte geben. Wenn das Gebotene auch dankbar begrüßt wird, weil es eine Lücke schließt, bleibt es zu bedauern, daß der Verfasser seine eingehenden Untersuchungen auf die kritische Verarbeitung des gedruckten Materials beschränkt und nicht die Akten des Osnabrücker Staatsarchivs herangezogen hat. Die einzelnen Kapitel würden bei Verwertung dieser Quellen gewonnen haben. Nach einem einleitenden Überblick über die geschichtliche Literatur der Osnabrücker Reformationszeit in der Geschichtsschreibung werden die staatlichen und kirchlichen Zustände in Osnabrück am Vorabend der Reformation geschildert. Dann folgt die ausführliche Darstellung der »Grundlegung« der Reformation, ihre Einführung und Entwicklung bis zum Tode des Bischofs Franz von Waldeck. -- Die »Bedeutung Georgs Calixts für die Lutherische Kirche der Welfischen Lande« ist bisher von den Bearbeitern der niedersächsischen Kirchengeschichte wenig beachtet worden. F. Uhlhorn ( 1468) stellt bei genauer Nachprüfung fest, daß der Einfluß des großen Helmstädter Theologen »eine tiefe Einwirkung ausgeübt hat«. Der Charakter des niedersächsischen Volkes, der zur »Moderation« geneigt ist, kam hier seiner Theologie entgegen. -- Nachdem Th. Wotschke vor zwei Jahren niedersächsische Mitarbeiter an den »Unschuldigen Nachrichten« zusammengestellt hat (Jberr. 1, 545 nr. 2282), führt er jetzt in den Kreis der niedersächsischen Theologen hinein, die den beiden Bartholomäi und Schneider, ihrem Nachfolger in der Schriftleitung, Abhandlungen zum Abdruck, Bücher, Programme, Dissertationen zur Besprechung, Nachrichten zur Veröffentlichung in den Acta historico-ecclesiastica einsandten. Aus den Briefen dieser Theologen, die sich in der Herzoglichen Bibliothek in Gotha befinden, von Heumann über den letzten Carpzow zu Volborth, teilt Wotschke auszugsweise mit, was nicht in die Zeitschrift übergegangen ist ( 1466).


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