IV. Kirchengeschichte.Die teils abgeschlossene, teils
unmittelbar bevorstehende Herausgabe der so lange entbehrten Schlußbände der politischen Korrespondenz der
Stadt Straßburg, eines der rühmlichsten Denkmäler deutschen Gelehrtenfleißes im Elsaß, hat
zu mehreren kleinen Arbeiten über die Straßburger Reformationsgeschichte Veranlassung gegeben. Der
Herausgeber des vierten, die Zeit von 1546 bis 1549 umfassenden Bandes, H. Gerber untersucht (
814) die Haltung Jakob Sturms beim Augsburger Reichstag von 1547 bis 1548 und
bietet damit einen neuen dankenswerten Beitrag zu der Gesamtwürdigung Sturms, die uns immer noch fehlt. Sturm war
auf diesem Reichstag wie seit langem der erklärte Führer der protestantischen Städte und zugleich der
einzige, der von Anfang bis zu Ende sowohl in der Frage des Konzils wie später der einstweiligen Regelung der
Religionsverhältnisse durch das Interim eine klare und feste Politik mit Folgerichtigkeit durchführte. Durch
das Interim wurde Straßburg genötigt, das Münster und die beiden Peterskirchen den Katholiken zu
überlassen. Auf welche Schwierigkeiten die katholische Geistlichkeit bei der Wiederaufnahme des Gottesdienstes
stieß, ist aus dem Bericht einer Wiener Handschrift zu ersehen, den Scherer (
1922) veröffentlicht hat. Friedensburg (
815) schildert den jahrelangen Kampf, den die Stadt um die Wiederherstellung
des früheren Zustandes führte. Daß der Religionsfriede 1555 auf Kosten der evangelischen Städte
geschlossen und der Interimszustand für diese dadurch verewigt wurde, konnte der Straßburger Vertreter Gremp
nicht verhindern; er mußte sich damit begnügen, als einziger gegen den Reichsabschied zu protestieren,
wodurch es der Stadt ermöglicht wurde, vier Jahre später durch Vertrag mit dem Bischof doch wieder den
katholischen Gottesdienst aus ihren Mauern auszuschließen. Welche Stellung die Stadt im gleichen Zeitraum zur
Konzilsfrage einnahm, schildert ebenfalls Friedensburg (
814); Straßburg unter geistiger Leitung Sturms war die einzige Stadt,
die mit Tatkraft das Ziel verfolgte, für das Konzil eine Art evangelischer Einheitsfront zustandezubringen. F.
verfolgt an Hand der Akten, wie dieser Gedanke in langwierigen Verhandlungen mit Württemberg und Sachsen
schließlich doch nur sehr unvollkommen verwirklicht werden konnte. -- Der 1. Bd. der von Kaiser
herausgegebenen Visitationsprotokolle des Archidiakonates Longuyon ist bereits ausführlich gewürdigt worden
(vgl. Jberr. 1928, S. 483), so daß auf den im Berichtsjahr erschienenen 2. Bd. (
1817) nur kurz hingewiesen zu werden braucht. Er umfaßt die sog.
deutschen Dekanate Luxemburg, Arlon und Mersch. Die Mißstände sind hier im wesentlichen die gleichen wie in
den französischen Dekanaten, und unter Anwendung der nötigen kritischen Vorsicht
S.527 läßt sich doch auch hier zweifelsfrei der Schluß auf einen beträchtlichen Tiefstand des kirchlichen Lebens ziehen. Außer für das speziell Kirchliche bietet auch dieser 2. Bd. wertvolles Material zur Geschichte der Volksbräuche, des Aberglaubens usw., so daß man sehr bedauern muß, daß der Herausgeber dem Orts- und Personenregister nicht noch ein Sachregister beigefügt hat, das alle diese Dinge dem Benutzer mühelos hätte erschließen können. -- Einen inhaltreichen Beitrag zur Kirchen- und Kulturgeschichte des Elsaß liefert Barth ( 1721) mit seiner Geschichte des Kollegiatstiftes St. Leonhard (bei Oberehnheim), einer 1109 gegründeten Benediktinerabtei, die nach hundertjährigem Bestehen schon so herabgekommen war, daß sie dem Straßburger Dompropst unterstellt und in ein Chorherrenstift umgewandelt werden mußte, das bis zur Französischen Revolution seinen Bestand hatte. Die äußere Geschichte, deren wichtigste Etappen durch den Bauernkrieg, den bischöflichen Krieg von 1592 und den Dreißigjährigen Krieg gekennzeichnet werden, war wenigstens in den Grundzügen bekannt; wesentlich neu ist dagegen, was Barth aus dem zerstreuten und von ihm zum erstenmal vollständig zusammengebrachten archivalischen Material über die Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse, die Stiftsverfassung und die Personalien sowie das religiöse Leben zutage gefördert hat. Durch diese fleißigen und ergiebigen Zusammenstellungen erhält seine Arbeit auch für die allgemeine elsässische Geschichte einen Wert, der über das engbegrenzte Thema weit hinausweist. -- Zur katholischen Kirchengeschichte des 19. Jhds. ist der Aufsatz von Paulin ( 1816) zu nennen, der über die Beziehungen des Straßburger Bischofs Räß zu dem Publizisten J. B. v. Pfeilschifter Aufschluß gibt. Neben dem allgemeinen Interesse an dem aufblühenden katholischen Geistesleben und an seiner Befruchtung durch den französischen Katholizismus verband beide Männer auch die Gegnerschaft gegen den Mainzer Bischof Vitus Burg. Die veröffentlichten Briefe betreffen vornehmlich die persönlichen und literarischen Verhältnisse Pfeilschifters. |
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