I. Allgemeine Geschichte der Territorien.

In der umfangreichen Literatur, die anläßlich der Tausendjahrfeier Meißens erschienen ist, findet sich auch für unser Gebiet ein wertvoller Beitrag, in dem H. Kretzschmar ( 209) die Beziehungen des Erzstifts Magdeburg zu den wettinischen Landen einer eindringlichen Untersuchung unterzieht. Seine Ausführungen, deren Schwergewicht naturgemäß auf der Zeit nach 1423 (dem Jahre des Erwerbs der sächsischen Kurwürde und damit auch der Burggrafschaft Magdeburg durch die Wettiner) beruht, geben eine klare Vorstellung von den vielerlei Berührungspunkten, die beide Territorien miteinander im Laufe der Jahrhunderte gehabt haben, sei es, daß es sich um solche rein politischer (Streben nach dem Erwerb des Erzstifts), religiöser (Förderung der Reformation), kultureller oder wirtschaftlicher Natur handelt. Im übrigen möge noch darauf hingewiesen werden, daß Verfasser, der es ausgezeichnet verstanden hat, die großen Zusammenhänge aufzuzeigen, auch den wechselseitigen Beziehungen auf dem Gebiete der Kunst usw. nachgegangen ist, so daß das von ihm entworfene Bild ein in jeder Beziehung abgerundetes und vollständiges ist. -- Einem anderen Gedenktage, dem 700jährigen Stadtjubiläum Wernigerodes, verdanken 2 aufschlußreiche Arbeiten W. Großes über die Frühgeschichte der Grafschaft Wernigerode ( 752) und über die Geschichte der Stadt und Grafschaft Wernigerode im allgemeinen ( 208) ihre Entstehung. Was die erstgenannte Untersuchung betrifft, so verlegt Gr. mit guten Gründen den Ursprung des Klosters Drübeck im Gegensatz zur bisherigen Forschung, die als Gründungsjahr das J. 877 annahm, in die Zeit von 957 bis 960. Des weiteren untersucht Verfasser in einem 2. Kapitel scharfsinnig die Besitzentwicklung der seit dem 12. Jhd. auftretenden, aus der Hildesheimer Gegend


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stammenden Wernigeröder Grafen (ursprünglich Grafen von Haimar), von denen er überzeugend nachweist, daß sie die Rechtsnachfolger der Pfalzgrafen von Goseck »sowohl in dem Korveyischen Siedlungsgebiet wie in den dahinter liegenden Forsten bis jenseits des Brocken« geworden sind. Gegenüber der Behauptung (S. 17), daß die kirchlichen Rechte des Bistums Halberstadt in dem immunen Gebiet der Gosecker Pfalzgrafen anfangs ausgeschaltet gewesen seien, da der Halberstädter Bischof erst 1003 bzw. 1058 in den Besitz Ilsenburgs und Drübecks gelangt sei, ist zu betonen, daß durch den Erwerb der genannten Klöster nur der weltliche Besitz des Bistums eine Vermehrung erfuhr, aber keineswegs der Umfang der Diözese, des kirchlichen Amtssprengels, erweitert wurde. Im Gegensatz zu diesem Aufsatz, der sich lediglich mit einigen Problemen der Wernigeröder Frühgeschichte befaßt, bietet Gr. in seiner bereits oben erwähnten Geschichte der Stadt und Grafschaft Wernigerode einen allen Seiten historischen Geschehens gerecht werdenden Überblick. Diesem Überblick, dem ein Verzeichnis der zur Geschichte der Grafschaft Wernigerode erschienenen Bücher und Aufsätze vorangeschickt ist, läßt Verfasser dann eine alphabetisch angeordnete Zusammenstellung der Forst-, Flur- und Straßennamen folgen, für die er, abgesehen von der umfangreichen Literatur (Urkundenbücher usw.), vor allem ungedrucktes Material aus dem Fürstlichen Hauptarchiv, dem Stadtarchiv und dem Amtsgericht (Grund- und Hypothekenbücher) in Wernigerode herangezogen hat, eine mühe- und entsagungsvolle Arbeit, deren Ergebnisse jedoch nicht nur für die Lokalgeschichte, sondern darüber hinaus auch für die allgemeine Wissenschaft von großem Wert sind. Eine beigegebene Karte vom nördlichen Teil des Kreises Grafschaft Wernigerode sowie 48 Bildtafeln (Abbildungen von Landschaftsbildern) ergänzen vortrefflich den Inhalt des Buches. -- Den Verlauf der Revolution und Reaktion in Anhalt-Dessau und Anhalt- Cöthen schildert F. Engler ( 1002) in seiner auf eindringlichem Aktenstudium beruhenden Dissertation, deren Ausgangspunkt eine eingehende Darstellung der Zustände im vormärzlichen Anhalt bildet. Wenn auch die Ereignisse der J. 1848 und 1849 »nur Teilvorgänge der gesamten deutschen Bewegung jener Zeit waren, so erhielten sie doch durch den kleinstaatlichen Schauplatz und die besonderen anhaltischen Verhältnisse ihre eigene Note«. Obgleich sich an dieser Stelle ein näheres Eingehen auf den interessanten Inhalt verbietet, so soll doch wenigstens hervorgehoben werden, daß es dem Verfasser sehr gut gelungen ist, das Verhältnis und die Beziehungen der handelnden Persönlichkeiten wie von Morgensterns, von Goßlers, Habichts, Köppes usw. zur Verfassungsfrage und die Rolle, die der Magdeburger Präsident und Führer der preußischen Konservativen Ludwig von Gerlach in dem Verfassungskonflikt spielte, klar herauszuarbeiten.


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