b) bis ca. 1500. Landogna

(Jberr. 1928, Nr. 611) schildert kurz die Regierung Johanns v. Böhmen und Karls IV. in Lucca und fügt einige auf diese Herrschaft bezügliche Urkunden bei. -- Endliche Klärung erfährt dank der neuen Quellenausgaben zur Geschichte Karls IV. das Bündnis zwischen Frankreich und Böhmen 1355/56, für dessen Erkenntnis bisher nur unzureichende Quellen vorlagen. Mendl ( 130) und Mendl-Quicke ( 766) ordnen nunmehr die gesicherten Urkunden organisch in die damalige böhmische und französische Politik ein, wobei festgestellt wird, daß zumindest formell der Bündnisantrag von Karl IV. ausging, daß das Bündnis erst im Mai 1356 abgeschlossen, von Karl zu Ende des Jahres ratifiziert wurde. Einen äußerst wichtigen Beitrag zur politischen Ideengeschichte liefert Urbánek ( 259), der eine Menge Zeugnisse zur Geschichte jener Auffassung beibringt, die von der Auserwähltheit des tschechischen Volkes ausgeht. Böhmen, das allerchristlichste Land, diese Vorstellung, verstärkt durch den politischen Aufstieg, beherrscht die Zeit nach Karl und war für die Hussitenzeit wesentlich. Böhmen hatte damit Gedanken bereits im MA. geprägt, die in Rußland und Polen erst im 19. Jhd. zu treibenden Kräften wurden. --Rynešová ( 113) weist mit ihrem Brief- und Urkundenbuch Ulrichs von Rosenberg einen Weg, die durch die Hussitenzeit geschaffenen Quellenlücken wenigstens einigermaßen zu füllen. Dieser Rosenberg erlebte die Zeit der Hussitenunruhen von Wenzel bis Podiebrad tätig mit und ist überdies ein Hauptrepräsentant des böhmischen Herrenstandes. R. entwirft einleitend in wenigen Strichen ein Bild der Tätigkeit Ulrichs, hebt dabei vor allem seine große Fälschertätigkeit hervor, die wohl schon bekannt, aber noch lange nicht in allen ihren Zweigen erfaßt sei. Die Ausgabe darf als wohlgelungen bezeichnet


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werden. Mit Sigmund verkehrt der Rosenberger bezeichnenderweise nur tschechisch, ebenso mit Landeseinwohnern, mit Auswärtigen deutsch. Für die Schreibung der Ortsnamen gelten die gleichen Bemerkungen, die oben zu den Editionen Hrubýs und Mendls gemacht werden mußten. -- War schon Rynešová gezwungen, das Material aus entlegenen Orten zusammenzusuchen, so nahm ein Gleiches Prokeš ( 185) auf sich, der wie einst Palacký und Dudík das Vatikanische Archiv nach Husitica durchsuchte. Er legt nunmehr ein systematisches Verzeichnis sämtlicher Handschriften, versehen mit allen notwendigen wissenschaftlichen Hinweisen, vor. --Novotný ( 147) verteidigt für die »Kronika vělmi pěkná o Janovi Zižkovi« als Entstehungszeit die vor 1437, während sie Pekař in den Beginn des 16. Jhds. verlegt. -- P. Diels teilt ein überaus schlecht überliefertes »Hussitenlied auf König Sigismund« (Archiv f. slav. Philogie 1928, S. 97--108) mit. -- Für Seminarübungszwecke liefert Pekař ( 176) einen wichtigen Behelf durch die Sammlung aller auf die Schlacht bei Kuttenberg und Deutschbrod 1421 bezüglichen Quellen.

Die Beiträge zur Geschichte der hussitischen Bewegung teilen sich zwischen politische und Kirchengeschichte. Dieser wurde ein erheblicher Teil der vorhandenen Sonderarbeiten im vorliegenden Berichte einverleibt. Zurück bleibt auch im politischen Teile genug Ideengeschichte. Schon daß Bartoš ( 2) bis auf Marsilius v. Padua zurückgreift und die Nachwirkungen seines bedeutendsten Werkes, des Defensor pacis in der hussitischen Literatur verfolgt, spricht dafür. B. will die Frage nur anregen, nicht lösen. -- Die erste große Etappe in der hussitischen Bewegung wird durch das Kuttenberger Dekret bezeichnet. In die Atmosphäre, die allein seine Entstehung erklärlich macht, führt Bartoš ( 5) ein. Es glückt ihm, den ausbrechenden Gegensatz zwischen Hus und dem Prager Erzbischof Zbyněk mit Hilfe einer neuen Quelle aus der Bibliothek der Fürsten von Ottingen-Wallerstein scharf zu beleuchten. Es handelt sich um den Prozeß des Stanislaus von Znaim, angestrengt bei der Kurie durch den deutschen Meistermann wegen der Remanenzlehre. --Pekař ( 168) läßt dem ersten Aufsehen erregenden Bande über Žižka (s. Jberr. I, 651 f.) einen nicht weniger belangreichen zweiten folgen. Diesmal bemüht er sich, genügend sichere Tatsachen über Žižkas Lebensweg zu schaffen. Aus den äußerst dürftigen Quellenstellen zu Žižkas Jugend erhellt das eine mit Sicherheit, daß Žižka ein armer Edelmann aus Südböhmen war. Žižkas Standesgenossen verloren ihre wirtschaftliche Stellung schon in der vorhussitischen Zeit an das Bürgertum, so daß sie sich einem wüsten Wegelagerer- und Räuberleben hingaben. Daran beteiligte sich auch Žižka. P. hält es für sicher, daß zwischen jener Raub- und Plünderzeit um 1400 und den späteren Aufständen in Tabor ein bestimmter Zusammenhang besteht. Denn Kleinkrieg wurde allein von Žižka betrieben. Pekař läßt dann alle die Quellen vorüberziehen, die während des nächsten Jahrhunderts über Žižka etwas berichten. Žižka erscheint als außergewöhnlicher Mensch, den einen wegen seiner sittlichen Werte, den andern wegen seiner Grausamkeit. Aus den nur 5 wirklich von Žižka herrührenden Briefen erhellt, daß sich Žižka als Gottesstreiter betrachtete, im Namen des Gesetzes der Rache einen Racheplan entwarf, der mit der Zerstörung ganz Böhmens als gottgefälligem Werke bestimmt rechnete. Chiliastische Gedankengänge mischten sich ein. Daneben, wenngleich in zweiter Linie, kommt das nationaltschechische Programm zum Ausdruck. »Nicht der Kelch, den Žižka als Zeichen auf seinem Siegel führte, war das richtige


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Zeichen für ihn, sondern allein das Schwert, das allein voll den Gedanken Žižkas ausdrückte und auch Žižkas geschichtliche Rolle ausmachte.« -- Wie weit dieses von Pekař gezeichnete Bild Žižkas von dem »offiziellen« in der tschechischen Geschichtsschreibung abweicht, mag aus Holýs ( 62) Arbeit ersehen werden, der als Militär Žižkas Kriegszüge bewertet. Nach H. darf man Žižka, wenn auch nicht nach seiner »historischen Bedeutung«, so doch »nach seiner genialen Begabung« würdig einem Alexander d. Gr., Cäsar oder Napoleon an die Seite stellen! -- In einer Detailfrage haben sich zu gleicher Zeit drei Forscher gemeldet, Pekař ( 161), Prokeš ( 188) und Bartoš ( 4). Es handelt sich um die Taboritenmanifeste von 1430/31. -- Daß in dem von der tschechischen Geschichtsforschung schon vielfach ausgebeuteten Vatikanischen Archiv noch ein reiches Material zur Hussitengeschichten ruht, deutet Jenšovský ( 78) mit dem Hinweise auf die bei der Kurie von Einwohnern der durch die Hussiten verwüsteten Gebiete eingebrachten Suppliken an. --Urbánek ( 258) hat bereits in der von Novotný herausgegebenen Böhmischen Geschichte zwei starke Bände über die Podiebradsche Zeit vorgelegt, kehrte dann aber in überaus aufschlußreichen Einzelarbeiten (»Das Ende des Ladislaus Postumus« 1924, »Die Wahl Georgs von Podiebrad« 1926) zum gleichen Thema zurück. Hier setzt er nunmehr in zwei eingehenden und ergebnisreichen Studien fort. Die erste Studie gilt der Zeit der Verweserschaft Podiebrads, dem es um die Neuordnung des böhmischen Staates und die Regelung der kirchlichen Fragen ging. In einem zweiten großen Kapitel verbreitet sich U. über die religiöse Einstellung Georgs. Ebenfalls eingehend schildert U. Georgs Schwanken nach der Wahl bis zu seiner schließlichen Anerkennung. Für die Nebenländer der böhmischen Krone, vor allem für Schlesien, erfließen viele neue Erkenntnisse. -- H. Reutter: Znaim und König Georg Podiebrad (Ztschr. f. Gesch. Mähr. u. Schles. 30 [1928], S. 173--187), zeigt an einem instruktiven Beispiel, in welche Zweifel die böhmischen Nebenländer durch die verwirrenden Vorgänge in Prag gebracht wurden. --Macůrek ( 117) veröffentlicht ein Kapitel aus einer größeren Arbeit über die Teilnahme von böhmischen Söldnern an den polnischen Heereszügen.


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