I. Geschichte und Gesamtheit der Urkundenlehre.

Engel ( 284) bespricht einen mit Hilfe von Urkunden ausgefochtenen Streit des 16. Jhds. um Gericht und Schloß Kreyenberg in Thüringen. Einen Versuch des Freiherrn vom Stein, den Apparat Gatterers für Preußen zu erwerben, behandelt Dammann ( 258). Dabei ergeben sich auch Einblicke in die Entstehung jener Sammlungen. Zatschek ( 257) berichtet, teilweise sehr eingehend, über die das Gebiet der Urkundenlehre berührenden Veröffentlichungen der J. 1925--27. Die Nützlichkeit sachlich und gründlich gearbeiteter Sammelberichte dieser Art steht außer Zweifel, zumal unsere Zeit die erschöpfende Kenntnisnahme des Fachschrifttums vielfach erschwert.

Girys Manuel de diplomatique, das 1925 in unveränderter Gestalt neu aufgelegt wurde (Jberr. 1, S. 162 f.), ist veraltet, und eine dem heutigen Stand unseres Wissens entsprechende Darstellung des französischen sowie des päpstlichen Urkundenwesens mangelt. Um so erfreulicher ist es, daß jetzt de Boüard ( 261) den ersten Band eines umfangreichen Manuel de diplomatique française et pontificale erscheinen läßt. Dieser Band enthält den allgemeinen Teil der Urkundenlehre. Er behandelt in der Einleitung Wesen, Geschichte und Grundbegriffe dieser Wissenschaft, im ersten Buch Entstehung und Überlieferung der Urkunden, im zweiten Buch aber deren Form und Inhalt, Urkundenteile und Urkundenarten sowie die Beglaubigungsmittel bei urkundlichen Schriftstücken. Im einzelnen werden gewiß den Ausführungen des Verfassers gegenüber da und dort Vorbehalte gemacht und Zweifel erhoben werden dürfen, ob stets der augenblickliche Stand der Forschung durchaus richtig gekennzeichnet sei. Darüber darf jedoch die Bedeutung der Leistung nicht unterschätzt werden. Ebensowenig die hohe Verdienstlichkeit des Versuches an sich, ein den Ansprüchen unserer Zeit genügendes französisches Handbuch der Urkundenlehre zu schaffen. Auf Einzelheiten einzugehen, mangelt hier der Raum. Es sei nur darauf hingewiesen,


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daß de Boüard mit der engen Verbindung zwischen der Urkundenlehre und den andern Hilfswissenschaften gebrochen hat, daß er seine Erörterungen nicht mit dem Ende des MA. abbricht und daß es erstaunlich ist, in wie weitgehendem Maß er auch das neuste deutsche Schrifttum herangezogen hat. Der Wert des Buches erhöht sich durch ein Schriften- und ein Sachverzeichnis, besonders aber durch 54 in eigener Mappe beigegebene Lichtdrucktafeln, deren von Erläuterungen begleitete Abbildungen vor allem die Entwicklung des hoch- und spätma.lichen, zum Teil auch des neuzeitlichen Urkundenwesens in Frankreich vor Augen führen. Man darf dem Erscheinen der folgenden Bände des Werkes mit um so größerem Interesse entgegensehen, als diese mit der eingehenden Darstellung des französischen und des päpstlichen Urkundenwesens gerade das für die Forschung Wichtigste bringen werden.


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