I. Quellen.

M. Manitius, der unsere Kenntnis von der Verbreitung ma.licher Schriften mehrfach durch seine Zusammenstellungen aus alten Bibliothekskatalogen gefördert hat, gibt dazu einen Nachtrag für das Gebiet der Auctores antiquissimi der MG. ( 680); es seien die Nachweise für Avitus von Vienne und für Beda hervorgehoben.

In der bekannten Erzählung Gregors von Tours (Hist. II, 27) von Chlodwig und dem erbeuteten Kirchengefäß glaubt Nino Tamassia (Gregorio di Tours e Omero, in Atti del R. Istituto Veneto di scienze 88, 2, 1928/29, 1209--1236) etwa durch eine lateinische Übersetzung vermittelte Erinnerungen an Homers Ilias zu erkennen. Wenn aber der Krug und Chryseis als Beutestücke, der Bischof und Chryses als um deren Rückgabe Bittende, der widerspenstige


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Franke und Agamemnon als Ablehnende verglichen werden, so sind die Übereinstimmungen so gering, daß ich die ganze Annahme eines Zusammenhanges für höchst unwahrscheinlich halten muß. Gregors Bearbeiter und Fortsetzer, dem sogenannten Fredegar, verdanken wir die ältesten Nachrichten von den Slawen in Mitteleuropa. Ihre Bezeichnung als »befulci« (Fred. IV, 48) = »bifulti« (»die zweimal Gestärkten oder Formierten«, »die zweimal kämpfen mußten«) führt Th. Mayer ( 686) auf ein von Fredegar mißverstandenes slawisches Wort »byvol(i)ci« (vom Griechischen βοἋβαλοσ) zurück, »Leute, die mit den Büffeln zu tun hatten«, eher Büffelführer, Troßmannschaft als Büffelhirten. Fredegar enthält auch die wertvollsten Nachrichten über den am politischen Leben seiner Zeit lebhaft beteiligten Bischof Kunibert von Köln (um 640); über dessen unbedeutende Lebensbeschreibungen, deren Verfasser von dem wirklichen Leben ihres Helden kaum mehr eine Vorstellung hatten, gibt M. Coens ( 1784) eine gute Übersicht, indem er im einzelnen die handschriftliche Überlieferung der verschiedenen Fassungen und deren Verhältnis zueinander feststellt, auch einen ungedruckten Text veröffentlicht, eine Vorarbeit für die zukünftige Ausgabe der Vitae Cuniberti im 5. Novemberbande der Acta sanctorum.

In das 7. Jhd. führt auch das Leben der Äbtissin Aldegunde von Maubeuge im Hennegau (teilweise SS. R. Merov. VI, 79--90), das den Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von Viten der Heiligen selbst und ihrer Verwandten gebildet hat. Die Sprache der ältesten Vita Aldegundis setzt die Studien der Karolingerzeit voraus (vor 850), und eine stilistische Umarbeitung wenigstens eines Teiles der Quelle in dieser Zeit gibt auch D. A. Stracke in einer noch unvollendeten Untersuchung zu (Een oud-frankisch visioenenboek uit de zevende eeuw, in Historisch tijdschrift 7, Tilburg 1928, 361--387), der aber die Vita durch unsichere und teilweise unhaltbare Kombinationen im wesentlichen doch dem Anfang des 8. Jhd. zuweist und als eine ihrer Quellen ein von Aldegunde selbst verfaßtes »fränkisches Visionenbuch« erkennen will, mit dem sich eine Fortsetzung befassen soll. Es wird dann darauf zurückzukommen sein.

Nicht der wissenschaftlichen Forschung, sondern der Belehrung weiterer Kreise dienen die beiden Bände über »Die christliche Frühzeit Deutschlands in den Berichten über die Bekehrer«, die Heinrich Timerding bei E. Diederichs in Jena als 3. und 4. Band der Sammlung »Frühgermanentum« herausgegeben hat (277 und 227 Seiten, 9 und 8 Tafeln). Sie enthalten außer einleitenden und ergänzenden Ausführungen des Bearbeiters Teile der Lebensbeschreibungen der Missionare und einiger Zeitgenossen von Columban an bis auf Liudger in deutscher Übersetzung.

Das Buch von P. W. Finsterwalder über die Canones Erzbischof Theodors von Canterbury ( 1665 a) verzeichnet eingehend die gesamte handschriftliche Überlieferung der auf diesen zurückgeführten Satzungen über Bußdisziplin und andere Fragen des Kirchenrechts und untersucht unter Beigabe der Texte die Entstehung und Überlieferungsgeschichte dieser Bußbücher, die auch in der festländischen Kirche einen so bedeutenden Einfluß geübt haben. Wenn der Verfasser freilich die Canones in den Kreisen der angelsächsischen Mission des Festlands auch zuerst aufgezeichnet sein läßt, so ist diese Annahme abzulehnen; ihre Niederschrift ist in England erfolgt (s. W. Levison, Z. Savigny-Stiftg. Rechtsgesch., Kanon. Abt. 19, 1930, 699--707).

Zu den hervorragendsten Quellen für die Frühzeit der angelsächsischen


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Mission gehört bekanntlich die im MA. viel gelesene und ausgeschriebene Kirchengeschichte Bedas. Das Aufsuchen ihrer Nachwirkungen wird außerordentlich erleichtert durch die sorgfältige Konkordanz, in der P. F. Jones ( 681) den Sprachschatz des Werkes verzeichnet hat.

Die Ausführungen, mit denen O. Wissig seine Übersetzung von Briefen des h. Bonifatius begleitet hat ( 1668), sind wissenschaftlich wertlos. Tangl's Darlegungen über die Textgeschichte dieser Briefe werden durch E. Perels ( 685) ergänzt, der ihrer Benutzung durch Hinkmar von Reims genauer nachgeht; auch für die Vorlage von Otlohs Vita Bonifatii ergeben sich bei einem der Briefe weitere Nachweise. Die zweite Vita desselben Bonifatius (ed. Levison, Vitae S. Bonifatii S. 62--78), anscheinend die Bearbeitung einer älteren Fassung durch Radbod von Utrecht, schreibt J. Romein ( 1667) dem Bischof Friedrich von Utrecht (um 825) zu, eine bloße Möglichkeit, doch erwägenswert im Hinblick auf MG. Epist. V, 400; jedoch hätten Zusätze einer einzelnen Handschrift ( 2c) nicht als Grundlage von Erörterungen (S. 377) dienen dürfen. Ein Zeitgenosse von Bonifatius war Bischof Agilolf von Köln (um 747); im 11. Jhd. galt er in Malmedy als Märtyrer und erhielt dort eine für die Geschichte des 8. Jhd. wertlose, literarisch beachtenswerte Passio, die ihn schon in den Kämpfen des J. 716 den Tod finden läßt. Die Entstehung dieser Legende und ihre literarischen Grundlagen verfolgt W. Levison ( 684).

In dem Streit über die Echtheit oder Unechtheit der Clausula de unctione Pippini (s. 1926, S. 257; 1928, S. 174) setzt sich noch einmal E. Schulz ( 683) mit einzelnen Ausführungen Buchners auseinander. Wenn ich ihm in der Hauptfrage der Echtheit zustimmen muß, so scheinen mir doch manche Einzelheiten unsicher oder bestreitbar.

Die »Mitteilungen aus Handschriften« von P. Lehmann ( 151a) enthalten (S. 20 f.) den bei Dümmler, MG. Epist. IV, 563 ff. fehlenden Schluß des Widmungsbriefes eines, wie man annahm, karolingischen Grammatikers an einen Sigebert; nachträglich hat Lehmann in dem Verfasser den angelsächsischen Dichter Aldhelm erkannt (Forschungen und Fortschritte 7, 1931, S. 324). Ferner wird von ihm eine neue Handschrift von Alcvins Brief an Dodo (Epist. IV, 107 ff.) nachgewiesen (S. 24 f.) sowie von Hellmann nicht benutzte Auszüge des 10. Jhds. aus dem Fürstenspiegel des Sedulius Scottus (S. 53 ff.).

Gegen die Annahme von Thompson, der altfranzösische Text der Straßburger Eide von 842 sei in den Historien Nithards im 10. Jhd. an die Stelle eines ursprünglich lateinischen Wortlauts gesetzt worden (s. 1926, S. 207, 258), wendet sich mit Recht in ausführlicher Darlegung auch Fr. L. Ganshof (Une nouvelle théorie sur les serments de Strasbourg, in Studi Medievali, Nuova serie II, 9--25); auch nach seinen Ausführungen bleiben die Eide das älteste Denkmal der französischen Sprache, bedeutet »Romana lingua« auch im 9. Jhd. nicht nur Lateinisch, sondern auch Romanisch.


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