IV. Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

Den Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und dem Elsaß im MA. widmet Ammann ( 1128) eine Untersuchung. Da die wirtschaftliche Struktur der beiden Landschaften eine ganz verschiedene war, so gab dies den Anlaß zu lebhaftem Austausch der Erzeugnisse: die Elsässer lieferten landwirtschaftliche und gewerbliche Produkte, die Schweizer waren Konsumenten, lieferten aber auch ansehnliche Exportquantitäten aus ihrem eigenen Lande nach dem Elsaß. Beigegeben ist eine Karte mit Einzeichnung derjenigen schweizerischen Orte, welche Elsässer Wein verbrauchten.

Daß neben der Erforschung der großen Städte des MA. die sog. »Kleinstädte« zu kurz gekommen sind, zeigt sich aus einer weiteren Untersuchung desselben Vfs. ( 1127). Als Beispiel greift er die Gruppe der aargauischen Kleinstädte heraus (Zofingen, Rheinfelden, Laufenburg, Kaiserstuhl, Klingnau, Baden, Mellingen, Bremgarten, Meienberg, Lenzburg, Brugg, Aarau, Olten, Aarburg, Biberstein) und verfolgt die wirtschaftlichen Vorgänge in diesen Kleinstädten. Die Hauptbedeutung dieser Städte lag wie bei jeder Stadt in der Stellung als wirtschaftlicher Mittelpunkt eines gewissen Landgebietes. Das größere Gewerbe und der Fernhandel fehlen diesen Städten. Innerhalb der schweizerischen Wirtschaft war ihre Bedeutung nicht unerheblich, innerhalb der Gesamtwirtschaft aber gering.

Auch der Wirtschaftsstellung St. Gallens im MA. widmet Ammann ( 1125) seine Aufmerksamkeit. St. Gallen nahm im Rahmen der oberdeutschen Leinwandproduktion als Nachfolger des seit ca. 1450 zurücktretenden Konstanz eine hervorragende Führerrolle ein. Auch der Anteil der St. Gallen umgebenden Landschaft am Leinwandgewerbe findet seine gebührende Beachtung und es zeigt sich, daß St. Gallen politisch sozusagen bedeutungslos war, in wirtschaftlicher Beziehung aber großes Gewicht hatte. -- Die große wirtschaftliche Aktivität der St. Galler führte diese Kaufleute zum Fernhandel und veranlaßte sie zur Gründung einer »Gesellschaft«. Seit dem großen Werke von Aloys Schulte über die »Ravensburger Gesellschaft« ist die oberdeutsche Wirtschaftsgeschichte ungemein bereichert und Ammann hat es verstanden, den naturgemäß etwas kleineren Kreis der Watt-Diesbach-Gesellschaft ( 1126) in den großen Zusammenhang einzureihen. Als Vorarbeit standen ihm die beiden ersten Lieferungen des von Alfred Schelling bearbeiteten »Urkundenbuchs zur st.-gallischen Handels- und Industriegeschichte« sowie eigene umfangreiche Archivstudien zur Verfügung. Die Gründer der Gesellschaft waren zu Anfang des 15. Jhds. Niklaus von Diesbach aus Bern und Hug von Watt aus St. Gallen. Gleich der erste Diesbach, der an der Gesellschaft teilnahm, hinterließ nach seinem Tode


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ein Vermögen, das in Oberdeutschland nur noch von den Muntprat in Konstanz übertroffen wurde. Bergbau, Handel und Geldgeschäfte haben diesen Besitz begründet. In ähnlicher Weise entstand der Reichtum des Hug von Watt. Im ersten oder zweiten Jahrzehnt des 15. Jhds. muß die Gründung der Gesellschaft erfolgt sein. Das Handelsgebiet der Gesellschaft dehnte sich über ganz Mitteleuropa bis nach Polen und nach Spanien aus, wie sich aus der von Ammann beigegebenen Karte ersehen läßt. Die Geschäfte der Gesellschaft betrafen Industrie, Bergbau, Geldgeschäfte und Warenhandel (oberdeutsche, spanische, italienische, osteuropäische, rheinische und niederländische Waren). Die Gesellschaft hat etwa drei Jahrzehnte bestanden und wird um 1458 erloschen sein. Sie wird an Bedeutung nur von der Großen Ravensburger Gesellschaft und später von den Handelshäusern Augsburgs übertroffen. Die beiden Familien der Diesbach und Watt haben ihren Heimatstädten nicht nur hervorragende Kaufleute, sondern auch bedeutende Politiker gestellt, und darin liegt indirekt eine erhebliche Folgeerscheinung der Handelsgesellschaft. Dem Buche sind 274 Urkunden und Regesten und ein Verzeichnis der Orts- und Personennamen beigegeben. Als Beilagen enthält es ferner noch: Stammtafeln der Watt und Diesbach, Auszüge aus den st.-gallischen Steuerbüchern, eine Tabelle der Vermögensverhältnisse des Wattschen Geschlechtes seit 1470 und die schon erwähnte Karte.


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