V. Dreißigjähriger Krieg.

Als die wertvollsten Beiträge zur Geschichte des Krieges, die das Berichtsjahr gebracht hat, können wohl die Bücher von Wertheim ( 832) und von Ernstberger betrachtet werden. Daß es möglich war, in unsrer Zeit zwei so glänzend ausgestattete dicke Bände zwei Feldzügen Christians von Halberstadt zu widmen, ist erstaunlich. Die ausführliche Auseinandersetzung mit allen älteren Darstellungen, wobei aber die Dissertation von Xylander (s. Jberr. 1927, S. 217), der in bezug auf die Beurteilung Christians zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen ist, wie W., unberücksichtigt bleibt, und die breite Charakteristik der führenden Männer der Zeit könnte man wohl entbehren, sehr erwünscht sind dagegen die eingehenden Mitteilungen zur Truppenkunde, wie der Verfasser überhaupt hauptsächlich darauf Wert legt, die militärischen Vorgänge der Jahre 1621 und 1622, und zwar nicht nur, so weit Herzog Christian an ihnen beteiligt war, aufzuklären auf Grund umfassender Studien in zahlreichen Archiven. Das Hauptergebnis des Werkes ist eine Entlastung des Herzogs in verschiedenen Beziehungen: Er wird in den Krieg getrieben nicht aus bloßer Abenteuerlust, auch nicht durch die Liebe zur Winterkönigin, sondern durch die richtige Erkenntnis der von den katholischen Mächten für den Protestantismus drohenden Gefahr. Seine Kriegführung war milder als die vieler seiner Zeitgenossen, vor allem die Tillys, der bei W. etwas schlechter wegkommt, als in neuerer Zeit üblich war. Christians Hauptgefechte bei Kirtorf und bei Höchst waren keine Niederlagen, sondern glücklich durchgeführte Rückzugsgefechte. Alles das wird recht gut begründet. Bilder, Kartenskizzen und ein Itinerar der beteiligten Heerführer schmücken das Buch und geben ihm einen erhöhten Wert.

Wieviel auch für die Geschichte Wallensteins immer noch zu tun ist, zeigt die Arbeit von Ernstberger ( 834). Sie beruht auf einem sehr umfassenden, meist bisher nicht oder nicht genügend benutzten Aktenmaterial. In einem allgemeinen Teil werden die Grundzüge des wirtschaftlichen Systems Wallensteins und seine Stellung in der Geschichte der Heereswirtschaft skizziert. Der besondere Teil gibt die Einzelheiten aus dem Gebiete der Landwirtschaft im weitesten Sinne, des Bergbaus, des Gewerbes, des Bauwesens, des Handels und der Sozialpolitik. Der Schluß faßt die Ergebnisse kurz zusammen. Im Anhang werden einige der interessantesten Quellenstücke abgedruckt, auch eine Karte des Herzogtums Friedland ist beigegeben. Das wesentliche ist, daß man hier genau verfolgen kann, in welcher Weise Wallenstein sein Herzogtum zur Grundlage machte für die Erhaltung seines Heeres, und zwar nicht nur für die Lieferung von Nahrungsmitteln und Futter, sondern auch für Kleider und Schuhe, für Artilleriebedarf und alles, was sonst noch zur Erhaltung eines Heeres gebraucht wurde. Die Mannigfaltigkeit der Erzeugnisse des Gebietes erleichterte das Unternehmen. Möglich aber wurde es doch nur durch die beispiellose Energie


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und das Organisationstalent des Generals. Seine geniale Begabung gerade auf wirtschaftlichem Gebiete, aber auch die Rücksichtslosigkeit des Herrenmenschen treten deutlich hervor. Wohl wurden alle Kräfte des Gebietes in erbarmungsloser Weise angespannt, in seiner Verschonung mit Durchzügen und Kontributionen lag aber eine genügende Entschädigung. Wallenstein selbst ließ sich von dem praktischen Zweck seiner Unternehmungen nur durch seine Leidenschaft für Pferdezucht und Bauten ablenken, echt fürstliche Passionen. Die Arbeit ist aber nicht nur für die Geschichte des Generalissimus wichtig, sondern hat auch für die Geschichte der Heeresverpflegungssysteme Bedeutung.

Über die Vorgeschichte und die ersten Jahre des großen Krieges bringen die beiden schwedischen Arbeiten von Thyresson und Ericsson manche Aufklärung. Thyresson ( 828) untersucht auf Grund reichen archivalischen Materials aus Schweden, Dänemark und Deutschland die Beziehungen Karls IX. und Gustav Adolfs zu den protestantischen Staaten Europas, darunter Lübeck, Brandenburg und der Union von 1613 bis 1622. Die Schwäche der Union tritt deutlich hervor, andererseits auch die Energie und diplomatische Gewandtheit Gustav Adolfs und seine Fähigkeit, schwedische und allgemein protestantische Gesichtspunkte zu vereinigen.

Während Thyrecsson sich auf die Darstellung der diplomatischen Verhandlungen beschränkt und militärische Ereignisse nur ganz kurz erwähnt, widmet Ericsson ( 829) sich ausschließlich diesen und gibt eine genaue Schilderung des schwedisch-polnischen Krieges von 1621--23, besonders auch der Belagerung und Einnahme von Riga. Die eigentliche deutsche Geschichte wird kaum berührt.

Über die Beziehungen Schwedens zu den böhmischen und mährischen Exulanten, die ihren Mittelpunkt 1629 und 1630 in Elbing hatten, erfahren wir allerhand aus den Untersuchungen Hrubýs ( 833) über die Geschichte Welens von Zierotin, des Vetters des bekannteren Karls von Zierotin, der sich im Gegensatz zu diesem dem böhmischen Aufstand angeschlossen und auch die Beteiligung Mährens bewirkt hatte. Mit großer Zähigkeit hat er auch nach der Niederwerfung des Aufstandes sich an allen Unternehmungen gegen den Kaiser beteiligt. Erst in den letzten Jahren seines Lebens bemühte er sich vergeblich um eine Restitution. Er starb 1638 in Polen.

In zwei Arbeiten hat Pagenstecher ( 846) sich mit der nassauischen Geschichte während des Krieges beschäftigt. In der einen behandelt er besonders die Einwirkung der Erfolge der katholischen Waffen und des Restitutionsedikts auf die Verhältnisse der Grafen von Nassau. Sie wurden dadurch besonders verwickelt, daß Graf Johann der Jüngere von Siegen katholisch war und Johann Ludwig von Nassau-Hadamar 1629 katholisch wurde und daß ferner der Kurfürst von Trier Philipp Christoph von Sötern Anspruch auf gewisse erst 1564 eingezogene Kirchengüter erhob. Von allgemeinerem Interesse sind die Mitteilungen über die kalvinistisch-lutherischen Unionsbestrebungen, die wegen der Bedrohung des Kalvinismus durch das Restitutionsedikt einsetzten. In seinem zweiten Aufsatz ( 847) schildert P. die eifrigen und kostspieligen, schließlich aber vergeblichen Bemühungen des Grafen Johann Ludwig sich in den Besitz der konfiszierten Güter des Hauses Nassau-Saarbrücken zu setzen. Wir erhalten dadurch einen Einblick in die Umtriebe, die damals in Wien gang und


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gäbe waren, schließlich aber durch die allgemeine Amnestie durchkreuzt wurden.

Eine Episode aus den letzten Jahren des Krieges, die Belagerung und die Einnahme Überlingens durch die Bayern unter Mercy im Jahre 1644 schildert Telle ( 843) vor allem nach Sebastian Bürsters Beschreibung des schwedischen Krieges und auf Grund eigner Lokalkenntnis.

Einige Dissertationen sind den Schicksalen einzelner Orte und Gebiete während des Krieges gewidmet. Fritsch ( 845) hat seinen Fleiß den Erlebnissen Kreuznachs im Kriege zugewandt, einer Stadt, die besonders schwer zu leiden hatte, da sie teils einer pfälzischen Nebenlinie, teils einer katholischen Linie des badischen Hauses gehörte, also von beiden Parteien heimgesucht wurde. Dazu kam, daß sie schon im Jahre 1620 eine spanische Besatzung aufnehmen mußte, die hohe Kontributionen anforderte, und dann während des ganzen Krieges die Besatzungen, die je nach dem Verlauf des Krieges wechselten, nicht wieder los wurde. Der Verfasser, der auf aktenmäßiger Grundlage die Schicksale der Stadt in politischer, militärischer, konfessioneller und wirtschaftlicher Beziehung verfolgt, sucht besonders auch festzustellen, wie weit sich etwas für die Frage nach der Wirkung des Dreißigjährigen Krieges überhaupt ergibt. Für Kreuznach ist sein Ergebnis, daß die Lage der Stadt schon vor dem Kriege, allerdings aus besonderen Gründen keine erfreuliche war, daß sie aber durch den Krieg bedeutend verschlechtert wurde. Auch während des Krieges wurde aber jede Gelegenheit zur Feldbestellung u. dgl. sofort benutzt.

Bromme ( 850) gibt eine anschauliche Schilderung der Zustände im Fürstentum Weimar während des Krieges, wobei ihm besonders die von Kius nur mangelhaft ausgenutzten Landesvisitationsakten als Quelle dienen. Sie und andere Akten ermöglichen ihm eine Zusammenstellung der Truppenzüge zu geben, von denen das Fürstentum heimgesucht wurde. Er schildert weiter den Verlauf der Landesvisitation und stellt dann übersichtlich zusammen, was sich aus deren Akten über die Einwirkung des Krieges auf die Bevölkerungsverhältnisse, den Stand des Ackerbaues, der Viehzucht usw. ergibt. Am Schluß wird auch noch einiges über den Wiederaufbau nach dem Kriege mitgeteilt.

Schließlich seien noch einige Arbeiten von ziemlich speziellem Charakter genannt. Weiß ( 831) gibt einen Überblick über das Leben Lord Cravens unter besonderer Berücksichtigung seiner Beziehungen zur Familie des Winterkönigs, in erster Linie der Witwe des Königs und dem Prinzen Ruprecht. Wir lernen einen ausgezeichneten Mann von prächtigem Charakter kennen, der sich vor allem durch seine Treue hervortat. Die Nachricht, daß Craven mit der Königin verheiratet gewesen sei, widerlegt W. einwandfrei.

Als ein Beispiel von Lügenpropaganda aus dem Jahre 1645 betrachtet Solleder ( 830) ein Schmähgedicht auf alle Gegner Bayerns, das angeblich an allen Sonn- und Feiertagen in Straubing von den Kanzeln verlesen wurde. Daß man, um gegen den Gegner Stimmung zu machen, auch vor dem Vorwurf der Menschenfresserei nicht zurückschreckte, zeigt die Untersuchung von Julian ( 844). Er hat sich bemüht, alle Nachrichten über Menschenfresserei im Kriege zusammenzustellen und unterzieht sie einer genauen quellenkritischen Prüfung. Abgesehen von den unbewiesenen Nachrichten, die eben der Stimmungsmache dienten, bleiben vielleicht einige Wahnsinnstaten und einige Fälle, die auf Aberglauben beruhten, übrig.


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