§ 34. Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters

(Th. Mayer)

F. Oppenheimer ( 1503) will »die soziale und wirtschaftliche Geschichte Europas von der Völkerwanderung bis zur Gegenwart in ihren Hauptzügen entrollen, die Geschichte der Stände und Klassen und des Eigentums in ihrer gegenseitigen Verknüpfung darstellen«, damit »die Wurzeln des modernen Kapitalismus bloßlegen«. Er will »nur die Tatsachen sprechen lassen und nicht die geringste Andeutung unterdrücken, die seiner These etwa widersprechen könnte«. Es ist aber nicht reine Tatsachenschilderung, was O. beabsichtigt, sondern »die wichtigste, fast einzige Aufgabe der folgenden Untersuchung ist die historische Nachprüfung einer theoretisch gewonnenen Erkenntnis«. Diese theoretische Erkenntnis besagt, daß die wirtschaftliche Differenzierung und Klassenbildung nicht aus wirtschaftlichen Wurzeln durch ursprüngliche Akkumulation entsprungen ist, sondern ursprünglich aus politischen Wurzeln und durch Agglomeration um vorhandene Vermögenskerne. Der Staat sei durch Gewalt. durch die Unterwerfung einer Gruppe durch eine andere gebildet


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worden. Der vorliegende Band behandelt die älteste Geschichte, deren Darstellung in mehrere Abschnitte über die ethnologischen Grundlagen, über Ureuropa, die Indogermanen und Germanen und endlich über Spätrom geteilt ist. O. erklärt als Voraussetzung für eine großzügige Synthese, wie er sie unternimmt, »daß der Synthetiker zum wenigstens auf dem Gebiet einer Sonderwissenschaft selbst Meister sein muß«. Er selbst kommt von der Soziologie her, die die eigentliche Fragestellung liefern soll. Wir verkennen nicht die Berechtigung der Synthese, auch nicht der Fragestellung, fürchten jedoch, daß das Unternehmen scheitern muß, wenn es von vornherein als »historische Nachprüfung einer theoretisch gewonnenen Erkenntnis« gedacht ist. Was nun die Durchführung anlangt, so stützt sich O. hier in erster Linie auf die Vorgeschichte, die tatsächlich als Beleg für Theorien der verschiedensten Art sehr geeignet zu sein scheint, weil wir trotz aller Ausgrabungen doch noch so wenig wissen, daß der eigenen Konstruktion der weiteste Spielraum offen bleibt. O. verwendet dazu die »Methode der ethnologischen Vergleiche«, d. h. er bezieht Bausteine aus der ganzen Welt und aus allen Zeiten und fügt sie zusammen, indem er voraussetzt, daß die Verhältnisse grundsätzlich überall gleich seien, so daß das an einem Punkte Fehlende von wo anders her ergänzt werden darf. Diese Methode ist sehr bedenklich, denn verglichen dürfen nur Kulturen in ihrer Gesamtheit werden, nicht einzelne Elemente, von denen viele immer und überall vorhanden sind, aber doch durch ihre besondere Zusammensetzung ein jeweils ganz verschiedenes Bild geben. Da O. auf den von ihm behandelten Gebieten nicht Fachmann ist, und nicht eigene Forschungsarbeit geleistet hat, muß er sich auf die Literatur stützen, wobei er aus überholten älteren und neueren Arbeiten richtige, schiefe und falsche Einzelangaben mitunter wunderlich zusammenwirft, um sie seiner Theorie dienstbar zu machen. Die Wissenschaft über die Fragen der ältesten Geschichte ist heute in vollster Umordnung, 20 Jahre alte Bücher sind oft kaum noch verwendbar, es gehört große Fachkenntnis dazu, um sich hier zurechtzufinden. Daß O. sie besitzt, hat er hier nicht bewiesen. Sicher kann ein Synthetiker nicht auf allen Gebieten Spezialforscher sein, aber immerhin kann man verlangen, daß der, der eine allgemeine historische Darstellung schreiben will, wenigstens auf einem historischen Gebiete als Forscher zu Hause ist, nicht nur etwa als theoretischer Soziologe gearbeitet habe. Schließlich muß Ehrfurcht vor den Tatsachen gefordert werden, sie läßt sich aber kaum damit vereinen, daß ein großes darstellendes Werk die Aufgabe »der historischen Nachprüfung einer theoretisch gewonnenen Erkenntnis« erfüllen soll. Ein mit solchen Voraussetzungen geschriebenes Werk kann unter Umständen anregend sein, als Darstellung aber nicht befriedigen.

Der dritte Band von H. Cunows allgemeiner Wirtschaftsgeschichte ( 1504) hängt eng mit dem zweiten zusammen, da dort schon manches gesagt ist, was in die hier zur Darstellung gelangende Zeit vom 12.--17. Jhd. herüberreicht. C. behandelt neben der deutschen auch die französische und englische Entwicklung, zieht auch die italienische heran, bespricht aber die deutsche ausführlicher, weil sie ihm als typisch erscheint. Es muß aber anerkannt werden, daß er nicht die Entwicklung in allen Ländern gleichsetzt, sondern die Unterschiede wohl berücksichtigt und herausarbeitet. Die Aufgabe der wirtschaftsgeschichtlichen Darstellung ist für die ältere Zeit anders als für das hohe und späte


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MA. Dort ist die Problemstellung auf Grund der vorhandenen Literatur einfacher und klarer, durch eine positive oder negative Stellungnahme zu den einzelnen Fragen eine geschlossene Darstellung leichter zu gewinnen als für die späte Zeit, wo die Mannigfaltigkeit die Herausarbeitung großer Linien erschwert und die Literatur keine genügenden Vorarbeiten großen Stils aufweist. Da sich C. im allgemeinen kaum auf eigene Quellenstudien, sondern auf die vorhandene Literatur stützt, wirkt sich diese Verschiedenheit deutlich aus. C. gibt im allgemeinen die benützte Literatur nicht an, man kann aber verfolgen, wie er bald von diesen, bald von jenen, älteren und neueren und unter sich nicht gleichwertigen Werken abhängig ist; die Darstellung ist daher nicht geschlossen und löst sich nicht selten in Einzelheiten und Geschichten auf. Die Hauptfragestellung ist bei C. nicht die nach den entscheidenden volkswirtschaftlichen Leistungen, sondern vielmehr die nach den Lebensverhältnissen der verschiedenen Bevölkerungsschichten. Es tritt also das soziale Moment gegenüber dem eigentlich wirtschaftlichen allzustark hervor. Dabei ist die Darstellung der agrarischen Verhältnisse zum Teil arg verzeichnet, beim Städtewesen werden vorzüglich nach Bücher und Schmoller Einzelheiten gegeben, die historische Bedeutung und Leistung, die Eigenart der volkswirtschaftlichen Struktur im Zeitalter der Städte kommt nicht zur Geltung, die Schilderung bleibt, weil auf der Literatur beruhend in entscheidenden Punkten unbestimmt. Der Grundeinstellung entspricht es, daß das große ma.liche Kolonisationswerk so gut wie ganz übersehen und die Darstellung des Frühkapitalismus trotz der Benützung J. Strieders und V. Ehrenbergs unzulänglich ist. Eine Darstellung und Würdigung der großen Entdeckungen, ohne die doch die ganze neuere Wirtschaftsgeschichte unverständlich ist, fehlt völlig. Was C. über das ma.liche Ritterwesen sagt, vermischt Richtiges mit Schauerromantik, für allgemeine Fragen fehlen ihm die Kenntnisse und der Blick, man vergleiche nur was er S. 34 über »Kaiser« Rudolf von Habsburg, Albrecht I. und die Schweizer oder was er S. 40 ff über Heinrich V. bringt. Der dritte Band kommt dem zweiten an Wert nicht gleich.

Besondere Beachtung verdient H. Aubins ( 1505) Besprechung der allgemeinen Wirtschaftsgeschichte von R. Kötzschke wegen der tiefschürfenden und gedankenreichen Auseinandersetzung über die Aufgaben, Methoden und Möglichkeiten der Wirtschaftsgeschichte.

Die Abhandlung von Theodor Mayer ( 1492) untersucht die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung und betont, daß die allgemein üblichen Wirtschaftsstufentheorien, weil sie nur auf eine Entwicklung aus sich heraus eingestellt sind, nicht befriedigen können. Es muß vielmehr stets das »weltwirtschaftliche« System, in das die einzelnen Wirtschaftskörper eingegliedert sind, herangezogen werden, denn aus ihm ergeben sich immer Tendenzen nach einer Gliederung im Sinne der v. Thünenschen Kreise, wonach den einzelnen Teilen jeweils verschiedene Funktionen zufallen, die deren wirtschaftliche Entwicklung bestimmen. Außerdem muß man zwischen der urtümlichen, mutterländischen und der abgeleiteten, kolonialen Entwicklung unterscheiden. Als Beispiele bringt Verfasser die Entwicklung im alten Römerreich, in Ostdeutschland und im modernen England. Durch diese Feststellungen will Verfasser Kategorien gewinnen, die auf das Vorhandensein und die Stärke eines großen Wirtschaftssystems schließen lassen, wobei nicht so sehr die tatsächlich erreichte Quote des Außenhandels als vielmehr die potentielle Quote entscheidend ist, wodurch


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sich z. B. die von Sombart hervorgehobene, merkwürdige Tatsache der sinkenden Quote des Außenhandels im 19. Jhd. bei gleichzeitig steigender Verflechtung der Volkswirtschaften in die Weltwirtschaft erklären läßt.

A. Helbok ( 1506) gibt in seiner interessanten Abhandlung zuerst ein allgemeines Bild von der Wirtschaftskultur der Germanen in dem Sinne, daß sie ein Ackerbauvolk waren. Damit sind aber die in sich widerspruchsvollen Berichte von Cäsar und teilweise auch Tacitus nur schwer in Einklang zu bringen. H. will diesen Widerspruch dadurch aufklären, daß er annimmt, daß die im Westen wohnenden Germanen »in den Wald gedrungene und an Kultur gesunkene Völker« waren, während die im Osten auf hoher Stufe standen. Cäsar habe in das »folgerichtige Bild des Waldvolkes Widersprüche« gebracht, da ihm auch Nachrichten aus der alten Heimat der Germanen vorlagen. Tacitus habe vielmehr die höherstehenden Germanen im Osten im Auge gehabt, so daß die Verschiedenheit der Urteile voll begründet sei. H. verwendet die Ergebnisse der Philologie, Vorgeschichte, Völkerkunde und historischen Klimaforschung und will aus ihnen ein einheitliches Bild gewinnen. Doch sind die Ergebnisse dieser Wissenschaften keineswegs so gesichert, daß sie miteinander verbunden werden können. Die bisher nicht bewiesene Annahme, daß die Germanen im Westen einfach als kulturell gesunkene Waldvölker zu bezeichnen seien, hat als kaum haltbare Voraussetzung, daß es im Westen keine waldfreien Gebiete gegeben habe. Wenn H. (S. 260) gestützt auf Veek sagt, daß die allemanischen Sippen nicht auf der zugewiesenen Feldmark in geschlossenen Verbänden, sondern nach Familien getrennt in Gehöften oder Weilern siedelten, so ist zu bemerken, daß Veek den, wenn überhaupt, gewiß nur sehr schwer zu erbringenden Nachweis, daß dies allgemein so gewesen sei, bisher schuldig geblieben ist.

H. Aubin ( 1507) entwirft eine ausgezeichnete Skizze des Wirtschaftslebens in der Germania Romana. Auf Grund rein historischer Quellen, der Ergebnisse der Philologie, der Archäologie zeichnet er die Agrarverfassung, das Vordringen der römischen Industrie in diese Gebiete und später wieder das Zurückweichen, begründet den Unterschied zwischen Rhein- und Donaugebiet und erklärt die Bedeutung des römischen Heeres für die Wirtschaft. Nur die eindringende Kenntnis der Frage und des Quellenbestandes haben es A. möglich gemacht, auf so engem Raum soviel in knappster Form eindrucksvoll und verläßlich darzustellen.

Pirenne ( 1510) untersucht den Bildungsstand der ma.lichen Kaufleute und verwendet seine Ergebnisse als Stütze für seine These vom Untergang der Antike infolge der Eroberung des Mittelmeeres durch die Araber. Die Folge davon sei ein wirtschaftlicher Stillstand vom 8.--11. Jhd., das Verschwinden des städtischen Lebens und des Standes der Kaufleute, sowie das Erlöschen der Laienbildung, das auch im Verschwinden der Kursive, der Schrift des täglichen Gebrauchs zum Unterschied von der Minuskel, der Schrift der Gelehrten, zum Ausdruck komme, gewesen. Erst seit dem 11. Jhd. habe es in Flandern wieder bedeutendere Kaufleute gegeben, Fernkaufleute, die für ihre Geschäfte schriftliche Aufzeichnungen brauchten; dafür verwendeten sie zuerst Geistliche, dann aber ließen sie ihre Söhne unterrichten, zuerst in geistlichen Schulen, seit dem 12. Jhd. gab es bürgerliche Schulen, im 13. Jhd. war das bürgerliche Schulwesen in Flandern voll eingerichtet. P. verkennt den Rückgang des Handels in spätrömischer und frühmerowingischer Zeit, überschätzt und verallgemeinert die


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Bedeutung der Araber ebenso, wie er den Handel im 8.--11. Jhd. unterschätzt, besonders wenn er von einem wirtschaftlichen Stillstand in dieser Zeit spricht.

Die Abhandlung von G. Des Marez ( 1374) ist ein Gutachten über eine bei der belgischen Akademie eingereichte, noch ungedruckte Preisarbeit von F. Vercauteren, deren Inhalt aus dem Gutachten von D. M. und H. Pirenne, das dem genannten vorangeht, zu entnehmen ist. Es zeigt sich, daß Vercauteren es unternommen hatte, die These Pirennes über den Ursprung des ma.lichen Städtewesens näher zu begründen, so daß D. M.s Gutachten eine Auseinandersetzung mit Pirenne darstellt. D. M. bestreitet die Berechtigung, südfranzösische Quellen für die Erforschung der städtischen Entwicklung nördlich der Loire heranzuziehen. Im Süden lebte das römische Recht weiter, im Norden das fränkische Gewohnheitsrecht. Hier bildete sich eine vollständig auf der Landwirtschaft ruhende gesellschaftliche Verfassung aus, aus der allmählich, besonders gefördert durch Karl d. Gr., ein neues Städtewesen entstand. Diese Städte des 9. Jhds. waren wirtschaftliche Zentren und wurden seit dem 11. Jhd. Städte im Rechtssinne. Der römische Süden sei nicht erst durch die Araber in Verfall geraten, sondern schon vorher durch die Einbrüche der Wandalen, Westgoten, Burgunder und Franken, dann durch die Seeräuber. Übrigens seien im Norden die Normannen und Ungarn geradeso furchtbar gewesen, aber man dürfe deshalb nicht von einem wirtschaftlichen Stillstand vom 8.--10. Jhd. sprechen, wie das Pirenne und Vercauteren tun. Durch D. M. Ausführungen ist die These Pirennes vom Übergang vom Altertum zum MA. schwer erschüttert. D. M. stimmt in vielen Punkten mit A. Dopsch überein, knüpft im übrigen an die ältere Lehre an, zeigt aber Wege weiterer Forschung. Wichtig ist die starke Betonung des Unterschiedes von Süd- und Nordfrankreich, wir müssen uns endlich klar werden, daß in der Merowinger- und Karolingerzeit nicht im ganzen Abendland gleiche Verhältnisse geherrscht haben und die Ergebnisse aus irgendwelchen Quellen ohne weiteres verallgemeinert werden dürfen. (Vgl. S. 321.)

W. Elsner ( 1508 a) bestreitet auf Grund einer scharfsinnigen Untersuchung, daß das Capitulare de villis eine einheitliche Wirtschaftsordnung für die Verwalter des Königsgutes, noch auch eine von Ludwig d. Fr. für Aquitanien erlassene Verwaltungsordnung für die Tafelgüter, noch auch eine für Aquitanien hergestellte Bearbeitung einer allgemeinen Wirtschaftsordnung sei, er hält es vielmehr für eine in der Kanzlei Karls d. Gr. zusammengestellte, für die königlichen Missi bestimmte Sammlung zahlreicher älterer Einzelvorschriften, die diese bei der Inspizierung der königlichen Güter verwendeten. Da E. selbst die Herkunft einiger Bestimmungen aus Aquitanien für wahrscheinlich hält und das C. d. v. für eine Sammlung von Einzelvorschriften doch zu große Einheitlichkeit aufweist, dürfte E.s Auffassung sich nicht halten lassen, aber sicher bestätigt seine Untersuchung die Nichteinheitlichkeit des C. d. v.; wenn dieses aber für die Missi bestimmt war, müßten die Verwalter ähnliche Vorschriften gehabt haben, so daß man das C. d. v. weiterhin als allgemeine Quelle wird benützen dürfen.

Ausgehend von einem Bild im Münchener Nationalmuseum von Max Adamo verfolgt F. Bastian ( 1511) die älteren Anschauungen über den Donauhandel nach Konstantinopel und widerlegt die freilich in der neueren Literatur ohnehin nicht mehr anerkannte »Legende«. B. weist demgegenüber auf das frühe Vorkommen


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von Italienern im Donaugebiet hin. Auf Grund sehr umfassender Kenntnis der Quellen und Literatur bringt B. sonst noch eine Menge von bemerkenswerten Einzelfeststellungen zur Geschichte des Handels im Donaugebiet. Daß der Weg nach Konstantinopel nicht benützt worden sein soll, ist auffällig, wenn man erwägt, daß die alten Straßen nicht zerstört worden, vielmehr noch im MA. auch für Massentransporte größten Stils geeignet gewesen sind, wie die Kreuzzüge beweisen. Vielleicht werden noch Quellen aus dem Balkangebiet weiteren Aufschluß bringen.

Al. Schultes Vortrag ( 1512) bringt eine überaus eindrucksvolle, auf überlegener Kenntnis der Quellen und Literatur, sowie der Eigenheiten des nördlichen und südlichen Wirtschaftskreises Deutschlands im MA. aufgebaute Gegenüberstellung des nord- und süddeutschen Außenhandels. Die Darstellung ist wegen der glänzenden Formulierung und Herausarbeitung der entscheidenden Züge wertvoll und wird von jedermann mit besonderem Genuß und Gewinn gelesen werden.

M. Weinbaum ( 1516) untersucht das Verhältnis der Kölner und der hansischen Kaufleute in London, von dem man bisher keine klare Vorstellung hatte und zeigt, daß seit den ältesten Privilegien der Kölner aus dem 12. Jhd. und dem ersten Auftreten der hansischen Kaufleute um die Mitte des 13. Jhds. zwei Gruppen von deutschen Kaufleuten, Hanse und Köln, in London bestanden und sich bis zum Ende des MAs. erhielten. Erst seit dieser Zeit sind sie in der deutschen Hanse zusammengefaßt. W. stützt seinen scharfsinnigen Beweis auf einige neuaufgefundene Quellen.

Einen weiteren wertvollen Beitrag zur hansischen Geschichte bringt O. A. Johnsen ( 1515), der die Geschichte der deutschen Kaufleute im Gebiete des heutigen Oslo im späteren MA. behandelt. Es waren vornehmlich Rostocker Kaufleute, die hier im 15. Jhd. eine monopolartige Stellung, von der auch die übrigen hansischen Kaufleute ausgeschaltet waren, nach manchen Kämpfen erlangt haben. Die Rostocker haben sehr zum Verdruß der norwegischen Kaufleute auch den Kleinhandel mit den Einheimischen betrieben. Ihre Organisation wurde vom Rostocker Rat geleitet. Sie brach im 16. Jhd. zusammen, ihre Privilegien wegen des Kleinhandels wurden 1508 zurückgezogen, an ihre Stelle traten die Niederländer, die durch ihre ausgedehnte Holzausfuhr der Wirtschaft des Landes zum Gedeihen verhalfen und auf den Kleinhandel verzichteten, so daß sich hier der norwegische Kaufmann entfalten konnte.

N. Ahnlund ( 1513) zeigt den großen Anteil der Deutschen an der Entstehung von Stockholm, wo sie lange Zeit den halben Rat besetzten und einen Bürgermeister stellten. Sie bildeten vor allem den Kreis der wohlhabenden Kaufleute. 1366 war Stockholm auf dem Hansetag in Lübeck vertreten und konnte neben Wisby als Hansestadt bezeichnet werden. Seit dem Ende des 14. Jhds. verschärfte sich der nationale Gegensatz, 1471 wurde die Bestimmung über die paritätische Zusammensetzung des Rates aufgehoben und den Deutschen die Ratsämter verschlossen. Der Sturz Lübecks zerstörte auch die Grundlage, auf der die Macht der Deutschen in Stockholm ruhte. Gleichwohl schwangen diese sich noch einmal auf, aber am Beginn des 17. Jhds. brach die Stellung der Deutschen endgültig zusammen, der schwedisch-nationale Gedanke hatte über die Vorherrschaft der deutschen Hanse gesiegt.

H. Lübbing ( 1538) schildert den Handelsverkehr in Rüstringen und den


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Nachbargebieten in der Zeit von ca. 1200 bis 1350 auf Grund eindringlicher Quellenstudien. Die Darstellung erzählt weniger vom eigentlichen Handel und Handelsverkehr, als von der Behinderung desselben, von den vielen Streitigkeiten, den Beraubungen der Kaufleute, besonders jener, deren Schiffe gestrandet waren, den verschiedenen Verträgen, die in erster Linie mit Bremen zur Sicherung des Handels geschlossen worden sind. Die Ausführungen leiden unter einer gewissen Unübersichtlichkeit, die auch dadurch verursacht war, daß einheitliche Linien fehlten, weil das behandelte Gebiet selbst keine Einheit darstellt. Doch hätte sich die Darstellung auf Grund einer sorgfältigeren Durcharbeitung stärker über die Quellen erheben können. Beim Vergleich mit anderen deutschen Gebieten sieht man, wie ein starkes Landesfürstentum schon viel früher im eigenen Interesse Ruhe und Ordnung und Sicherheit auch für den Kaufmann geschaffen hat.

O. Mugler ( 1521) behandelt in seiner Dissertation den Edelsteinhandel im MA. und im 16. Jhd. Er schildert die Gewinnung der Edelsteine besonders in Indien, die Einfuhr nach Europa über Venedig und dann über Lissabon und Antwerpen. Venedig und Antwerpen sind die Hauptplätze für die Bearbeitung geworden, auch Frankfurt hat darin große Bedeutung erlangt. Der Handel war völlig international und wurde im allgemeinen nur von großen Kaufleuten durchgeführt, da er viel Kapital erforderte. Die Arbeit ist auf alte Reisebeschreibungen und auf allgemeine Literatur aufgebaut, nur an einigen Stellen werden die unmittelbaren Quellen herangezogen. Die kritische Behandlung und die formelle Darstellung sind nicht immer einwandfrei, doch hat die Arbeit wegen des wichtigen Themas Wert.

H. Bechtel ( 1509) will zeigen, daß die Vorstellung vom Wirtschaftssystem des späten MAs., die zumeist auf Büchers Theorie von der Stadtwirtschaft beruhe, falsch sei und daß man nicht die kleinen Städte als schlechthin typisch nehmen dürfe, sondern vielmehr die Großstädte heranziehen müsse, so wie man auch das moderne Wirtschaftsleben nicht nach den Kleinstädten, sondern nach den führenden Großstädten charakterisiere. B. bespricht dann die einzelnen Handelszweige, den Getreidehandel, der dort ein Fernhandel war, wo gute Wasserwege billige Transportmöglichkeiten schufen, wie etwa Oder und Weichsel. Weiter behandelt B. den Handel mit Schlachtvieh, mit Fischen, Salz, Süß- und Kolonialwaren, Textilien, Metallwaren, Holz, Hilfsmitteln der Bekleidungsindustrie und kommt zu dem Ergebnis, daß wir uns den Großhandel bedeutender und mannigfacher vorstellen müssen als das gewöhnlich geschehe. Da B. nur den Großhandel erörtert -- den Weinhandel hat er übergangen -- so liegt die Gefahr nahe, daß er in den entgegengesetzten Fehler wie Bücher verfällt und den Klein- und Nahhandel unterschätzt. Für das MA. war eben wirklich die Kleinstadt in viel höherem Maße typisch als für unsere Zeit und für sie galt das Büchersche System doch in weitgehendem Maße, wie die Abhandlung von H. Ammann über die schweizerische Kleinstadt gezeigt hat. Die Arbeit stützt sich auf die Literatur, der Donauhandel ist nicht berücksichtigt, die für diese Fragen aufschlußreichen Passauer Mautbücher von 1400 bis 1402 sind unbenützt geblieben.

H. Quiring ( 1518) will nachweisen, daß der ma.liche Bergbau seinen Ausgang vom Siegerland genommen hat, wo allein die bergmännische Überlieferung vom Altertum her bewahrt wurde, während der gesamte Bergbau in


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Europa und im Orient in den Zeiten der Völkerwanderung und der islamischen Bewegung verfallen sei. Die fränkischen Bergleute haben im MA. die Bergbaukunst nach Mitteldeutschland getragen, sie stammten aus dem Siegerland. Da Konrad I. die Stimme des Sachsenherzogs für seine Wahl gebraucht habe, habe er sie dadurch erkauft, daß er seinen Bergleuten erlaubte, ihre Bergbaukunst am Rammelsberg zu versuchen, wodurch die Brücke vom Siegerland zum übrigen Deutschland geschlagen worden sei. Der Anschauung, daß dem Siegerländer Bergbau ein hohes Alter zukomme, wird man allgemein beipflichten, was aber Qu. sonst, abgesehen von mehreren interessanten technischen Bemerkungen zur Geschichte des prähistorischen Bergbaues, über die Entstehung des Bergrechtes in der Periode von 5000 bis 2700 vor Chr., zur Chronologie der Ereignisse und an allgemeinen historischen Bemerkungen bringt, ist reichlich phantastisch.

O. Brunners Buch ( 1524) gibt eine ausgezeichnete, auf tiefschürfender Quellenforschung beruhende Schilderung der Finanzwirtschaft der Stadt Wien im späteren MA. und am Beginn der Neuzeit. Das Buch ist ein sehr wichtiger Beitrag zur Verfassungs-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte Wiens. Über alle diese Zweige des städtischen Lebens erhalten wir durch die schönen und verläßlichen Schilderungen B.s eine vorzügliche und entsprechend dem Quellenstand auch erschöpfende Kenntnis. B.s Buch ist ein glänzendes Gegenstück zu P. Sanders reichsstädtischem Haushalt von Nürnberg und gibt uns die Möglichkeit, die Finanzwirtschaft einer großen landesfürstlichen Stadt mit der einer Reichsstadt zu vergleichen. Das Buch bedeutet eine weit über den engen Kreis der Lokalforscher hinaus interessante und ungewöhnlich wertvolle Leistung.

P. I. Poll ( 1522) bringt zur Geschichte des Klosterbrauwesens vorläufige, mehr populär gehaltene Beiträge. Die Erzählung beginnt mit der Bierbrauerei im Kloster Bobbio und geht dann auf St. Gallen über, behandelt weiter das Brauwesen der Benediktinerklöster überhaupt und der Zisterzienserklöster und der übrigen Orden bis zur Säkularisation der Klöster. Weiter berichtet P. über die Technik des Brauens, über klösterliche Braumeister und bringt schließlich ein Verzeichnis der 288 klösterlichen Brauereien im rechtsrheinischen Bayern. Die Geschichte des Brauwesens ist kultur- und wirtschaftsgeschichtlich wichtig, Bier war für die Hansestädte ein bedeutender Ausfuhrartikel, die Bierbrauerei hat in den Städten oft eine große, verfassungsgeschichtlich interessante Rolle gespielt. Es ist daher dankenswert, daß die Gesellschaft für die Geschichte und Bibliographie des Brauwesens durch ein Jahrbuch und eine Reihe von Sonderschriften unsere Kenntnis von diesen Fragen wesentlich erweitern und vertiefen will.


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