VIII. Wirtschaftsgeschichte.

Ein Verzeichnis der Gesellen sämtlicher Frankfurter Zünfte von 1762, das auf Grund einer feuerpolizeilichen Maßregel von den einzelnen Zünften angefertigt worden ist, wird von Lerner ( 1603) nach allen erdenklichen Richtungen hin statistisch ausgewertet. Wir erhalten dadurch Aufschlüsse über die Zünfte selbst (Sammelzünfte, selbständige Zünfte), über die Verteilung der Gesellen auf die einzelnen Zünfte, die Größe der Betriebe, die Herkunft der Gesellen, von denen nur 15% aus Frankfurt selbst stammten, und über Umfang und Weite der Gesellenwanderungen. --Schmidmann ( 1613) möchte die Frage nach dem Nutzen beantworten, den die Réfugiés der Wirtschaft in Hessen-Kassel gebracht haben. Wie schon räumlich der Hauptteil der Arbeit durch eine Darstellung der allgemeinen Verhältnisse und der einzelnen Kolonien der Réfugiés eingenommen wird, so beruht m. E. auch ihr Hauptwert in dieser fleißigen, Akten und Literatur, sowie auch persönliche Beobachtungen an Ort und Stelle verwertenden Zusammenfassung. Über die wirtschaftliche Betätigung flossen die Quellen dürftiger, und so ist das Resultat kein klares, wenn Schm. schreibt: »Über den Nutzen, den die Einwanderung der Réfugiés Hessen-Kassel im einzelnen gebracht hat, kann man verschiedener Meinung sein. Ganz abstreiten läßt er sich nicht.« Der Verfasser weist übrigens darauf hin, daß Landgraf Karl die Hugenotten als erster deutscher Fürst, bereits ein halbes Jahr vor der Aufhebung des Edikts von Nantes, in sein Land berief. -- Über die Arbeit von Taut ( 1610) wird am besten nach ihrem vollständigen Erscheinen zu berichten sein. -- Die Würdigung, die Witzel ( 1611) Friedrich Karl von Moser als Finanz- und Wirtschaftspolitiker angedeihen läßt, zeigt ihn wie Justi als Vertreter des Polizeistaatsgedankens, der sich bei seiner Aufgabe, dem verschuldeten Hessen-Darmstadt gesicherte Finanzen zu verschaffen und die Produktionskraft des Landes zu heben, von den Gedankengängen seiner Zeit leiten ließ, der im einzelnen nachhaltige Verbesserungen in der Verwaltung, den Agrar- und Gewerbeverhältnissen schuf, den aber sein Übereifer und Bevormundungssystem zum Scheitern brachte. -- Mehr als in allen anderen Armenreformen aus dem Ende des 18. Jhds. kommt in der Neuordnung des Mainzer Armenwesens durch den aus Bremen gebürtigen Protestanten und Freimaurer Aug. Friedr. Rulffs die Verbindung mit der Wirtschaft zum Ausdruck. Von den Gedanken der Aufklärung geleitet, mit dem Ziel, die Armen durch Arbeit zu unterstützen, suchte, wie Rösch in einer Arbeit über die Mainzer Armenreform von 1786 zeigt ( 1604a), diese Reform die Fürsorge für die arbeitsfähigen Hausarmen durch die Beschäftigung in einer Arbeits fabrik zu verwirklichen. Hierfür waren merkantilistische Ideen von der Handelsbilanz mitbestimmend: man konnte z. B. hoffen, indem man auch verarmte Handwerker (Weber) mit heranzog, fertige Tuche im Lande selbst herzustellen. Auch sonst wies die Mainzer Reform Besonderheiten auf, wie eine Berücksichtigung von Anlage und Charakter bei der Arbeitszuweisung an Kinder. Mängel der Organisation und persönliche Verhältnisse ließen die Durchführung der Hauptgedanken der Reform nicht gelingen. -- Die Finanzgeschichte Waldeck-Pyrmonts, des zweitkleinsten der deutschen Staaten, ist bis ins zweite Drittel des vergangenen Jahrhunderts hinein die Geschichte seiner Finanznöte, deren Hauptursachen in der Übernahme


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bedeutender herrschaftlicher Schulden, in der ungenügenden Ausnutzung der Einnahmequellen und in einem viel zu großen Verwaltungsapparat zu sehen sind. Bing ( 1615) schildert mit gutem geschichtlichen und volkswirtschaftlichen Verständnis diese Zustände und Versuche, Hilfe zu schaffen, die schließlich zu dem Akzessionsvertrag mit Preußen von 1867 geführt haben, der Waldeck-Pyrmont in vollkommene Abhängigkeit von Preußen brachte, sich aber für Land und Fürsten günstig erwies: in Waldeck bezahlte man von 1867--1918 geringere Steuern als in Preußen. Nach dem Umsturz gehörte Waldecks Finanzwirtschaft eine Zeitlang zu den günstigsten aller Länder, da es sozusagen »vom Reiche lebte«, bis aus verfassungsrechtlichen Gründen 1926 die Kündigung des Akzessionsvertrags durch Preußen erfolgte. Jetzt mußte Waldeck -- Pyrmont war schon 1922 in Preußen aufgegangen -- Anschluß an Preußen suchen, da seine eigene Leistungsfähigkeit nicht zur Unterhaltung der staatlichen Einrichtungen hinreichte. Die Einverleibung erfolgte am 1. 4. 1929. Schwierig war die Frage nach dem Verbleib des Domanialvermögens, das dann als Sondervermögen auf einen Gemeindezweckverband überging. Die Vermögensauseinandersetzung zwischen Waldeck und Preußen und die Organisation des Zweckverbands sind von Bing ausführlich dargestellt, wodurch das Buch in Hinsicht auf etwa eintretende ähnliche Fälle eine gewisse praktische Bedeutung erhält.


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