II. Franken.

Siedlungsgeschichte. Die wichtigste unter den Proben der Siedlungsgeographie Frankens, die Gradmann ( 274) bietet, ist die durch geographische Unterlagen gestützte Übernahme der Auffassung des Freiherrn von Guttenberg (vgl. Jberr. 3, 582), nach der im Frühmittelalter es keine geschlossene volksmäßige Ansiedlung von Slaven im Fichtelgebirge und in der Oberpfalz gegeben hat.

Reformationsgeschichte. »Es wird ja wohl noch eine Zeit kommen, welche eine wahre Geschichte der Landesreformation (des Markgrafentums Bayreuth) bringen wird, wenn die einzelnen Städte dazu noch ihren Beitrag gegeben haben ...« Mit diesen Worten kennzeichnet Lippert ( 1454) selbst den Wert seiner sehr ausführlichen Schilderung der Bayreuther Reformation und ihres Reformators Georg Schmalzing; zum Andenken an den vierhundertjährigen Bestand der evangelischen Landeskirche im ehemaligen Markgrafentum bestimmt, ist sie eine Gelegenheitsarbeit mit den vielfach bemerkten Nachteilen einer solchen: einseitig, im Tone sich oft vergreifend, ohne die Zusammenhänge und tieferen Beweggründe dieser verwickelten religiösen Revolutionsjahre plastisch herauszuarbeiten. Der Beweis des Satzes: die Bayreuther Landeskirche war nicht eine dem Volke von den Fürsten aufgedrungene, sondern eine von dem Volke und seinen Priestern den Fürsten abgerungene Kirche, erscheint mir nicht völlig erbracht. Begrüßenswert sind die umfangreichen Quellenbeilagen, mögen sie zum Teil auch nur Wiederabdrücke darstellen. Gleichfalls eine Jubiläumsschrift bietet Schornbaum ( 1452); daß die Kirchenvisitation von 1528 den ersten großen Schritt in der Evangelisation der Markgrafschaft Ansbach bedeutet, vermag er in der nicht umfangreichen, wissenschaftlich abgewogenen Einleitung zu der Aktenveröffentlichung klarzulegen; interessant ist das Zwischenspiel eines kirchlichen Einigungsversuches mit dem bisher feindlichen Nürnberg. -- Auf der gleichen Höhe steht eine weitere Veröffentlichung desselben Verfassers ( 1451), die den Anfang einer wissenschaftlichen Darstellungsreihe der kirchlichen Verhältnisse des Nürnberger Landgebietes bildet, und auf aktenmäßiger Grundlage beweist, daß die Reformation Hersbrucks von der Reichsstadt Nürnberg durchgeführt wurde. -- Über die Einführung der Reformation in Rothenburg o. T. liegen zwei Arbeiten Schattenmanns vor: die umfangreichere wurde bereits als Dissertation gewürdigt (Jberr. 3, 585); sie ist jetzt im Weiterdruck in den »Einzelarbeiten zur Kirchengeschichte Bayerns« erschienen ( 1449). Eine Ergänzung zu diesem Werke enthält der kleine Aufsatz ( 1449), in dem nachgewiesen wird, daß in Rothenburg entgegen der verallgemeinernden Annahme Stolzes in seinem »Bauernkrieg u. Reformation«, nach der die Bauernbewegung stark von den Gedankengängen der Reformation, weniger von sozialen und wirtschaftlichen beeinflußt gewesen sei, die junge evangelische Bewegung zwar einen gewissen Anteil an der Entstehung und Steigerung der stürmischen Ereignisse von 1520 hatte, aber nur einen verhältnismäßig geringen.

Klostergeschichte. Erst im 14. Jhd. beginnt die Gründungslegende des Zisterzienserklosters Ebrach, nach der königlicher Schutz und Hilfe an der Stiftung stark beteiligt gewesen wäre, sich durchzusetzen, so daß durch kaiserliche Zuerkennung des Reichsschutzes und der engeren Immunität Aussicht auf die erstrebte Reichsunmittelbarkeit sich eröffnet; sie zu erreichen gelingt nicht, vielmehr wird die Abtei in zwei Verträgen der Mitte des 16. Jhds. durch Unterwerfung unter den (nie aufgegebenen) Erbschutz des Hochstifts Würzburg und


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durch Aufhebung der engeren Immunität landsässig. Zeiß ( 1296) hat mit überdachter Schreibweise in einer Frage, die bis zur Säkularisation immer wieder aufgeflackert ist und deren Lösung von Ebrach stets bestritten wurde, eindeutige Klarheit gebracht.

Schulgeschichte. Als lehrreiches geschichtliches Beispiel zu den »Wegen und Abwegen der Universitätsreform« bringt A. Dyroff (In: Wege u. Abwege d. Universitätsreform. Karlsruhe, Braun, VIII, 108 S.) eine anschauliche und auf hoher Warte stehende Entwicklung der »Neuerrichteten fürstlich Primatischen und Erzbischöflich-Regensburgischen Universität in Aschaffenburg«, der sogenannten Karlsuniversität, einer kurzlebigen Fortsetzung der kurfürstlich mainzischen. Sie bot ein Bild eines wohlgegliederten, gut begründeten Ganzen, leistete in kurzer Zeit Hervorragendes, ermangelte zwar der medizinischen Fakultät, die in Mainz verblieben war, hatte dafür schon Archäologie und Elektrizitätslehre als Unterrichtsfach. Im kleinen entspricht sie dem Ideal, das jetzt der Gestaltung von »Neuen Universitäten« vorschwebt.

Wirtschaftsgeschichte. Die Entwicklung der Fayencefabriken in den Hauptstädten der beiden brandenburgischen Markgrafentümer Ansbach und Bayreuth ähnelt einander in vielen Punkten; sie sind fast gleichzeitig gegründet: Ansbach 1710, anfänglich als staatliches Institut, Bayreuth ungefähr 4 Jahre später als privates Unternehmen und zwar, wie F. H. Hofmann (Gesch. d. Bayreuther Fayencefabrik St. Georgen am See. Augsburg, Filser, 112 S.) in vorsichtiger Abwägung der spärlichen Quellen annimmt, von demselben weitgewanderten Johann Kaspar Ripp, den Bayer ( 1182) als ersten Porzellanmaler für Ansbach nachweist. Der auch durch frühzeitigen Export hervorgerufenen starken Blüte bis zur Mitte des 18. Jhds. folgt alsdann der Niedergang beider Anstalten infolge der starken Konkurrenz des Porzellans, künstlerischer wie kaufmännischer Erstarrung. Beide Darstellungen geben ein aufschlußreiches Beispiel der Verwaltung, Organisation und Entwicklung von Werkbetrieben in der merkantilistischen Wirtschaftsperiode; die chronologische Einreihung der Fabrik in die Entwicklungslinie der keramischen Industrie hat besonders Hofmann scharf herausgearbeitet.

Stadtgeschichte. Nürnberg. Unter den Begriff Geschichte reihen Heerwagen und Bock ( 23) im Verzeichnis der Literatur über Stadt und ehemaliges Gebiet auch geographische Arbeiten und historische Romane; Albrecht Dürer nimmt naturgemäß einen breiten Raum ein, Kaspar Hauser dagegen fehlt, nachdem die über ihn erschienene Literatur in einem -- von ihnen nicht günstig beurteilten -- Werke zusammengestellt ist. --

Die Entstehung des ausgedehnten Territoriums der Reichsstadt bis zum Abschlusse im 16. Jhd. wird zum ersten Male unter Heranziehung eines außerordentlich umfangreichen Quellenmaterials eingehend behandelt; man muß die gewissenhafte Arbeitsweise und mühsame Sorgfalt Dannenbauers ( 282) ohne Einschränkung anerkennen. Sie bringt wertvolle Einzelergebnisse zur Entwicklung der verschiedenartigen Hoheitsrechte der Stadt über ihr Landgebiet, weniger zur Frage nach den doch mannigfachen Ursachen der Ausdehnungspolitik und ihrer Durchführung. Die schwierige Zusammenstellung der Topographie des Gebietes im 16. Jhd. verdient besondere Hervorhebung. Ausgedehnte Untersuchungen über das Reichsgut, zu dem eigentümlicherweise auch die staufischen Eigengüter auf dem Nordgau gerechnet werden, von Schwaben


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bis zum Egerland vermutet man nicht ohne weiteres in der Arbeit, ebenso steht der an und für sich verdienstliche Abschnitt über die Reichsbeamten in Nürnberg nicht im engen Zusammenhange mit ihren Zielen, wenigstens tritt das in den umfangreichen Ausführungen nicht stark genug hervor. Dannenbauer kommt zu dem Schlusse, daß die hohe Gerichtsbarkeit in Franken nicht die Hauptgrundlage der Landeshoheit sei, sondern nur ein Hoheitsrecht wie andere; ob aber der für Nürnberg erbrachte Nachweis, um ihn auf ganz Franken ausdehnen zu können, nicht zu dürftig ist? (Vgl. S. 275.)

Die Entstehung des Patriziates untersucht Meyer ( 1040) vom soziologischen und nationalökonomischen Standpunkt aus. -- Der unermüdliche Gümbel (Beitrr. zur älteren Nürnberger Buchdruckergesch. Mitt. Ver. Gesch. Nürnberg 29, 301--334) deckt unter anderem bisher unbeachtete Beziehungen der Familie der Rummel zu den Anfängen der Nürnberger Buchdruckerkunst auf und bringt Neues über Sensenschmidts Tätigkeit in dieser Stadt. -- Zieht Dettling ( 1183) einen Längsschnitt durch die Wirtschafts- und Handelsgeschichte Nürnbergs im 16. Jhd., deren wichtigster Bestandteil der Metallhandel gewesen, so bietet nach den Ausführungen Silberschmidts (vgl. oben S. 495) die Lebensgeschichte Hans Theins, der in Diensten der Stadt, besonders als Sachverständiger im Bergwesen und, der vielseitigen Inanspruchnahme jener gärenden Zeit entsprechend, als juristischer Vertreter und Gesandter tätig gewesen, eine hübsche Ergänzung dazu. -- Die Lebensgeschichte Dr. Conrad Konhofers, die Weigel ( 1282) in einer objektiven und warmherzigen Darstellung untersucht, wird infolge der kirchlich und politisch bedeutsamen Persönlichkeit dieses juristisch gebildeten Geistlichen zu einer Gesamtdarstellung der zu seiner Zeit in Fluß befindlichen kirchlichen Verhältnisse der Stadt, deren Nutz er seine ganze Lebensarbeit geweiht; Haupterfolge seiner Tätigkeit bedeuten die in Rom erreichte Genehmigung zur Aufbewahrung und Weisung der Reichsheiligtümer und die Heiligsprechung Sebalds. --Dannenbauer setzt seine im Vorjahr (Jberr. 3, 585) bereits besprochenen annalistischen, nach Pfarreien geordneten Beiträge zur Kirchengeschichte von Nürnberg - Stadt und - Land fort; da sie, soweit möglich, bis in die Anfänge der Kirchen und Pfarreien zurückgehen und vorwiegend katholische Geistliche aufzählen, enthalten sie für die vorreformatorische Zeit mannigfaches Material von begrüßenswerter Reichhaltigkeit. -- Galt bis 1521 in Windsheim der Schwabenspiegel und ein beschränktes Gewohnheitsrecht, so erhielt die Stadt in diesem Jahre ein kodifiziertes eigenes Recht, das an vielen Stellen mit der Nürnberger Reformation von 1479 Ähnlichkeit hat. Erbar ( 1446) begnügt sich mit der juristischen Auslegung seiner einzelnen Bestimmungen; die Stellung dieses Sonderrechtes in der allgemeinen Rechtsentwicklung wird nur gelegentlich und kurz berührt. [H. Burkard.]


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