B. Pfalz und Franken

Die Auslese wichtiger Arbeiten aus dem Gebiete der Vergangenheit dieser Provinz, die mittelbare oder unmittelbare Ergebnisse für die allgemeine Geschichte bieten, ist nicht umfangreich. Inwieweit die vielfachen Hemmungen in


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den Besatzungsjahren auch hier ursächlich mitgewirkt haben können, soll außer Ansatz bleiben. Ohnehin finden umfänglichere oder wissenschaftlich unterbaute Forschungen über Pfälzer Geschichte durch die Zerstreuung der archivalischen Unterlagen mannigfache Erschwerungen. Wie das ehemals kurpfälzische Archiv heute in Darmstadt, Karlsruhe, Koblenz, München, Speyer verteilt ist, so zeigen auch die Archive der anderen weltlichen ehemaligen Herrschaften in der Pfalz eine gleiche Zersplitterung oder Abwanderung. Die landläufige Annahme, daß diese Archive den verschiedentlichen Kriegen zum Opfer fielen, deren Walze im 17. und 18. Jhd. den Rhein entlang rollte, ist jedoch nur zum Teile berechtigt; sie sind alle, wie Glasschröder ( 65) in eingehenden Nachforschungen über die bedeutenderen feststellt, gleich anderswo nicht so sehr vernichtet, wie zerstreut. Darunter zählt auch die zentrale geistliche Güterverwaltung des ehemaligen Kloster- und Stiftsgutes der Kurpfalz; die Archive der Kirchschaffneien, der früheren Verwaltungsbezirke kirchlicher Güter in der Süd- und West- besonders der zweibrückischen Pfalz, über welche Biundo ( 65) Aufschluß gibt, enthalten gleichfalls ansehnliche Reste. Ihre nicht zweckentsprechende Unterbringung, meistenteils in Pfarrhäusern, veranlaßt den Verfasser die Errichtung eines unter geistlicher Oberhoheit stehenden landeskirchlichen Archives der Pfalz zu befürworten. -- Mehr äußerliche denn innere Entwicklungsgeschichte des Speyerer Generalvikariats im 18. Jhd. bietet Wetterer ( 1818). Die Behauptung, daß die Verwüstung der Stadt und eines Großteils des Stiftes im J. 1689 auch die geistliche Verwaltung vernichtet habe, dürfte nicht wörtlich zu nehmen sein. Willkommen sind die Notizen zur Lebensgeschichte der Männer, die dem Vikariat im Laufe des Jhds. angehört haben. -- Die von den bedeutendsten pfälzischen Bildungsgesellschaften gemeinsam herausgegebene Zeitschrift: »Pfälzisches Museum, Pfälzische Heimatkunde« enthält gediegene Aufsätze zu den verschiedenartigsten Teilen pfälzischer Heimat- und Volkskunde der Vergangenheit und Gegenwart. Besonders wertvoll ist der laufende Nachweis neuer heimatkundlicher Literatur, zumal sie die Erscheinungen in Zeitungen und Zeitschriften heranzieht; ein Sonderheft ist anläßlich der Gedenkfeier des Reichstages zu Speyer 1529 erschienen.

Die jetzt herrschende, wenn auch nicht unwidersprochene Ansicht besagt, daß die ältesten Burggrafen zu Nürnberg, soweit sie bekannt sind, bis etwa 1190 dem Grafengeschlechte von Raabs in Niederösterreich angehört haben. Spielberg ( 307) prüft die hierfür als Beweis geltenden Chroniken und die bisherige Auslegung der darin in Betracht kommenden Stellen an Hand anderweitiger Überlieferungen. Er gelangt zu dem neuen Schlusse, daß der bezeugte Burggraf Konrad II., 1163--1190, der dem Babenbergischen Zweiggeschlechte der Grafen von Raabs entstammte, Schwiegersohn seines Vorgängers in Nürnberg, Gottfried, gewesen ist. Dieser gehörte aber nicht zu dem Abenberger, sondern dem Hause Rietfeld (= Neustadt a. d. Aisch), das wiederum in verwandtschaftlichen Beziehungen zu den benachbarten Grafen von Höchstadt gestanden haben möchte. -- Im ganzen entspricht die Entwicklung des Urkundenwesens der Bamberger Bischöfe im 13. Jhd. dem allgemeinen Streben des erstehenden Landesfürstentums zur Machtzusammenfassung, die sich auch in der allmählichen Herausbildung einheitlicher Kanzleiorganisationen unter gleichzeitiger Entwicklung einfacherer und gleichförmiger Urkundenformen zeigt. So lautet das Ergebnis, das Schöffel ( 278) aus der diplomatischen Untersuchung von 334 Urkunden


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findet, indem er neben Schrift- und Diktatvergleich die »stilkritische« Methode anwendet. Nach der Anlage der Arbeit scheidet neben diesem verwaltungsgeschichtlichen Ergebnis die andere Frage aber aus, inwieweit die festgestellten Notare, die zum Schlusse fast den ganzen Auslauf entworfen und zusammen mit wenigen Schreibern ins Reine geschrieben haben, auf die bischöfliche Politik Einfluß nahmen. -- Das Münzwesen der hohenzollerischen Gebiete in Franken, über dessen erste Bearbeitung 1927, S. 586 gesprochen wurde, findet in seiner Fortsetzung von Frhr. von Schrötter ( 354) an anderer Stelle entsprechende Würdigung. -- Die Versetzung des früheren Großherzogs von Toscana, zuletzt Kurfürsten von Salzburg, Erzherzogs Ferdinand, auf das Bayern im Tauschwege abgenommene Kurfürstentum, spätere Großherzogtum Würzburg durch den Preßburger Frieden geht vermutlich auf Napoleons eigenen Gedanken zurück: dieses Entschädigungsland hatte gar keine Beziehungen zum Hause Österreich gehabt, lag fern von Habsburger Landen und so dem unmittelbaren Einfluß Kaiser Franz, des Bruders von Ferdinand, entrückt. Infolge einer nicht unstreitigen Stelle des Friedens und eines diplomatischen Fehlers Talleyrands nimmt aber dieser durch einen Gesandten und österreichische Truppen ohne Wissen des neuen Herrn das Land in des Kurfürsten und eignem Namen in Besitz. Die staatspolitische Absicht Napoleons, der Österreich ganz aus Deutschland hinausgedrängt hatte und Ferdinand in völlige Abhängigkeit von Paris bringen wollte, wurde, wie Chroust ( 950) aus bisher unverwerteten in- und ausländischen Akten nachweist, durch die Erlangung dieses wertvollen Beobachtungspostens in Mitte des französischen Einflußgebietes in Deutschland von Österreich durchkreuzt. Die staatsrechtliche Folge: Stellung Würzburgs als österreichisches Secundogenitur- und Erbland kommt trotz des steten Bestrebens der großherzoglichen Regierung, unabhängige Politik zu treiben, später bei der Wiederabtretung an Bayern zum offenen Ausdruck: sie wird ganz vom Kaiser beschlossen und durchgeführt.

Stadtgeschichte. Würzburg. Nicht vom Blickpunkte der allgemeinen Entwicklung betrachtet Sedlmaier ( 407) den geschichtlichen Aufbau des Würzburger Stadtbildes, sondern als Einzelgebiet verkehrsgeschichtlich und in der Absicht den »in einer Welt ganz geringer Verkehrsgeschwindigkeiten gewachsenen Organismus der Altstadt«, die geschichtliche Eigenart des Würzburger Stadtgrundrisses als ruhende Talkesselsiedlung mit wenigen richtunggebenden Durchgangslinien aufzuzeigen und in Gegensatz zu stellen zu den stets wachsenden Erfordernissen jetztzeitlicher Verkehrsbedürfnisse.

Nürnberg. Der Frage: warum hat Nürnberg andere ältere Städte überflügelt? sucht v. Strampf ( 406) eine Lösung zu finden durch geographische Betrachtung der Stadtentwicklung und ebensolche Beleuchtung der Forschungsergebnisse über ihre Vergangenheit. Die Arbeit, die oft nur die Probleme aufzeigt und ausgewählte geschichtliche Einzeltatsachen aneinanderreiht, ohne ihre organischen Zusammenhänge genauer zu untersuchen, kommt zu dem Ergebnis, daß günstige geschichtliche Ereignisse und vorteilhafte Lage in engster Vereinung den Aufschwung der Stadt und seine einseitige Wegrichtung auf Handel und Handwerk verursacht haben. -- Aus einem im Staatsarchiv Nürnberg lagernden Funde von 53 Briefen aus dem J. 1444, Schreiben von deutschen Kaufleuten auf Reisen im östlichen Deutschland und Polen, beweist Korzendorfer ( 1529), daß trotz ausgedehnter Geschäftsbeziehungen zu damaliger


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Zeit der briefliche Nachrichtenverkehr keine planmäßige, sichere oder schnelle Beförderungsmöglichkeit gekannt hat. -- Anschaulichen Einblick in die städtische Verwaltung geben die Einlauf- und die Supplikenregister Nürnbergs, deren ersterhaltene aus dem 15. Jhd. stammen. Weniger Kanzleibehelf als Gedächtnisstütze, besonders in politisch bewegten Zeiten, ermöglichen sie nach Gümbels Ausführungen ( 60) die umfänglichen Akteneinläufe zeitlich geordnet rasch zu überblicken. Ihre Bedeutung für die vielseitigen Formen der geschichtlichen Forschung ist, wie ein Teilabdruck derselben zeigt, umfassender als die der bekannten Abschriftbücher der ausgegangenen Schreiben oder der nicht alles behandelnden Ratsprotokolle. -- Die überragende Höhe des künstlerischen Gehaltes der Nürnberger Goldschmiedekunst hat ihren Weltruf begründet, ihre Goldschmiedeordnung war Vorbild für die Zünfte anderer, weit entlegener Städte. Und dennoch erfreuten sich die Nürnberger Goldschmiede nicht wie jene des Vollbesitzes der Zunftrechte. Nahmen sie auch gegenüber anderen Gewerben der Stadt ob der Zahl ihrer Mitglieder und ihrer Bedeutung für das Kunsthandwerk eine Mittelstellung zwischen selbständiger Zunft und unselbständiger Handwerksgemeinschaft ein, so beschränkte sich die Selbstverwaltung durch das »Goldschmiedeamt« lediglich auf die Leitung der inneren Angelegenheiten, nach außen hin vertrat sie wie alle anderen Zünfte in Nürnberg der Rat. Diese im deutschen Gewerbe einzigartige Stellung hinderte jedoch nicht, daß auch hier aus denselben Organisationsfehlern, wie bei allen geschlossenen Handwerken im Reiche auf eine Blütezeit im 16. Jhd. der Verfall in Auswirkung äußerer Ereignisse und ständiger Beschränkung der Zulassungsbedingungen neuer Meister einsetzte. Es ist Mutschelknauß gelungen ( 1498), in umfangreicher Darstellung die wirtschaftliche Entwicklung des Nürnberger Goldschmiedegewerbes, auch nach der technischen Seite hin, erschöpfend zu verfolgen. -- Mitte Juli bis Mitte August 1452 weilte der päpstliche Legat und Generalvikar der cisalpinen Franziskaner Johann Kapistran auf wiederholte dringende Einladung des Rates in Nürnberg. Wenn er auch auf offenem Markte in dieser Zeit mit großem Erfolge Bußpredigten hielt, so scheint mir doch, was in dem lediglich berichtenden, die inneren Zusammenhänge und Beweggründe übergehenden Aufsatze von Kist ( 1685) nicht genügend zum Ausdruck kommt, die vom Rate gewünschte Beilegung des Streites zwischen Nürnberg und dem Markgraf Albrecht von Brandenburg der Hauptgrund zur Einladung und die zugedachte Hauptaufgabe gewesen zu sein. Der Mißerfolg hinderte nicht, daß der Rat auch nach der Abreise weitere Beziehungen zu Kapistran hielt, wie aus den beigegebenen wichtigsten bisher ungedruckten Archivalien hervorgeht. --

Neben dieser einzigen Arbeit aus der Vorreformationszeit sind aus dem Gebiete der fränkischen Kirchengeschichte nur Arbeiten über die evangelische Kirche hier zu erwähnen. Denn auch der Ausschnitt aus den langjährigen Religionszwisten im Pegnitzer Bezirk, den Bauer ( 1808) bietet, ist hierher zu zählen. Je nach der größeren Machtfülle in diesem Dreiländerzipfel -- Bamberg-Brandenburg und Oberpfalz -- gewann schließlich die alte oder die neue Lehre endgültig die Oberhand. -- Im Rahmen der Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte liegt die Inventarisation der Pfarrarchive Frankens; die der katholischen Pfarreien in der Diözese Würzburg sind 1914 von Amrhein herausgegeben, 1918 folgte Buchner mit denen der Diözese Eichstätt, als ersten Band der evangelischen Pfarreien hat nun Schorn-


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baum ( 63) unter Mithilfe anderer das ehemalige mittelfränkische Konsistorium Ansbach inventarisiert. Der Geschichtsforschung Frankens wird der umfängliche Band unentbehrliche Hilfsdienste leisten, nicht nur die Kirchengeschichte, auch die Familienforschung, Wirtschafts- und Kulturgeschichte finden hier hocherwünschte Quellen aufgezeichnet. Besonders begrüßenswert ist die mühsame Feststellung der ehemaligen Patrozinien und die Filialverhältnisse der Gotteshäuser. Daß die Literatur nur Buchveröffentlichungen berücksichtigt und Zeitschriften- wie Zeitungsliteratur ausschließt, ist bei aller Würdigung der vorgebrachten Gründe zu bedauern: eine kürzere Fassung der oft sehr ausgeweiteten Urkundenregesten hätte wohl den nötigen Raum hierfür finden lassen. Die ma.lichen Quellen sind verhältnismäßig in geringer Anzahl vorhanden. Nach dem Vorwort (S. VIII) sind diesmal im Gegensatz zu den vorhergehenden Bänden die Akten sämtlich -- wenn auch zum Teil nur nach ihren summarischen Aufschriften -- aufgenommen. Über die archivarischen Bedenken, die sich hauptsächlich gegen die ursprünglichen und jetzt noch gültigen Grundsätze dieser Inventarisation richten, bringt die ausführliche Besprechung von Fürst in der Ztschr. f. bayerische Landesgeschichte III, 3, S. 489 bis 492 entsprechenden Aufschluß. --Dorn ( 1909) datiert im Gegensatz zu den bisherigen Auffassungen die Einführung der Reformation in Erlangen erst von 1528 an. -- An einem kleinen, anderwärts wohl gleichen Beispiele zeigt Clauß ( 1903), daß die Widerstände vieler markgräflicher Pfarrer, die unter fremdherrschaftlichem Kirchenpatronat standen, gegen die für die Einführung der Reformation in Franken entscheidende Visitation von 1528 auf förmlicher Weisung der katholischen Kirchenpatrone gefußt haben. -- Ein Bild aus den inneren Kämpfen des jungen Protestantismus um einheitliche Lehrmeinung gibt Schornbaum ( 1904): im Markgrafentum Ansbach mußte die Konkordienformel ein zweites Mal zur Unterschrift in Umlauf gesetzt werden, da anders die melanchthonische Gesinnung eines Großteils der Geistlichkeit nicht auszuschalten war. --Dannenbauer ( 1911) setzt in der bisherigen Weise die Bemerkungen zur Geschichte der Nürnberger Landpfarreien und -geistlichen bis 1560 fort. (Siehe Jberr. 3, 558 u. 4, 498.)

Der Judenschaft von Sugenheim wird anläßlich der Einweihung ihrer Synagoge 1756 von der reichsritterschaftlichen Herrschaft als den Dorf- und Gerichtsherrn eine Verfassung verliehen. Nach Freudenthal ( 1978) gibt sie Aufklärung über den Aufbau der Kultusgemeinde sowie die bislang noch wenig erfaßten rechtlichen Verhältnisse zwischen einer Ortsherrschaft und ihrer Judenschaft.(H. Burkard.)


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