III. Politische Geschichte bis 1410.

Als die heute allein noch vorhandene Spur vom deutschen Königtum des Richard von Cornwallis galt bis vor kurzem der Kronschatz, den er dem Aachener Münster stiftete, und als dessen am sichersten bezeugtes Stück betrachtete man die vegoldete Krone, die gewöhnlich auf der Büste Karls des Gr. aufbewahrt wird. Diese Krone diente später in der Tat mehrfach bei Aachener Krönungen, wie das noch A. Schulte ausgeführt hat in seiner wertvollen kleinen Schrift »Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 813--1531«. Bonn 1924. --Huyskens kommt in seinem Aufsatze ( 763) zu anderen Ergebnissen. Er geht von der Urkunde Richards von 1262 aus und deutet sie so, daß sie nur die Absicht einer später zu verwirklichenden Schenkung ausspreche, und auch die mit ihr verbundene Urkunde, die Schöffen und Bürgerschaft von Aachen ausstellen, besagt mit ihren Worten nos ... custodiam recepisse nach Huyskens nicht, daß jene die Insignien in Empfang genommen haben, sondern nur, daß sie die den Wünschen des Königs entsprechenden Verpflichtungen übernommen haben. Die beabsichtigte Schenkung sei nie verwirklicht worden, und es lasse sich nicht beweisen, daß die Krone, die heute der Aachener Münsterschatz bewahrt, jemals zu einer Königskrönung gebraucht worden sei. Dem Referenten erscheint die angedeutete Interspretation jener Doppelurkunde nicht richtig. Er hat, weil eine so eingehende Kritik hier nicht Platz finden kann, einen Aufsatz darüber im 118. Heft der Annalen des Hist. Vereins f. d. Niederrhein geschrieben. Dort glaubt er nachgewiesen zu haben, daß mindestens Sigmund mit jener Krone von der Karlsbüste gekrönt worden ist. Ausschlaggebend ist hierfür ein savoyischer Gesandtschaftsbericht, der bei Finke, Acta Concilii Constanciensis IV, 447 ff. steht, und Kap. 26 der Goldenen Bulle, das von drei verschiedenen Kronen spricht, der Kaiserkrone, der Aachener und der Mailänder Krone. Jenen Gesandtschaftsbericht hatte Huyskens noch nicht im vollen Wortlaut gekannt.

Browe ( 764) bespricht die angebliche Vergiftung Heinrichs VII., an die er, wie schon die Überschrift zeigt, ebensowenig glaubt wie die meisten Historiker, im Gegensatz zu dem Mediziner Lewin, dem Verfasser des Buches »Die Gifte in der Weltgeschichte«. Im Anschluß daran bespricht er die für den Dominikanerorden sehr nachteiligen Folgen des Gerüchtes und eigentümliche Bräuche bei der Abendmahlsfeier, wie sie 1337 in Majorka, später sogar bei der römischen Kurie bezeugt sind und ursprünglich den Sinn haben, einem Vergiftungsversuch vorzubeugen. Für die Fortdauer bis in die Gegenwart könnte auch A. V. Müller, Papst und Kurie, Gotha 1921, S. 46 f., angeführt werden. -- Friedr. Schneider ( 756) weist darauf hin, daß es von der Goldbulle Ludwigs des Baiern, mit der die Urkunde vom 24. Juni 1329 für die Vögte von Plauen, Gera und Weida versehen ist, eine Beschreibung aus dem 18. Jhd. von dem Altdorfer, später Göttinger Professor Joh. Dav. Köhler gibt.

Die gut gegliederte Arbeit von Anneliese Esch über die Ehedispense Papst Johanns XXII. ( 765) bringt ihrer ganzen Anlage nach mehr kirchenrechtliche als historische Untersuchungen und legt die systematischen Ergebnisse


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übersichtlich vor, während der historische Ertrag mehr in Einzelangaben zu suchen ist. Aus dem fleißig zusammengetragenen und im allgemeinen richtig bewerteten Material geht deutlich hervor, wie Johann XXII. nur seinen politischen Freunden durch Ehedispense behilflich ist, seinen Feinden dagegen solche hartnäckig verweigert. Die stärksten Beispiele dafür sind Robert von Neapel und seine Gemahlin Sancia, auf deren Bitten ungemein häufig, und Friedrich von Sizilien, dessen Umgebung in keinem einzigen Falle ein Dispens gewährt wird.

Einen erheblichen Fortschritt unserer Kenntnis von der Außenpolitik Karls IV. bedeutet die Arbeit von B. Mendl und F. Quicke ( 766). Mendl beseitigt eine große Schwierigkeit, indem er nachweist: Die Verhandlungen zwischen Karl IV. und Johann II. von Frankreich führten nicht (wie Gottlob und Werunsky, von einem willkürlich datierenden Druck irregeleitet, angenommen hatten) im Mai 1355 zu einem Einvernehmen, das von Karl im August ratifiziert, aber dann doch im Januar 1356 von Johann umgestoßen und schließlich im Mai 1356 durch einen andern Vertrag ersetzt wurde. Vielmehr fallen Karls Vorschläge in den August 1355, Johann lehnt sie im Jan. 1356 ab, darauf folgt im Mai der Vertrag. Der früher fälschlich als vollzogene Urkunde behandelte Reversbrief des französischen Königs ist ein Entwurf und entstammt der Kanzlei Karls IV. Auf dem so gewonnenen festen Grund baut nun Quicke seine einleuchtende Darstellung auf. Er kommt zu dem Ergebnis: Seit 1352 bemüht sich Karl vergeblich, den in Verdun errungenen Erfolg gegenüber der französischen Ausdehnungspolitik festzuhalten und ihr auch im Gebiet von Cambrai Halt zu gebieten. Den Wiederausbruch des französisch-englischen Krieges nimmt er (nicht Frankreich) zum Anlaß, über einen neuen Vertrag zu verhandeln, worin dem Reiche Verdun, Cambrai, Le Cateau-Cambrésis u. a. zugesichert wird. Das lehnt Johann ab. Er schließt dann einen sehr viel magereren Vertrag ab im Mai 1356. Die französische Niederlage und die Gefangennahme Johanns bei Maupertuis am 19. September eröffneten Karl IV. freie Bahn zu weitgehenden Forderungen. Solche hat er aber dann doch nicht gestellt, sondern sich begnügt mit der Huldigung und den Geschenken des Dauphin Karl, der in Metz den Delphinat als Lehen empfing. Daß Karl sich diese Gelegenheit, der französischen Ausdehnungspolitik Fesseln anzulegen, entgehen ließ, ist schwer zu erklären. Quicke meint, der Kaiser überschätzte die Folgen der französischen Niederlage und glaubte daher keiner solchen Sicherung zu bedürfen.

Mit Karls IV. Kanzler Johann von Neumarkt beschäftigt sich Schieche ( 767), indem er klar über die Aufstellungen von A. Hansel und J. Klapper (siehe Jberr. 1927, S. 210) referiert und, an der schlesischen Herkunft Johanns festhaltend, Klappers Identifizierung des Deutschböhmen Johann von Hohenmauth mit dem Kanzler mit guten Gründen ablehnt. Was er dann noch weiter hinzufügt, um die von Klapper ans Licht gezogene Persönlichkeit des J. v. Hohenmauth und ihre mutmaßliche Rolle im Leben des Kanzlers aufzuhellen, gibt er selbst als bloße Hypothese.

Zur Geschichte König Ruprechts bringt Walther Holtzmann ( 785) Neues, weil er in England einschlägiges Quellenmaterial fand und das bereits bekannte sorgfältiger auswertet, als das in den Regesten der Pfalzgrafen Bd. 2 geschehen ist. Blanca, die Tochter Heinrichs IV. von England, der 1399 nach dem Sturz seines Vorgängers Richards II. zur Regierung gelangt war, wurde


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1402 die Gemahlin Ludwigs, des Sohnes des nach Wenzels Absetzung 1400 erhobenen Königs Ruprecht. Der Plan zu dieser Heirat ist nach H. wohl eher von Heinrich als von Ruprecht ausgegangen. 1401 hatte Heinrich militärische Hilfe für Ruprechts Italienzug angeboten. Dann scheint er ein englisch-deutsches Bündnis gewollt zu haben, zu dem es aber nicht kam. »Man kann sich dem Eindruck nicht verschließen, daß für Ruprecht die ganze Heiratsangelegenheit lediglich eine Spekulation auf das englische Geld war.« Da dieser nicht auf die politischen Absichten des englischen Königs eingeht, zahlt jener die späteren Mitgiftraten zögernd und in verminderten Beträgen. Im J. 1440 ist das letztemal von Mitgiftzahlung die Rede, als in England schon Heinrich VI. regiert; die letzten 5000 Nobel sind vielleicht niemals bezahlt worden. Blanca starb im Mai 1409 in schwangerem Zustande; ein früher geborenes Kind überlebte sie. H. druckt im Anhang acht Schriftstücke ab, davon sechs neu, die zwei andern verbessert und richtiger gedeutet. Die eindringende Untersuchung Brackmanns über die Entstehung der Andechser Wallfahrt ( 1712) bringt Klarheit in diese dunkle Frage durch den Nachweis, daß die Kapelle in A. bis etwa 1390 keine größere Bedeutung besaß, auch nicht selbständig, sondern der dem Kloster Ebersberg zugehörenden Pfarrei Erling inkorporiert war. Mit dem Auftauchen wundertätiger Reliquien setzt von zwei Seiten her ein literarischer und politischer Kampf ein. Der päpstliche Legat Johannes Dominici de Eugubio hebt zwischen 1389 und 1392 in einem Traktat die kirchlichen Verdienste der Wittelsbacher um A. hervor und läßt dieses Haus als verfügungsberechtigt über Kapelle und Reliquien erscheinen, während die im Kloster Diessen vielleicht kurz danach entstandenen Aufzeichnungen im Clm 3005 die klosterfeindlichen Wittelsbacher schmähend, die Andechser Grafen verherrlichend, das angeblich hohe Alter jener Reliquien und vor allem ihre unwiderrufliche Zugehörigkeit zu A. (sie waren in München ausgestellt worden) dartun wollen. Die Wittelsbacher gewinnen die Herrschaft über A., errichten dort ein Kollegiatstift, dann ein Benediktinerkloster, und dem trägt die nun weiter anschwellende, seit 1473 auch den Druck benutzende Literatur über die Reliquien Rechnung, indem sie den gegenstandslos gewordenen Tadel gegen die Wittelsbacher beiseite läßt. Der Text des erwähnten Traktates, eine Übersicht über den Inhalt der anderen hergehörigen Aufzeichnungen und drei Schrifttafeln vervollständigen die sachlich und methodisch bedeutsame Veröffentlichung.


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