IV. Rechts- und Wirtschaftsgeschichte.

Die von der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde seit 1907 veröffentlichten Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte waren im Gebiet des Herzogtums Berg für die Städte Siegburg, Blankenberg und Deutz erschlossen worden. Da F. Lau seiner Geschichte der Stadt Düsseldorf ein umfangreiches Urkundenbuch beigegeben hatte und da für die Städte Lennep und Wipperfürth ein zu geringes Urkundenmaterial vorlag, blieb nur noch Ratingen aus dem genannten Gebiet übrig. Die Quellen dieser alten bergischen Stadt hat jetzt O. R. Redlich ( 1050) veröffentlicht, gewissermaßen als Ergänzung der 1926 erschienenen Stadtgeschichte (vgl. Jberr. 2, S. 596--597). -- H. Goldschmidt ( 1048) bietet mit der Geschichte des jülichschen Erbkämmereramts ein charakteristisches Beispiel dafür, wie schwierig, wenn nicht unmöglich es im alten deutschen Territorialstaat für den Landesherrn war, die Rechte des persönlichen Lehens wieder an sich zu ziehen, mochte deren Gewährung inzwischen auch längst ihre sachliche Berechtigung verloren haben. Die älteste der beigegebenen Urkunden gibt einen Überblick über die Tätigkeit des Erbkämmerers in der ersten Hälfte des 14. Jhds. Sein Wirkungskreis ging weit über das hinaus, was den Kämmerern anderer Territorien oblag. -- Das Buch von E. Rütimeyer ( 1047), das hier nur eben erwähnt werden soll, da es in anderm Abschnitt eingehender gewürdigt wird (vgl. S. 274), hat mit Recht größte Beachtung und Anerkennung gefunden. Von den hier behandelten sechs alten Römerstädten am Rhein kommt für uns nur Köln in Betracht. Auch hier zeigt sich wie in den andern Städten, daß es der Bürgerschaft im 12. und 13. Jhd. gelungen ist, die ursprünglich in der Hand des bischöflichen Stadtherrn liegenden Hoheitsrechte an sich zu bringen und damit allmählich die Stadt zu einem unmittelbaren Territorium innerhalb des Reichs zu machen. -- In der Stadt Köln wurden seit 1328 allgemeine Verordnungen in der Form einer »Morgensprache« von der Laube des Rathauses verkündigt. In dieser Form gelangte auch die jetzt von E. Kuphal ( 416) veröffentlichte Polizeiordnung vom 24. April 1623 zur Verkündigung, die insofern beachtenswert ist, als sie bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit Geltung behielt.

Da ich gleich von einem Werk über bergische Industrie zu berichten habe, darf ich hier vielleicht auf die feinsinnigen Ausführungen zur Geschichte und Kultur des Wuppertals 1480 bis 1580 hinweisen, die W. de Weerth in der von Wolfg. van der Briele herausgegebenen Festschrift für Otto Schell (Elberfeld, Martini und Grüttefien 1928. 76 S.) veröffentlicht. Durch geschickte Interpretation spärlicher Quellen vermag er nachzuweisen, daß Elberfeld trotz geringer Einwohnerzahl schon im 16. Jhd. sowohl im Gewerbebetrieb wie auch hinsichtlich Schulbildung und Geisteskultur eine beachtenswerte Stellung eingenommen haben muß.

Das Werk von W. Engels und P. Legers ( 1194) bietet einen willkommenen Einblick in die Entwicklung der bergischen und speziell Remscheider Werkzeug- und Eisenindustrie, die sowohl durch geologische wie geographische Bedingungen eine durchaus bodenständige war. Eine derartig ins einzelne gehende Würdigung der bergischen Industrie oder eines ihrer Zweige hat bisher


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gefehlt, wenn auch schon verschiedene Arbeiten über die Kleineisenindustrie dieses Gebiets vorlagen. Hier wird nach einem Rückblick auf die älteste Zeit und auf die allgemeinen Bedingungen für die industrielle Entwicklung vor allem das Sensen- und Sichelhandwerk, der Übergang vom Zunftwesen zur Gewerbefreiheit behandelt und im Anschluß daran die Remscheider Werkzeug- und Eisenindustrie von 1815 bis 1914. Dem beigegebenen Urkundenband hätten wir ein größeres Maß editionstechnischer Sicherheit, Akribie und Vollständigkeit gewünscht.

Trotz reicher Literatur- und Archivstudien hat R. Bergmann ( 1193) es doch nicht vermocht, den Gedanken des Versicherungswesens für die ältere Zeit nachzuweisen. Es handelt sich stets nur um Gefahrengemeinschaften, »die nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit von Fall zu Fall für ihre Mitglieder einsprangen«. Erst für das 17. und 18. Jhd. läßt sich von einer Entwicklung des Versicherungsgedankens reden. In Deutschland war es (im Gegensatz zu England) der Staat, der zum Begründer der modernen Feuerversicherung geworden ist. Verfasser zeigt auf Grund eines großen Materials, wie sich die Feuer-Sozietäten entwickelt, verbreitet und organisiert haben. Viehversicherungen lassen sich erst seit 1802 im Rheinland nachweisen, wenn auch schon vorher Vereine zur Entschädigung für Viehverluste bestanden. Auch Knappschafts- u. a. Berufskassen sind schon im 18. Jhd. vorhanden. Der größte Teil des Buchs ist aber dem rheinischen Versicherungswesen im Zeitalter des Individualismus gewidmet, das hier eine ausgezeichnete und abschließende Würdigung erfährt.


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