5. Kultur- und Bildungsgeschichte.

J. Lefftz ( 1556) veröffentlicht aus einem demnächst erscheinenden Werk »Die gelehrten und literarischen Gesellschaften im Elsaß vor 1870« den Abschnitt über das Aufklärungszeitalter. Die deutschen moralischen Wochenschriften fanden im Elsaß erst seit etwa 1760 Nachahmung; die Mitarbeiter dieser meist kurzlebigen Organe waren fast ausschließlich Mitglieder von Gesellschaften der oben bezeichneten Art, etwa der von dem bekannten Aktuar Salzmann in den sechziger Jahren gestifteten gelehrten Übungsgesellschaft, die wohl auch den jungen Goethe zu den ihren zählte und, nach kurzem Bestand von dem Dichter Lenz als deutsche Gesellschaft neu aufgerichtet, zeitweise eine ausgesprochen deutschtümelnde Richtung annahm. H. L. Wagners Drama »Die Kindesmörderin« wurde hier aus der Taufe gehoben. Der aus den Kreisen der philanthropischen Gesellschaft hervorgegangene und besonders


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von J. L. Blessig verfochtene Gedanke einer Provinzialakademie mit der ausgesprochenen Absicht, eine Brücke zwischen den beiden Nachbarkulturen zu bilden, kam über bescheidene Ansätze nicht hinaus. Nicht weniger eifrig, aber weit rückständiger war man in Colmar, wo die Lesegesellschaft, die société libre d'émulation und die Tabagie litéraire ganz unter dem Einfluß Pfeffels standen, der eine bereits entschwundene Literaturepoche verkörperte. -- Die Sprachenfrage in Elsaß-Lothringen behandelt B. Baier ( 1569) unter Beschränkung auf das Gebiet des Volksschulwesens. Zur Zeit der deutschen Herrschaft wurde von parlamentarischer und anderer Seite das frühere französische System in seiner Großzügigkeit der Regierung häufig als Muster vorgehalten. Die Untersuchungen Baiers zeigen, was es mit dieser Großzügigkeit auf sich hatte. Die nominelle Beibehaltung der deutschen Sprache war nur ein Aushängeschild und erfolgte hauptsächlich aus Rücksichtnahme auf die Forderungen des Klerus, der an der religiösen Unterweisung in der Muttersprache festhielt. Daß dahinter die Absicht stand, diesen deutschen Unterricht so unwirksam wie möglich zu machen, kann der Verfasser mit zahlreichen Zeugnissen belegen. Die deutsche Regierung hat später -- aber wohlgemerkt nur in den rein deutschsprachigen Landesteilen -- die Einführung des Französischen in der Volksschule stets abgelehnt und hatte diesen Standpunkt mehrfach gegen heftige Angriffe zu verteidigen. Aktenmaterial hat dem Verfasser leider für diese Dinge nicht zur Verfügung gestanden, aber was er aus persönlicher Kenntnis und gedruckten Quellen beibringt, genügt doch um zu zeigen, daß die Agitation in der Sprachenfrage mit wenig Sachkenntnis und nicht aus kulturell-pädagogischen, sondern vornehmlich aus politischen Motiven geführt wurde. Die Schrift Baiers, des ehemaligen elsaß-lothringischen Oberschulrates, hat bei aller Sachlichkeit naturgemäß einen gewissen apologetischen Charakter. Daß sie aber das Wesentliche zutreffend behandelt und beurteilt, zeigt auch die elsässische Kritik, die einige Nebensächlichkeiten zu rügen wußte, ohne eine grundsätzliche Widerlegung zu versuchen.


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