III. Quellen und Darstellungen nach der Reihe der Ereignisse.

W. Lippert ( 70) teilt aus dem Gesamtarchiv in Weimar ein Aktenstück mit, das auf Urkunden König Ludwigs des Bayern hindeutet und meißnische Landesangelegenheiten und Anwartschaften betrifft. L. erweist, daß es sich darin um Urkunden handelt, die alle zwischen 1320 und 1330 ausgestellt sind; es ist auch sehr wahrscheinlich, daß der »markgräfliche Schreiber«, Pfarrer Konrad zu Lobeda (S. 102), die Liste zusammengestellt und geschrieben hat. Da König Ludwig auf den 8. Juli 1330 eine Reichsversammlung nach Eisenach anberaumt hatte, vermutet L. in dem Aktenstücke entweder die Suchliste oder den Merkzettel für die Akten, die man meißnischerseits auf der Tagung zur Verteidigung umstrittener Rechte brauchen wollte. Mir scheint aber die Aufstellung fast mehr für die Reise nach München zu passen, die Mkg. Friedrich 1330 noch im Winter unternahm, weil die Eisenacher Tagung im Juli ausgefallen war.

Die Thüringer Grafenfehde von 1342 bis 1346 wird von W. Füßlein ( 790) zum Gegenstand einer sorgfältigen Untersuchung gemacht. Man kann in ihr den Anfang des großen Kampfes um das geschlossene Territorium erblicken, den die Wettiner als Landesfürsten gegen alle Dynasten innerhalb ihrer Gebiete geführt haben. Aber die Nachwirkung wird von F. überschätzt; denn »die unerschütterliche Grundlage für absolute staatliche Autorität« (S. 114) ist damit noch nicht geschaffen. Noch bis ins 16. Jhd. geht der Kampf um die Reichsstandschaft der gräflichen und bischöflichen Gebiete (selbst Erfurts) mit wechselndem Erfolg fort. Wenn die Wettiner schließlich die Oberhand gewinnen, so liegt das mehr an dem Ermatten der Reichsgewalt als an der Zermürbung des Selbständigkeitswillens der Dynasten. Auch nach F.s Darstellung zeigt die vierjährige Fehde keineswegs entscheidende Kämpfe, sondern klingt in mehr oder weniger dauerhaften Verträgen aus. Nur die askanischen Grafen von Orlamünde


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und Weimar hatten 1346 ihre selbständige Rolle für immer ausgespielt. Auch bei ihrer Bezwingung hat aber m. E. die Landfriedenspolitik (daher auch Erfurts Hilfe!), nicht das »folgerichtige und unerbittliche Prinzip« der geschlossenen Territorialität (S. 113) den Ausschlag gegeben. Daraus erklärt sich m. E. das kaiserliche Eingreifen (S. 123 ff.) mit dem harten »Frieden« spruch Ende 1342, und wiederum erst aus der Landfriedenspolitik hat sich allmählich der Drang zum geschlossenen Territorium entwickelt. -- Einiges zur Vorgeschichte der Grafenfehde bringt Füßlein auch auf S. 368 ff. seines Aufsatzes ( 791) über den Übergang der Herrschaft Coburg von Henneberg-Schleusingen an die Wettiner 1353. Im übrigen bildet dieser die Fortsetzung zu dem in Jberr. IV (1929), S. 449 besprochenen Aufsatz, und der Schlußsatz dort gilt gleichermaßen von dieser wiederum sehr gründlichen Arbeit.

R. Naumann ( 851), der Bearbeiter der Landtagsakten für die Regierungszeit Kf. Augusts von Sachsen, legt die Grundzüge der Politik dar, die Kf. August befolgte, als er durch Moritzens Tod unerwartet dessen Nachfolger wurde. Im Gegensatz zu seinem Bruder war er ebenso friedlich gesinnt wie seine Landstände. Er erstrebte daher den friedlichen Ausgleich mit Markgraf Albrecht wie die endgültige Auseinandersetzung mit den Ernestinern. Er wollte sein Land vor kostspieligen kriegerischen Anstrengungen bewahren und es lieber in den gegebenen Grenzen volkswirtschaftlich entwickeln; Sachsen erstarrte fortan im Ständestaat. -- Die Dissertation von E. Bromme ( 850) erhärtet die Behauptung Erdmanndörffers, daß die »händeringende Ausdrucksweise« in den Berichten über Zustände in Stadt und Land während des 30jährigen Krieges oft auch übertrieben ist, besonders von Pfarrern (S. 2). Die frühere Arbeit von O. Kius aus dem J. 1878 hält kritischer Nachprüfung nicht stand. Auf Grund der Akten in Weimar und Gotha untersucht B. erneut, welche Kriegsschäden überhaupt entstanden sind, wie schwer sie im einzelnen nachweisbar waren und wie sie in Landesvisitationen festzustellen und zu beheben versucht wurden. Der Wiederaufbau begann z. T. schon 1642, und schließlich blieb trotz der unleugbar großen Verwüstungen nach Kriegsende kein Dorf mehr verfallen. Tabellen (dazu Fußnoten) über die Bevölkerungsverhältnisse, Steuern usw. und eine Karte des Fürstentums Weimar um 1641 vervollständigen den guten Eindruck dieser Erstlingsarbeit.

Im November 1928 hat P. Haake ( 878) im Rundfunk über »Sachsen im Zeitalter Augusts des St.« gesprochen und diese Vorträge dann im Berichtsjahr auch in Buchform veröffentlicht. Die Untertitel lauten: »Land und Leute nach dem 30jährigen Kriege; Staat und Kirche; Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst.« Dem volkstümlichen Charakter der Vorträge entsprechend, verzichtet auch der Druck auf alles gelehrte Beiwerk, aber Kenner wie Laien spüren trotzdem die sichere Beherrschung des Stoffes heraus. Man kann nicht sagen, daß gegenüber Haakes anderen Schriften viel Neues geboten wird, aber es wird alles herangezogen, was die Ausführung jeweils stützen kann, und es wird wirksam vorgetragen. Nach meinem Empfinden bewegt sich freilich H. gerade bei zusammenfassenden Urteilen öfters in einem circulus vitiosus: er kämpft gegen Überschätzung des Königs an (die er sächsischen Forschern vorwirft) und muß ihn doch immer wieder auch gegen Unterschätzung verteidigen. Erfreulicherweise ist aber diese Aufsatzreihe von den persönlichen Spitzen frei, die H. in dem Buche weiterhin in den Kapiteln: »August d. St. im Urteil der Gegenwart«


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und »In eigener Sache« gegen Kritiker und Andersdenkende austeilt. Ich glaube nicht, daß Ranke, dem doch H. in der Objektivität seines Urteils ernstlich nacheifern will, eine solche Form der wissenschaftlichen Polemik gewählt oder auch nur gebilligt hätte. Gerade wer H.s aufopfernde Arbeit um die richtige Erkenntnis des vielumstrittenen Wettiners mit innerer Anteilnahme verfolgt, wird die äußere Schärfe dieser Ausführungen bedauern, weil sie für die Gegenseite eine sachliche Auseinandersetzung mit H. über Recht und Unrecht seiner Auffassung unmöglich macht.

Was G. Mentz ( 908) aus den Papieren des Grafen Görtz, des Erziehers Karl Augusts, mitteilt, vervollständigt in manchem das Bild des Weimarer Hofes, gibt aber auch manchen Klatsch der Zeitgenossen wieder. Die Ursache der Entfremdung zwischen Herzoginmutter und Graf Görtz wird nicht klar, aber wenn Görtz über die Umgebung der Hzgn. ebenso spöttisch gesprochen wie geschrieben hat (S. 415 das Bureau d'esprit der Frau von Stein), dann mag das auch mitgespielt haben. Die Liebelei Karl Augusts mit der Gräfin Werthern beschäftigt die Gräfin Görtz stark, während der ganz in der Aufklärungszeit wurzelnde Graf sich wieder mit Goethe zunächst gar nicht abfinden kann und Moses Mendelsohn 1776 wohl deswegen besonders lobt, weil dieser für Wieland, Goethe usw. nur noch 4 bis 5 Jahre literarischen Einflusses voraussagt (S. 421). Aus den Jahren 1806/07 werden Briefe des Ministers Voigt an Graf Görtz abgedruckt, die jenen durch ihre überschwänglichen Ausdrücke für alle fürstlichen Personen wie durch ihre politisch engen Ansichten als Minister eines Kleinstaates kennzeichnen.

Die von Gertrude Aretz 1926 herausgegebenen Memoiren der Gräfin von Kielmannsegge erfahren durch O. E. Schmidt ( 926) eine kritische Beleuchtung, und zwar gleichermaßen hinsichtlich der methodischen Mängel der Herausgabe als der geringen Wahrheitsliebe der Gräfin. Deren grenzenlose Verehrung für Napoleon bleibt freilich bestehen, aber zweifelhaft ist, ob sie ihm auch Geliebte oder nur Spionin gewesen ist. Ihre Vorliebe für Frankreich und Napoleons Hof (S. 224) ist geradezu hysterisch, und ihr opferte sie bedenkenlos ihre Beziehungen zu Sachsen. Den sächsischen Adel und auch den Minister Senfft von Pilsach hält Schmidt nicht bloß für persönliche, sondern auch für sachliche Gegner der Gräfin, weil die Neigung zur Abrechnung mit Napoleon schon seit 1809 bis 1813 im sächsischen Adel stärker vorgeherrscht habe, als man gemeinhin annimmt.

Zu Metternichs politischer Gesamthaltung bietet G. Hirschfeld ( 968) eine Reihe von Briefen des Staatsmannes teils im Auszug, teils in extenso. Sie umfassen die Jahre 1818--1844, soviel ich sehe, und sind an Herzog Ernst I. von Coburg gerichtet. Nach dem Vorwort hat Srbik seine Auffassung von Metternich dadurch bestätigt gefunden. Leider sind sie nicht chronologisch wiedergegeben, aber im ganzen offenbaren sie die Kunst des österreichischen Staatsmannes, mit weltmännischer Liebenswürdigkeit die deutschen Kleinfürsten für Habsburg zu gewinnen und untereinander zu trennen. Wichtig ist der Brief vom 18. 6. 1821 aus Wien (S. 12 f.) mit dem staatsmännischen »Glaubensbekenntnis« Metternichs.

Fr. Hauptmann ( 1003) schildert den Widerstand, den König Friedrich August von Sachsen den liberalen Forderungen entgegensetzte, die nach der Pariser Februarrevolution zuerst und vor allem in Leipzig durch Robert Blum


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erhoben wurden und schließlich am 13. März 1848 doch erfüllt werden mußten, weil nach den Ereignissen in den süddeutschen Ländern auch die alten Minister und Prinz Johann (S. 251 f.) für den Systemwechsel waren.

Fr. Lundgreen ( 1004) beschreibt das Leben des reußischen Abgeordneten in der Paulskirche, Fr. Karl Hönnigers (19. 11. 1812 bis 30. 4. 1874). Aus gekränktem Ehrgeiz schloß sich dieser 1848 den Unzufriedenen an, erreichte die Wahl als Abgeordneter nach Frankfurt und damit auch seine Beförderung zum Regierungsrat. In Frankfurt geriet er immer tiefer in das radikale Fahrwasser, so daß er schließlich auch dem Rumpfparlament in Stuttgart angehörte. Nach seiner Rückberufung wurde er unter Anklage gestellt und zu 1 Jahr Gefängnis mit Tragung der Kosten verurteilt. Die Liebe seiner Anhänger verlor er deswegen nicht; öffentlich ist er aber nicht mehr hervorgetreten.


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