II. Historische Landeskunde, einschließlich Ortsgeschichte.

Aus dem Gebiete zwischen Wilder Weißeritz, Tharandter Wald, Zschopau und Preßnitz, also dem Verbreitungsgebiet osterzgebirgischer Mundart von Döbeln bis zum Erzgebirgskamm, behandelt J. Langer ( 294) die Fluren der Ortschaften: Dittersbach, Erlebach, Gebersbach, Linda, Littdorf, Neuwernsdorf, Oberreichenbach, Oberschöna, Rhäsa, Schönberg, Schönfeld und Seiffen. Er will an diesem


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Querprofil den Siedelungsgang im Erzgebirge darlegen. Die Untersuchungen machen den Eindruck gediegener Arbeit und verdienen um so mehr als Muster für ähnliche Forschungen genannt zu werden, als sie auch manche aufschlußreiche Bemerkung allgemeiner Art, z. B. über Siedelungsformen, Verhältnis zwischen Hufengröße und Kolonistenzahl (S. 50) u. a. enthalten (vgl. S. 122) --. W. Goerlitz ( 1059) ist von mir in Dt. Literaturzeitung 34 (1929), Seite 1636 ff., besprochen worden und wird an anderer Stelle berücksichtigt (vgl. S. 278) --. W. v. Boetticher ( 232) legt eine sorgfältige Sonderuntersuchung über den Adel des Görlitzer Weichbildes um die Wende des 14. u. 15. Jhds. vor. Die Einleitung macht mit den besonderen Verhältnissen der Sechsstadt Görlitz und ihres Weichbildes vertraut, das etwa 250 Ortschaften und Güter umfaßte, in denen die Stadt die hohe Gerichtsbarkeit ausübte. Zugleich werden die sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse der Ritterschaft kurz dargelegt. Auffällig z. B. gegenüber dem festen Brauch in der herzogl. sächsischen Kanzlei jener Zeit ist die gelegentliche Schwankung in der Verwendung von Ehrentiteln und auszeichnenden Beiwörtern; sie hängt wohl mit dem stärkeren Hervortreten des Bürgertums im Görlitzer Weichbilde zusammen, denn dadurch verwischt sich die scharfe Abgrenzung von Adel und Bürgertum, die anderswo üblich war. Der Hauptteil enthält in Regestenform und in alphabetischer Reihenfolge alles, was über die einzelnen Geschlechter zu ermitteln war.

Auf Urkunden und Akten gestützt, verfolgt W. Füßlein ( 623) eingehend die Geschichte der Erwerbung der Neuen Herrschaft (= Pflege Coburg) und ihre Ausbildung zu einem staatlichen Ganzen durch Graf Bertold VII. von Henneberg-Schleusingen 1311--1316. Den Kern bildet die Vogtei über die Hälfte des Zehnten zu Coburg, der dem Kloster Banz bestimmt war. Da sie lehnsrechtlich eine Allodialherrschaft war, kam sie nach dem Aussterben des Mannesstammes der ersten Hennebergischen Besitzer an eine Tochter oder vielmehr an deren Ehemann, einen askanischen Markgrafen von Brandenburg. Nach wechselvollen Schicksalen in den Königswirren unter Adolf von Nassau und Albrecht von Habsburg und nach stetem Kampfe mit Würzburg übernahm die verwitwete Markgräfin Anna von Brandenburg 1308 die Neue Herrschaft. Sie sicherte sich die Freundschaft Bertholds VII., »des besten Diplomaten der Zeit«, wie ihn F. nennt, und gelangte durch ihn auch zum Frieden mit Würzburg. Als sie sich 1311 wieder verheiratete, kaufte ihr Berthod VII. -- als Verwalter von Böhmen damals bei gutem Vermögen -- die Neue Herrschaft gegen 24 000 Mark Silber ab. Die Arbeit F.'s gibt manchen wichtigen Ausblick auf die Zeitgeschichte und bringt eine Fülle biographischer Angaben, aber der Überblick darüber ist ohne Register sehr erschwert. --

A. Teuscher (Das alte Leipziger Universitätsdorf Hohenheida, Diss. Leipzig, 125 S.) ist der Versuch, ein Kulturbild des alten Leipziger Universitätsdorfes Hohenheida zu geben und die Entwicklung seiner Landwirtschaft von der quellenmäßig erfaßbaren Zeit bis heute zu schildern, durchaus geglückt. Hohenheida ist ursprünglich wohl eine wendische Gründung, und zwar ein Rundling. Im 11. u. 12. Jhd. siedelten sich freie germanische Bauern an und gestalteten ein Angerdorf daraus, dessen Hufen noch 1751 im Flurbuch mit 78 Ackern eine erhebliche Größe besaßen. Bis 1438 unterstanden die Bauern unmittelbar dem Markgrafen, wurden aber in diesem Jahre mit allen Zinsen und Pflichten an die Universität als Lehnsherrin gewiesen. Dadurch blieben


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sie auch späterhin besser gestellt als die Bauern kleiner Grundherren; denn die sogen. Herrenfronen fielen in den Universitätsdörfern ganz weg, und immer ist das Verhältnis zwischen Universität und Bauern gut gewesen.

O. Trautmann schildert nach seinem Aufsatz über die Altenberger Binge (Jberr. 1926, Nr. 1778) nunmehr die Entstehung der Bergstadt Altenberg (Neues Arch. f. sächs. Gesch. 49, 185--208). Nach einleitenden siedlungsgeschichtlichen Bemerkungen über die ganze Gegend des Zinnbergbaus wird die Fündigmachung am Geising um 1440 nachgewiesen. Drei Zechen sind 1449 im Gebiet der heutigen Binge anzunehmen, und der Kurfürst Friedrich erwirbt 1449 die Herrschaft Lauenstein nur, um eine dieser Zinngruben, die Rote Zeche, in seinen Eigenbesitz zu bekommen (gegenüber der Teilung mit Herzog Wilhelm von 1445). Die meißnischen Fürsten haben den Zinnbau immer gefördert und dafür freilich auf Geleitgeld, Waggeld und Zehnten bestanden. Ende des 15. Jhds. hat sich für die neue Siedlung der Name »auf dem Altenberge« durchgesetzt. Von Grundrißbildung war keine Rede, zu einer Ummauerung ist es nie gekommen. Die Erhaltung und erst recht die Verstärkung der Arbeiter an dem wilden Ort machte zunächst große Sorgen. Die Flur entstand durch Hinzuroden, und so ist sie ganz verschieden von derjenigen der Hufendörfer aus der Kolonisationszeit. Äußere und innere Feinde gefährdeten das Wachstum. Die inneren Feinde bestanden in aufsässigen Häuern und Arbeitern, die sich nicht »friedlich und sicher untereinander«, halten wollten. Die Fürsten sorgten wohl durch großartige Entwässerungsanlagen und eine Wasserkunst für die technische Entwicklung des Bergbaues, aber gerade damit waren die Arbeiter und Bauern unzufrieden, weil ihnen zunächst Verdienstmöglichkeiten im einzelnen entgingen. Die »Zinnherren« wiederum entwickelten zu viel Eigennutz, so daß ohne die Tatkraft der Fürsten der Altenberger Zinnbau vielleicht ein frühes Ende gefunden hätte. Indem die Landesherren aber an ihren Verbesserungen festhielten und so schließlich auch bessere Arbeitsverhältnisse schufen, sorgten sie dafür, daß der Altenberger Zwitterstock auf die Dauer ein wertvolles Stück der sächsischen Wirtschaft wurde und mehr für diese bedeutete als die märchenhafte Ausschüttung mancher Silbergruben auf kurze Zeit. --

P. R. Beierlein (Die Goldsucher von Werda i. V. Neues Arch. f. sächs. Gesch. 49, 7--12) liefert mit einem Briefe des Zwickauer Hauptmanns Wolf von Trützschler vom 20. 7. 1564 den urkundlichen Beweis, daß ein Wahlenoder Welschenbuch der Anlaß zum Goldsuchen im Vogtlande, und zwar in Werdau, gewesen ist. Die drei Abenteurer, welche »die philosophische Kunst« des Umwandelns wertloser Erze in Gold verstehen wollten, waren zwar im Grunde nur selbst von ihrer Einbildung genarrt, aber die abergläubische Landbevölkerung machte alsbald einen Teufelsspuk aus ihnen. Trotzdem blieb wohl etwas hängen, denn 200 Jahre später (1738) flackerte das Goldfieber in weiteren Kreisen Werdaus auf und führte zur Anlage eines Goldbergwerks, das freilich bald als ertraglos wieder aufgegeben werden mußte. --

Neustadt a. d. Orla hat durch E. Stopfkuchen ( 1060) eine umsichtige und auf Literatur und Akten gut gegründete Geschichte seiner Verfassung und Verwaltung vom 14. Jhd. -- Mitte des 16. Jhds. erhalten. Überall fühlt man in den einzelnen Kapiteln die klare Erfassung der Aufgabe und die Hingabe an den Stoff. Manches freilich trifft nicht nur für Neustadt a. d. Orla zu, wie


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man nach der Darstellung denken könnte, sondern ist typisch fast für alle gleichartigen Städte in Sachsen und Thüringen und hätte unter Hinweis darauf kürzer gefaßt werden können. --


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