II. Quellen und Darstellungen nach der Reihenfolge der Ereignisse.

W. Biereye, dem wir bereits eine wertvolle Studie über die Persönlichkeit und das Wirken Albrechts von Orlamünde verdanken (vgl. Jberr. 1927, S. 497 ff.), hat nunmehr die unter dessen Herrschaft in Holstein erlassenen Urkunden zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung -- sowohl nach ihrem Inhalt wie nach ihrer äußeren Form (auch den Siegeln) -- gemacht ( 135). Dabei ergaben sich wichtige Aufschlüsse zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des Landes (z. B. in bezug auf die Klöster und die ihnen verliehenen Schenkungen), aber auch in personalgeschichtlicher Hinsicht (so über Mitglieder des holsteinischen Adels). Interessant sind auch die Forschungen über »die Kanzlei« des Grafen und ihre Mitglieder. Diese war nicht eine solche im Sinne der kaiserlichen oder der päpstlichen Kanzlei des 13. Jhds., sondern ein Nebeneinander mehrerer Kaplane oder clerici curiae -- Heinrich, Gerhard, Marold -- deren Tätigkeit noch nicht durch eine geregelte Arbeitsteilung näher bestimmt gewesen zu sein scheint. -- Im Anschluß an den bereits von O. Brandt erbrachten Nachweis, daß das Schlagwort »Up ewig ungedeelt« nicht von Dahlmann geschaffen worden ist, bietet R. Bülck mit eindringendem Scharfsinn die Entstehungsgeschichte dieser für die schleswig-holsteinische Erhebung entscheidenden Parole ( 769). So sehr das Schlagwort auf den berühmten Satz »dat se bliven ewich tosamende ungedelt« aus dem Ripener Freiheitsbrief Christians I. zurückgeht, so hat doch erst der Apenrader Arzt August Wilhelm Neuber in seinem zündenden »Lied von der Schlei« 1841 ihm die durch ihren rhythmischen Tonfall so eindrucksvolle Formulierung gegeben. Das »Lied von der Schlei«, das Nicolaus Beckers Rheinlied nachgedichtet ist, hat wie das Schleswig-Holstein-Lied seine Vertonung durch Bellmann erhalten und ist durch das große Eckernförder Sängerfest von 1845 Allgemeingut der schleswig-holsteinischen Bevölkerung geworden: so erst hat das Schlagwort »Up ewig ungedeelt«, das die letzte Zeile des Liedes bildet, seine ungeheure Verbreitung weit über Schleswig-Holsteins Grenzen hinaus gefunden. -- In einem formvollendeten Vortrage zur Erinnerung an den Abstimmungstag des Jahres 1920 in Flensburg wirft A. O. Meyer ( 771) die Frage auf: »Woher stammt der nationale Gedanke in Schleswig-Holstein, seit wann ist er eine Macht im Lande?« Somit hat er zugleich in die wissenschaftliche Kontroverse über die Wurzeln des deutschen Nationalgefühls in den Herzogtümern, die durch O. Brandts Buch über »Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein« hervorgerufen wurde, eingegriffen. Und er hat dadurch, daß er ein starkes politisches, nicht nur ein kulturelles deutsches Nationalgefühl für


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den Emkendorfer Kreis anerkennt, sich auf Brandts Seite gestellt. Mit Recht hebt sodann A. O. Meyer hervor, daß der deutsche nationale Gedanke in Schleswig-Holstein erst durch den Geist der neuen Zeit, des 19. Jhds., zu vollem Erwachen gekommen ist, nicht durch einen einzelnen Mann oder ein einzelnes Ereignis. Dabei wird von ihm besonders auch auf »die herzbezwingende Macht des Liedes« hingewiesen, durch die ganz Deutschland für die schleswigholsteinische Sache begeistert wurde, und durch die diese erst zur Sache Deutschlands, der deutschen Einheit geworden ist. Anderseits beleuchtet die Schrift auch die Entstehung des dänischen Nationalgefühls im Königreich und in Nordschleswig.

Eine bedeutsame Quelle für die Haltung der Augustenburger, namentlich des energischen Herzogs Christian August in der schleswig-holsteinischen Bewegung von 1820 bis 1848 bilden die von A. Heils veröffentlichten Briefe ( 770). Sie sind an den Kabinettssekretär des Königs, Johann Gunder Adler, und den Kopenhagener Professor Peter Hjort gerichtet und gewähren einen Einblick in die Stimmungen, die die Mitglieder des Augustenburgischen Hauses damals beherrschten. Man findet eine erschütternde Schilderung der Ermordung des Herzogs von Berry aus der Feder Christian Augusts, der damals in Paris weilte, man erfährt von seinem großen Interesse an den italienischen Verhältnissen und hört scharfe Urteile über die Zustände in der österreichischen Armee. Christian August, sonst als starrer Konservativer bekannt, bekundet in seinen Briefen seine warmen Sympathien für die Polen und ihre Freiheitskämpfe, wie er auch den Kurfürsten von Hessen samt seinem ungeratenen Sohn, auch den verjagten Herzog von Braunschweig und Metternich gerade wegen ihrer einseitigen Reaktionspolitik als »die größten Demagogen in neuerer Zeit« brandmarkt. Allerdings bezeugen dann auch diese Schriftstücke, ein wie entschlossener Gegner von liberalen Verfassungseinrichtungen in den Herzogtümern er gewesen ist. Als »Narrheit« und »verrücktes Zeug« erscheinen ihm vollends die Ziele der dänischen Liberalen wie Orla Lehmann, auch die Agitation der Führer der dänisch gesinnten Gruppe in den Herzogtümern, so Flors, Clausens und vor allem seines schärfsten Widersachers in der Schleswigschen Ständeversammlung Peter Hjort Lorenzens, des »Narren« und »Windbeutels«, dessen Bestrebungen, Schleswig mit Hilfe der dänischen Sprache und dänischen Nationalität zu danisieren, er als »Lächerlichkeit« bezeichnet. Überaus schroff ist seine Kritik an Christian VIII., dem er vorwirft, durch einen »Betrug«, eine »Intrige« seinem hessischen Neffen den Thron im dänischen Gesamtstaat verschaffen zu wollen. Christian August verwahrt sich dabei entschieden gegen den Verdacht, »ein Dänenfresser« zu sein, aber er verteidigt in seinen Briefen mannhaft den Grundsatz der Untrennbarkeit und den deutschen Charakter der Herzogtümer sowie das Erbrecht seines Hauses. Nur in der Einführung der männlichen Erbfolge auch im Königreich Dänemark erblickt er die Lösung der großen Streitfrage. In einem ausführlichen Brief rechtfertigt sich Prinz Friedrich von Noer gegenüber Anfeindungen, die dänischerseits ihm widerfuhren, weil er sich von Christian VIII. die Statthalterschaft in den Herzogtümern hatte übertragen lassen; er und sein Bruder seien ebenso gut Dänen wie Deutsche und liberaler als alle hohen Spitzen und Beamten in Kopenhagen.

A. Linvald hat eine Reihe von amtlichen Aktenstücken aus dem Kopenhagener Reichsarchiv veröffentlicht ( 781), die schärfer als frühere Publikationen


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die Stellung des dänischen Novemberministeriums 1848 zur Frage der Teilung des Herzogtums Schleswig erkennen lassen. Demnach waren, wie schon N. Neergaard in seinem Werke »Under Innigrundloven« angenommen hatte, in der Tat der Kultusminister J. N. Madvig und sein Ministerkollege H. N. Clausen überzeugte Anhänger des Teilungsgedankens, obwohl das Ministerium, dem sie angehörten, die Abweisung einer Teilung Schleswigs ausdrücklich auf sein Programm gesetzt hatte. Diese beiden Politiker haben trotz des vorläufigen Abschlusses der Frage dennoch weiterhin versucht, für die Verwirklichung der Teilung den Weg zu ebnen, ja eine solche so stark betrieben, daß gefährliche Krisen innerhalb des Ministeriums zu bestimmten Zeitpunkten nicht ausgeblieben sind. -- F. Hähnsen ( 796) berichtet unter Wiedergabe der diesbezüglichen Papiere von dem Plane des Agrarhistorikers Georg Hanssen 1864, die Einsetzung einer besonderen Enquêtekommission über die 13 Jahre des dänischen Zwangsregiments im Herzogtum Schleswig bei dem preußischen Innenminister Graf Eulenburg zu erwirken. Diese Kommission sollte in einer Denkschrift den Nachweis erbringen, wie unrichtig die von den Dänen in Europa verbreitete Behauptung sei, daß die Herzogtümer das Opfer der ehrgeizigen Pläne und der »Eroberungssucht der deutschen Großmächte und des großen deutschen Volkes« bildeten. Bismarck waren diese Anregungen Hanssens durchaus willkommen; es ist jedoch für seine Beurteilung der damaligen Situation wichtig, daß er, so sehr ihm der vollständige Schutz der Elbherzogtümer gegen erneute dänische Unterdrückung am Herzen lag, dennoch auf eine Loslösung des ganzen Herzogtums Schleswig von Dänemark bei der Haltung der französischen Politik nicht zu hoffen wagte, vielmehr mit dessen Teilung rechnete. Dagegen erhob der preußische Zivilkommissar in Flensburg Freiherr von Zedlitz gewisse Einwendungen, zumal er Hanssen in einzelnen Punkten augustenburgische Motive unterstellte. Bismarck hat aber den von Hanssen vorgeschlagenen Regierungsrat Böckh und nach dessen Ablehnung aus Gesundheitsrücksichten den Regierungsassessor Reinigk mit der Abfassung des vorgesehenen Berichtes beauftragen lassen. Die Arbeit ist dann in Angriff genommen, aber nicht abgeschlossen worden, da nach dem Siege Preußens über Dänemark ein solcher Bericht sowie seine Veröffentlichung nach Bismarcks Ansicht nur als eine Gehässigkeit gegenüber dem Besiegten ausgedeutet worden wäre. Hähnsen macht ferner Mitteilungen über die Eingabe des Majors im preußischen Generalstabe Franz Geerz vom 22. Juni 1864 an das Ministerium des Äußeren, worin es von ihm als dringend wünschenswert bezeichnet wird, daß in dem kommenden Friedensschluß die jütischen Enklaven und Inseln in Nordschleswig, darunter Ripen, von Dänemark abgetreten und wieder mit dem Herzogtum Schleswig verbunden werden, dem sie von Alters her zugehörten. Diese Denkschrift ist die einzige sachkundige Unterlage für die Verhandlungen über die Grenzziehung geworden, da Bismarck sie in ihrem Hauptteil dem preußischen Friedensunterhändler Freiherrn von Werther zur Benutzung übersandt hatte. Übrigens war Hanssen bereits im Mai 1864, als auf der Londoner Konferenz die Demarkationslinie für eine Teilung des Herzogtums Schleswig festgesetzt werden sollte, von Bismarck beauftragt worden, eine »Darstellung der Sprachverhältnisse in Schleswig mit den besten und sichersten Quellen« in Gemeinschaft mit Geerz zu liefern. Auch diese Denkschrift wurde durch die politischen Ereignisse überholt, aber sie hatte doch eine historische und literarische Bedeutung: sie ist in ihrem wesentlichen

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Inhalt identisch mit Hanssens bekannter Abhandlung in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 1878 »Die Nationalitäts- und Sprachverhältnisse des Herzogtums Schleswig«, die vor allem durch ihre ausführlichen statistischen Angaben, den eigentlichen Anteil von Geerz, noch heute Quellenwert besitzt.


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