V. Kirchengeschichte.

Im südlichsten Teil des heutigen Kantons Thurgau, im sog. Hinterthurgau, befindet sich das im 19. Jhd. aufgehobene Benediktinerkloster Fischingen. Daselbst wird die heilige Ida verehrt, die von der Legende in Zusammenhang mit der gräflichen Familie der Toggenburger gebracht wird. Kern ( 1336 a) hat in einer erschöpfenden Untersuchung, einer Dissertation aus der Schule von Albert Büchi in Freiburg i. Ue., die Geschichtlichkeit der Legende geprüft und kommt zu folgenden Schlüssen: Die Ida-Legende, richtiger die Vita der Legende, ist aus dem Bereich der geschichtlichen Überlieferung zu streichen. Abt Christoph Brunner von Fischingen (1574--1594) ist der Schöpfer des Ida-Kultes, wie das 17. Jhd. ihn bezeugt. Ganz vom Geiste, der vom Konzil von Trient ausging, beseelt, suchte er im Volke seiner Umgebung, das sich eine Zeitlang dem Glauben der Reformatoren zugewandt hatte, die Liebe zu den Heiligen wieder zu entfachen, indem er vor allem die Ortsheilige zu Ehren brachte. Die älteste Fassung der Ida-Legende dürfte indessen, wie sich aus den ausführlichen quellenkritischen Vergleichungen und Untersuchungen des Vfs. ergibt, ins Ende des 15. Jhds. fallen, und es kommt ihr ein durchaus selbständiger Wert als literarische Leistung zu.

Die sog. »Acta Murensia«, eine Klostergeschichte des Klosters Muri (Kanton Aargau) aus der Mitte des 12. Jhd., sind auch neuerdings wieder verschiedentlich Gegenstand kritischer Untersuchungen gewesen (vgl. auch nr. 1268. Brackmann). Der Benediktiner P. Bruno Wilhelm ( 1298) prüft besonders den Zusammenhang der Acta Murensia mit der Klosterreform und kommt zu Ergebnissen, die von denjenigen Hans Hirschs (Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. 25, 209 ff.) erheblich abweichen. Im Zusammenhang mit der Loslösung Muris aus der eigenkirchlichen Abhängigkeit von den Habsburgern lief Muri Gefahr, in Abhängigkeit vom Kloster St. Blasien zu geraten. Um dieser Situation zu entgehen, wandte sich Muri wieder an seinen früheren Schutzherrn, den Grafen von Habsburg, und das Resultat dieser Verhandlungen war eine Fälschung, die uns in der ältesten Urkunde Muris als Testament Bischof Werners von Straßburg


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vorliegt. In dieser Fälschung erblickt Hirsch das Werk von Reformgegnern, Wilhelm dagegen dasjenige von Reformfreunden. Weiterhin vertritt Wilhelm die Auffassung, daß in Muri die Reform bis mindestens in die Mitte des 12. Jhds. von Bestand gewesen sei, und daß von einem Niedergang der Reform (wie Hirsch nach Analogie anderer Klöster schließt) in Muri in diesem Zeitabschnitt keine Rede sein könne.

Nachdem Schönenberger im ersten Teil seiner Arbeit über das Bistum Basel während des großen Schismas 1378--1415 die politischen Zusammenhänge erläutert hat (vgl. Jberr. 3, 63 ff.), wendet er sich im zweiten Teil ( 1283) den Einwirkungen des Schismas auf die einzelnen maßgebenden Stände zu: Klöster und Stifte im Bistum Basel (Augustiner, Benediktiner, Zisterzienser, Prämonstratenser, Minoriten, Prediger, Weltliche Chorherren- und Kollegiatstifte), Pfarreien und Weltgeistlichkeit, Adel. In einem Rückblick auf die verhängnisvolle Periode des Schismas konstatiert er noch einmal den am Anfang überwiegenden Einfluß der clementinischen Richtung auf die Bistümer Basel und Konstanz. Wenn Sinnesänderungen zugunsten Urbans VI. eintraten, so erfolgten diese aus andern als aus religiösen Gründen. Das Schisma mit seiner Zerrüttung aller kirchlichen Zustände begünstigte natürlich das Aufkommen von Sekten. Der Vf. geht besonders eingehend der Erscheinung des »Gottesfreundes im Oberland« nach. Das Schlußkapitel ist als ein ganz bedeutender Beitrag zur Schilderung der vorreformatorischen Zustände in Oberdeutschland zu bewerten. Die Arbeit Schönenbergers füllt eine große Lücke aus und zeigt, wie viele neue Probleme die Geschichte der beiden Bistümer im Spätmittelalter noch zu bieten vermag.


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