II. Allgemeine Parteigeschichte.

Bergsträsser haben seine mehr als zwanzigjährigen Erfahrungen in der Parteigeschichte zur Veröffentlichung der Briefe und Tagebücher verschiedener Abgeordneter des Frankfurter Parlaments als reiner Quellenpublikation (1929: 984) geführt. Er ist der Ansicht, daß nur aus solchen Papieren sich die Geschichte der Fraktionen und damit der eigentlichen treibenden Kräfte des Parlaments schreiben läßt. Sicher ist dies richtig, und für 1848 haben die Einzelheiten der Fraktionsberatungen ihr besonderes Interesse, weil sie einen weitgehenden Einblick in die Entstehung des Parteiwesens geben. Trotzdem scheint mir eine stärkere Verarbeitung der Briefe usw. in die voraufgeschickten Lebensskizzen der jeweiligen Autoren auch bei grundsätzlicher Zustimmung zu B.s Methode möglich und angebracht. Es ermüdet zu sehr, auf 411 Seiten großen Formats hintereinander lesen zu müssen, welchen Eindruck vier Abgeordnete von den im Kern gleichen parlamentarischen Vorgängen gewonnen haben, so verschieden diese auch im einzelnen von ihnen erlebt und gesehen werden mögen (vgl. auch S. 249).

Von den vier Vorträgen Siegfried von Kardorffs über Bismarck (1929: 1052) beschäftigen sich drei (B.s Beziehungen zur konservativen und zur nationalliberalen Partei, B. und der Kulturkampf, B.s Sturz und die Parteien) im wesentlichen mit dem Verhältnis des Kanzlers zu den Parteien. K. selbst betont, daß er nur kurz die Ergebnisse der Forschungen Ritters, Schüßlers,


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Mommsens usw. zusammenfasse. In der Tat bietet er aber dadurch wesentlich mehr, daß er die Mängel des deutschen Parteilebens und gleichzeitig die Eigenschaften Bismarcks scharf herausarbeitet, die einer günstigeren Entwicklung hinderlich waren. K.s auf bester Beherrschung der Quellen beruhende Darstellung der innenpolitischen Kämpfe läßt immer wieder erkennen, daß Bismarck die parteibildende Kraft nicht besaß, wie sie Gambetta und Disraeli eigen waren. Er bekämpfte jede selbständige Regung auch der ihn begünstigenden Parteien, und seine Antipathie gegen einzelne ihrer Führer ließ ihn auf deren Spaltung hinarbeiten, selbst wenn er die geschlossene Unterstützung durch eine Partei zur Erreichung des jeweiligen politischen Ziels dringend nötig hatte. Durch ihm persönlich gewordene Mitteilungen konnte K. auch das Zeitbild um manche bisher unbekannte Züge bereichern. Dahin gehören u. a. die wichtige Mission des Fürsten Hatzfeldt nach Rom und die charakteristische Bemerkung Wilhelms I. auf der Hofjagd in Springe über Bennigsen, der »doch letzten Endes seinen König verraten« habe (S. 46).


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