III. Geschichte einzelner Landesteile und Ortschaften.

Die Beziehungen des altmärkischen Stendal zu Hanse unternimmt E. Wollesen darzustellen ( 792), nicht gerade tief und ohne rechte Beherrschung hansischer Probleme. Es bleibt mehr oder minder bei Aufzählung einzelner Tatsachen. Für die älteste Geschichte des Havellandes ist eine Arbeit von O. Felsberg heranzuziehen über »Das Havelland zur Wendenzeit« (58.--60. Jberr. d. hist. Ver. zu Brandenburg S. 115--140). Im wesentlichen prähistorischen Bahnen folgend betont sie das lange friedliche Nebeneinander slawischer und deutscher Bevölkerungselemente nach Beginn der Kolonisation. Der Hauptstadt des Havellandes widmet O. Tschirch von neuem (vgl. Jberr. 1926 S. 530) einen Band gesammelter Aufsätze »Im Schutze des Rolands« (Brandenburg, Wiesike 1929. 95 S.). Aus den für weitere Kreise berechneten, aber wissenschaftlich unbedingt zuverlässigen, eigene Forschung bringenden Beiträgen heben wir die Abschnitte »Gustav Adolf und die Stadt Br.« (S. 43 ff.) und »Der Bau der Potsdam-- Magdeburger Eisenbahn« (S. 32 ff.) hervor. Von rein baugeschichtlichen Untersuchungen aus gewinnt O. Stiehl den Weg zu einer sehr beachtenswerten Auffassung von der Topographie der Altstadt Brandenburg. Damit wird ein Stadtplantypus der ältesten Kolonisationszeit gewonnen, wie er auch an anderer Stelle mehrfach erkennbar ist, eine Siedlung um einen langgestreckten, dreieckigen Markt (»Die Rathäuser und der Markt der Altstadt Brandenburg« in »Denkmalpflege und Heimatschutz«. Jahrg. 31, Nr. 8--9, S. 65--69). Für Potsdam, eine »Reichsburg« der ottonischen Zeit, möchte K. H. Schäfer eine 1000 jährige Vergangenheit erweisen (210. Übrigens = 2. Veröffentl. d. Geschichtsver. Kath. Mark.) Wir haben auf diese seltsamen Phantasmen, die in der Behauptung eines »Fortbestandes der deutsch-christlichen Kultur im Havellande aus der Zeit der Ottonen in das 12. Jhd.« gipfeln, bereits im letzten Jahrg. S. 408 in anderem Zusammenhange hingewiesen. Auch B. v. Bonin hat sich, nicht immer glücklich, gegen die Schäferschen »Entdeckungen« gewandt ( 211).

Wenn es je des Beweises bedurft hätte, wie sehr bei Erforschung der früheren Geschichte einer Landschaft Prähistorie und Geschichte Hand in Hand arbeiten müssen, so hat es W. Matthes mit seiner Urgeschichte des Kreises Ostprignitz dargetan ( 653). Selten ist so klar gezeigt, wie sehr Siedlungsepochen ineinander übergehen und daß Verständnis der ostdeutschen Kolonisation nicht möglich ist ohne Kenntnis der vorhergehenden nur durch die Spatenwissenschaft erkennbaren Siedlungszeiten. Die Bodenfunde, die bis in das MA. hinein ungewöhnlich sorgsam inventarmäßig unter Beigabe von Karten mit den Fundstellen festgelegt wurden, sind in solchem Umfange wohl noch nirgends für die Geschichte einer Landschaft als Quellen ausgewertet worden. Für die ma.liche deutsche Kolonisation ergibt sich insbesondere eine sehr viel gleichmäßigere, also planvollere Siedlung als in den früheren Zeiten und daneben das Wüstwerden von nicht weniger als 100 unter 233 Orten, und zwar, soweit sich feststellen läßt, fast durchweg noch vor dem 17. Jhd., also nicht durch den Dreißigjährigen Krieg bedingt. -- Für eine der städtischen Siedlungen der Prignitz hat W. Hoppe ein Gesamtbild ihrer Geschichte zu zeichnen versucht, für Lenzen an der Elbe ( 210 a). Es mag deshalb darauf hingewiesen


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werden, weil hier ein Geschick gezeichnet wird, das für manche der Kolonialstädte symptomatisch ist: ein vielversprechender Aufstieg im Zeichen hansischer Verbundenheit und dann ein Zurücksinken in den Zustand einer kleinen Landstadt. Etwas Besonderes liegt in den Anfängen der Stadt, die sie mit der karolingischen Slawenpolitik und der König Heinrichs I. verknüpfen.

Hat Lenzen nach Nordwesten zu lange einen wichtigen märkischen Grenzposten abgegeben, so nach Norden, gegen Pommern, Vierraden. Gerade die Geschichte solcher vielumkämpften Grenzstädte ist, recht gesehen, für die Aufhellung der äußeren Beziehungen eines Territoriums ergiebig. Auch für eine »Geschichte der Stadt und des Schlosses Vierraden« von P. Menschell (Prenzlau, Mieck i. K. 174 S. = Arbeiten d. Uckermärk. Mus.- u. Geschichtsver. zu Prenzlau H. 10) möchte ich dies gelten lassen; ein gut Teil der pommerischmärkischen Politik wird hier in lokalem Rahmen lebendig. -- Für die südliche Uckermark wird in den viel zu wenig von der Territorialforschung beachteten »Kunstdenkmälern der Prov. Brandenburg« in zwei neuen, von P. Eichholz und W. Hoppe bearbeiteten Heften neben dem kunstgeschichtlichen viel ortsgeschichtlicher Stoff geboten, der in der märkischen Geschichte so stark hervortretende Orte wie z. B. Greiffenberg, Grimnitz, Oderberg umfaßt. (Bd. 3, Teil 3: Kreis Angermünde, Heft 4 und 5. Berlin, Voss. Buchh. S. 107--195.)

Der »überreichen Materialsammlung« zur Geschichte des Barnim, wie ich im Jahrg. 1928 S. 409 eine Schrift von Rud. Schmidt bezeichnet habe, reiht sich nunmehr ein zweiter Teil an: »Aus der Pfuelen Land. II. Zur Geschichte von Alt-Ranft, Garzau... 287 S. (Bad Freienwalde, Oder. Verlag d. Kreisausschusses d. Kr. Oberbarnim.) Zunächst nur Lokalgeschichte in einfachster Form, d. h. Aneinanderweisung von Quellenangaben, aber eben in solcher Fülle und nahezu Vollständigkeit, daß namentlich die Wirtschaftsgeschichte des Barnim nach einer sichtenden und ausschöpfenden Hand geradezu lechzt.

Für das benachbarte Land Lebus liegt in einer Volkskunde von M. Pohlandt, auf deren Vorläufer bereits Jahrg. 1928, S. 409, hingewiesen wurde, ein beachtliches Buch vor ( 568). Die Zeiten sind ja erfreulicherweise vorüber, in denen Volkskunde als unwissenschaftlich empfunden wurde. Gerade das Pohlandt'sche Buch zeigt, daß die Geschichte einer Landschaft ohne Beachtung des Volkskundlichen nicht geschrieben werden kann. Bleibt das Volksgut, das P. hier aufspeichert, ungenutzt, so gewinnt man nur Teilbilder des Landes Lebus. In die deutsche Frühzeit des Bezirks führt eine Untersuchung von O. Breitenbach, in der er sich mit der Jahrg. 1926, S. 531 behandelten Arbeit von Fr. Schilling über die Entstehung von Frankfurt a. O. auseinandersetzt ( 439). Mir scheint indessen, daß sich Wesentliches in dem Bilde Schillings nicht ändert, daß vor allem eine von den schlesischen Piasten heraufgeführte deutsche Siedlungsperiode, die der askanischen voraufgeht, bestehen bleibt.

Gediegen wie immer beschäftigt sich R. Lehmann mit der Niederlausitz und betrachtet die »geschichtliche Entwicklung ... nach der Sonder- und Eigenart, die sie im Gefüge des geschichtlich erwachsenen Volks- und Reichsganzen eingenommen hat und einnimmt« ( 212). Dabei geht er mit Recht von den »Zusammenhängen zwischen Gelände und Geschichte« aus. Insgesamt ergibt sich eine Mittelstellung des Landes zwischen Brandenburg, zu dem es in der Hauptsache ja erst 1815 geschlagen wurde, und der Oberlausitz.


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