III. Geschichte der Bibliotheken.

Auf das ehrwürdige Alter von 1100 Jahren blickt die Stiftsbibliothek von St. Gallen zurück, deren Geschichte bereits


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Weidmann 1846 schrieb. Ad. Fäh wendet seine Aufmerksamkeit hauptsächlich ihrer Baugeschichte zu ( 90), die er durch eigene archivalische Studien ergänzt, und besonders der Entstehung des heutigen Gebäudes, dessen Rohbau 1758 in der erstaunlich kurzen Zeit von 6 Monaten vollendet wurde. Der Wert der Studie H. Keußens über die Bibliothek der Kölner Artistenfakultät ( 92) geht weit über den lokalen Rahmen hinaus und gibt auf Grund sorgfältiger Quellen- und Literaturverwertung ein überraschend anschauliches Bild von der Organisation einer ma.lichen Universitätsbibliothek. Die fast lückenlose Kenntnis ihres Bücherbestandes im J. 1474 wird einem großen vierspaltigen Plakatkatalog verdankt, dessen Teile sich als Vorsatzblätter eines Exemplars der Summa des Alexander von Hales in der Kölner Stadtbibliothek erhalten haben. Keußen gibt im Anhang den Katalog unter genauer Identifizierung der stark abgekürzten Titel heraus. Für das Benediktinerkloster St. Blasius in Northeim haben sich auf Pergamentblättern, die aus Handschriften herausgelöst sind, 2 Bücherverzeichnisse erhalten, die H. Herbst veröffentlicht ( 94). Sie stammen aus der Mitte des 12. Jhds. und haben, wie ein häufig eingefügtes »non« erkennen läßt, als Grundlage für eine Revision der Bestände gedient. Das erste Verzeichnis teilt die Codices in 20, die Graf Otto von Northeim erworben hat, und 65, die durch den ersten Abt des Klosters, Warmund, hinzukamen. Da die älteren Klosterurkunden erwiesenermaßen Fälschungen sind und das Kloster erst nach dem Tode des Grafen (1083) gegründet sein kann, so besteht die immerhin auffallende Annahme, daß er die Handschriften schon im voraus für das künftige Kloster beschafft haben muß.

Eine erneute Vermehrung der in den letzten Jahren besonders reichen Literatur zur Königsberger Bibliotheksgeschichte brachte die 400-Jahrfeier der Staats- und Universitätsbibliothek. Neben Krollmanns Behandlung der 1541 von dem ostpreußischen Reformator Poliander gegründeten Stadtbibliothek ( 102) sind die »Königsberger Beiträge« ( 100) als kulturgeschichtliche Fundgrube hervorzuheben. W. Ziesemer veröffentlicht darin einen Bibliothekskatalog des Elisabeth-Hospitals in Danzig v. J. 1443, das unter der Verwaltung des Ordens stand ( 102); Wermke schildert die Geschichte der fast 40 000 Bände umfassende Privatbibliothek des Königsberger Gymnasialdirektors Gotthold, der sie der Universitätsbibliothek vermachte ( 102). -- Zu dem immer noch ungelösten Problem »Goethe als Beamter« liefert O. Lerche durch aktenmäßige Darstellung seiner bibliothekarischen Wirksamkeit eine zuverlässige Grundlage ( 96). Sehr im Gegensatz zu dem Wolfenbüttler Dichterbibliothekar Lessing wendete Goethe der Weimarer Bibliothek seine persönliche Hingabe mit erstaunlichem Verständnis auch für den bibliothekarischen Kleinkram zu, obwohl er sich als Inhaber der Oberaufsicht jederzeit davon hätte freimachen können.

Mit der jüngsten Vergangenheit der Berliner Staatsbibliothek beschäftigt sich eine Schrift ihres gegenwärtigen Generaldirektors H. A. Krüß, die den Zeitabschnitt von 1899 bis 1929 behandelt ( 98). Der 1914 vollendete Neubau, die Erschütterungen, die der Bibliotheksbetrieb durch Krieg und Inflation erlitt, und ihre Ausweitung zu einer deutschen Zentralbibliothek infolge der ständig wachsenden Beanspruchung aus allen Teilen Deutschlands, das sind die Faktoren, die richtunggebend auf die Entwicklung der Staatsbibliothek in den letzten 30 Jahren einwirkten.


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