II. Quellen und Quellenkunde.

Zwei neue Handschriftenfunde geben E. Klebel Anlaß, die Fassungen und Bearbeitungen von Johanns von Viktring Liber certarum historiarum zu untersuchen ( 754). Dabei fällt neues Licht auf die Arbeitsweise dieses ungewöhnlich änderungsfreudigen Geschichtschreibers. Klebel zeigt sehr fein, wie Rücksicht auf Herzog Albrecht II. und den Patriarchen Bertrand von Aquileja und das vermutlich von diesen gelieferte Material die in der Fassung A = B zutage tretenden Veränderungen erklären, und verspricht überdies, dem Politiker Joh. v. Viktring eine besondere Abhandlung zu widmen.

Von Lewolds von Northof Chronik der Grafen von der Mark ( 759) ist in der Nova series der Scriptores rer. Germ. eine von F. Zschaeck sorgfältig bearbeitete Ausgabe erschienen. Vorher gab es nur zwei Drucke aus dem 17. Jhd. und einen von 1859. Das Werk gibt nicht nur einen sehr lebendigen Einblick in die Nöte von Fürstenhaus und Bevölkerung in einem kleinen nordwestdeutschen Territorium, sondern läßt auch die anhängliche und doch aufrechte Gesinnung eines in geistlichen und weltlichen Dingen erfahrenen Beurteilers erkennen, der das Wohl des Herrscherhauses will und von den Amtmännern und Lehnsleuten Staatsgesinnung verlangt, aber auch mit Mahnung und leisem Tadel gegen die Regierenden nicht zurückhält. Das tritt besonders in den zwei Fürstenspiegeln hervor, die darin enthalten sind und von jeher besondere Aufmerksamkeit erregt haben. Daß Lewold auch von den Vorgängen im Reiche Notiz nimmt, zeigt sein berühmtes Zitat aus Kap. 17 der Goldenen Bulle, dessen Bestimmungen über leichtfertiges Fehdeansagen er im Blick auf seine Bedeutung für Westfalen wiederholt. -- Mit der Limburger Chronik, die ebenso wie die Lewolds von Northof den Durchschnitt spätma.licher Geschichtschreibung erheblich überragt, beschäftigt sich G. Zedler ( 757). Er hat höchst eindringende Studien über die Orthographie und Grammatik des Chronikschreibers angestellt, aber seine Schlüsse und Erklärungsversuche sind auch diesmal sehr künstlich und haben nicht die rechte Überzeugungskraft wie schon sein früherer Aufsatz (vgl. Jberr. 1926, S. 287).

Weniger für den Fachmann als für den Laien ist die große Quellenreihe Bühlers im Inselverlage bestimmt, von der hier der Band »Bürger, Bauern und Hansa« ( 760) zu besprechen ist. Verdienstlich ist daran das Bestreben, aus den oft so wenig genutzten Quellenmassen bemerkenswerte Stücke einem größeren Publikum zugänglich zu machen; so hat er z. B. Dokumente aus Schultes Werk über die große Ravensburger Handelsgesellschaft aufgenommen. Aber es bleiben mancherlei Bedenken. Die Texte sind modernisiert und gekürzt. Es ist das nicht nur aus ästhetischen Gründen zu bedauern, wenn z. B. das kernige Niederdeutsch der Hanserezesse verwässert wird. Die Wiedergabe ist auch an


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manchen Stellen nicht sorgfältig, ja nicht richtig. So heißt es etwa S. 160: »Es kann wohl sein, daß wir deswegen leiden müssen«, wo die Vorlage (St. Chr. I, 200 ff.) sagt: »So kan nicht wol gesein, wir müssen darumb leiden.« S. 183 macht B. aus »den heiligen cristnlich gelauben beweren (= beweisen)« den Glauben bewehren usf.


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