III. Siedlungsgeschichte.

Die Leitung der Deutschen Hefte für Volks- und Kulturbodenforschung, die ein Zusammenwirken verschiedener Fachwissenschaften zu gleicher Zielsetzung zu befördern strebt, hat Anregung zu methodischer Erörterung über siedlungsgeschichtliche Fragen gegeben. A. Helbok erklärt in einem Aufsatz ( 370) das Aufkommen dieser Forschungsrichtung aus geistigen Strömungen seit der Romantik und wissenschaftlichen Bewegungen der jüngst vergangenen Zeit: das Streben nach Massenbeobachtung, die Hinwendung zur kartographischen Methode sowie naturwissenschaftliche Neigungen, nunmehr auch die neu aufstrebende Volkskunde kamen diesem Aufschwung entgegen. Eine volle Systematik der einschlägigen Probleme gibt H. nicht; wohl aber geht er auf mehrere besonders wichtige ein, in mannigfacher Auseinandersetzung mit anderen Forschern (O. Schlüter, G. Wolff, Fr. Steinbach). Neben den neuen archäologischen Aufschlüssen (Fundkarten) und pflanzengeographischen Arbeiten ist die Ortsnamenforschung, wie H. mit Recht ausführt, bedeutungsvoll; ist auch die ethnographische Ausdeutung dieser Namen nicht zulässig, so bleiben sie doch für die Siedlungsgeschichte sehr wohl verwertbar, zumal wenn man sorgfältig zwischen Niederlassungstypen und Ausbautypen scheidet. Die beigefügten Kartenskizzen für den Raum vom Mittelrhein bis zum Plattensee sind dafür lehrreich. W. Uhlemann (ebd.) behandelt in klaren eindringenden Ausführungen, ausgehend von den Zusammenhängen zwischen Siedlungsgeschichte und Landschaftsforschung, unter den anzufassenden


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Aufgaben besonders das »ureigenste« Problem der Siedlungskunde: die Grundrißgestaltung der Siedlungen. Mit Recht wird dabei betont, daß die Bestimmung der Formentypen nicht nach rein geometrischen Grundbegriffen vorgenommen werden darf, sondern dem tieferen Zweck der menschlischen Ansiedlung angepaßt sein muß. Besondere Aufmerksamkeit wendet Verf. der Wiederbesiedlung des deutschen Ostens und der Erklärung typisch kolonialer Formen zu.

Zahlreich sind die Arbeiten, die sich eine Förderung von Einzelaufgaben der Siedlungskunde zum Ziel setzen. Auch hierbei seien nur diejenigen herausgegriffen, bei denen Ergebnisse von Bedeutung für den allgemeinen Forschungsstand deutscher Siedlungsgeschichte erzielt worden sind. Eine neue ansprechende Form der Darstellung hat H. Wopfner ( 377, die Fortsetzung erschien ebda., 1932) gewählt, indem er uns seine aus der Anschauung und gründlicher Urkundenkenntnis gewonnenen Beobachtungen auf einer siedlungs- und volkskundlichen Wanderung durch das Villgratener Tal und seine Nebentäler (in Nähe der Defereggen-Gruppe nördlich der oberen Drau) mitteilt. Hingestellt in die wundervolle Alpenlandschaft, sehen wir alles lebendig vor uns: die Lage und Art der Siedlung in den langen Tälern und auf den Hängen, im Siedlungskern und in den Nebensiedlungen, den sog. Obleien, die Entstehung der Urhöfe, ihre Teilungen und jüngeren Schicksale, die Gründung und Auflösung der Gemeinderschaften, die Wirtschaftsweise, den Bau und die Einrichtungen des Bauernhauses, vieles benannt mit volkstümlichen Ausdrücken, unter denen einige durch ihre ungewöhnliche Form die Aufmerksamkeit des Forschers auf sich ziehen. Man beachte besonders die beschriebenen und abgebildeten alten Pflüge (S. 253 ff.), darunter den »Radlpflug«, der eine neue Lösung des Rätsels finden lassen könnte, das uns die bekannte Beschreibung des sog. Räderpfluges aufgibt. Eine lebensvoll und anschaulich geschriebene Studie über die ländliche Siedlung im Schwarzwald hat R. Martiny ( 383) verfaßt. In lehrreicher Darlegung scheidet er die verschiedenen Siedelweisen. Am meisten herrscht die Siedlung nach Hofgütern vor, die als wesentlich großbäuerlich angesehen werden; teils sind sie regellos gelagert, von massiger Gestalt des Zubehörs, teils in kettenförmiger Folge mit streifig geregelter Flur (Einheitshufen). Daneben treten oft »Häusle« mit wenig Besitz auf. Bei Ortsverdichtung entstehen dann »Dörfle« von mehr gewerblichem Charakter. Dazu gibt es echte Dorfsiedlung mit zugehörigen Dorffluren, ferner »Schwarmsiedlungen« und bei völliger Auflockerung die eigentliche Streusiedlung, endlich manche Arten einer ausgeprägten Mischsiedlung. Die Verbreitung all dieser Siedelformen im Schwarzwaldbereich wird beschrieben, auch in einer Skizze dargestellt und aus den Bedingungen der Bodenbeschaffenheit und Momenten der zeitlichen Entstehung erklärt. Von ungewöhnlichem allgemeinem Wert ist eine Studie K. Ostermanns ( 406), die neue Aufschlüsse über die Siedelweise im nordwestdeutschen Raume bringt; sie untersucht die Besiedlung der mittleren oldenburgischen Geest und zeichnet sich durch glückliche Verbindung scharfer Naturbeobachtung und geschickter Verwertung geschichtlicher Quellen aus. Mit guten Gründen wird hier erneut die schon im Vordringen begriffene Überzeugung dargetan, daß Nordwestdeutschland bereits in vorgeschichtlichen Zeiten von Germanen bewohnt war. Die Keltentheorie der Siedlung in jenen Gegenden ist erledigt. Besondere Beachtung verdienen die Ausführungen über Flurtypen. Dabei findet die schon von Martiny vorgetragene Erkenntnis Bestätigung, daß die


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»Eschflur« älter ist als die »Kampflur«. Indes fehlte bisher eine ausreichende kartographische Klarlegung der »Eschfluren«. Hier wird nun wesentliches dafür geleistet. Dabei ergibt sich, daß nicht eine einfache streifige Gliederung des feldmäßig genutzten Landes für die Eschflur charakteristisch ist. Vielmehr bestehen darin sehr wohl mehrere Bodenabschnitte, die selbst wieder in streifenartige Besitzstücke zerlegt sind; d. h. auch diese Fluren können einen gewannartigen Charakter haben, ja der Verf. scheidet geradezu gewannartig aufgeteilte Esche von blockartigen Eschen, wie sie sich bei einstelligen Höfen im Besitz eines einzigen Vollerben finden. Damit wandelt sich die Einordnung der Eschfluren in das Gesamtsystem der Flurtypen Deutschlands, was für die Auffassung der Geschichte deutsch-germanischer Flurverfassung von grundlegender Bedeutung ist. Die sog. Kampfluren sind jünger, entstanden in der Gemeinheit durch Anweisung von Flächen zu Sondereigentum, von minderwertiger Bodengüte, in Formen, die durch das Gelände bestimmt sind. Als Dorfformen erscheinen das lockere Dorf der Eschsiedlungen, das daraus mehrfach hervorgegangene Haufendorf, die Streusiedlung der Einzelesche und Kampsiedlungen, dazu die Streusiedlungen des ganz jungen Kolonistendorfs, wie sie durch die behördliche Regelung im 19. Jhd. gegründet sind. Hingewiesen sei auch auf die Altersbestimmung der Plaggendüngung, spätestens seit dem 8. Jhd., sowie auf den Vorgang der Verkoppelungen.

Im Übergangsgebiet zum Osten ist die Arbeit von Anneliese Krenzlin ( 411) über die Kulturlandschaft des hannöverschen Wendlands belangreich. In besonnener Untersuchung wird darin auf die Entwicklung der Siedelräume sowie der typischen Siedelformen eingegangen, wobei landschaftliche Unterschiede in der niederen Geest, dem Lemgow und der Hohen Geest herausgestellt werden. Geschickt beschrieben ist der Rundling mit fächerförmigem Dorfraum; das Ackerland in der Flur liegt in Gemenge nach deutscher Hufenverfassung, ursprünglich mit Besitzzuweisung von Vollhufen; nur gering pflegt die Zahl der Kossäten zu sein. Beachtlich ist das Dasein von Erbschulzenland »Güsteneitz« (Gastland), woran mehrere Reiheleute des Dorfes mit kleinen Anteilen nach Hufenmaß beteiligt sind. Den Ursprung der Rundlinge führt Verf. auf die slawische Besiedlung zurück, wenn auch diese Siedelform noch unter deutscher Herrschaft zur Anwendung gekommen ist; die Beschreibung der Flurbesitzverhältnisse legt freilich den Schluß nahe, daß man, ohne das Dasein solcher Ortsform in slawischer Zeit in Abrede zu stellen, beim Aufbau der später vorhandenen Dorfgebilde den deutschen Einfluß kräftiger betonen muß. Die deutschen Kolonistendörfer werden als Reihendörfer bezeichnet; genau genommen kann dies nur für die eine behandelte Ortsform mit lockerer Aufreihung der Gehöfte gelten, während die andere Form als enggebaute lange Gasse oder Straße erscheint. Ausführlich wird die Entwicklung der Wirtschaftsformen behandelt und so das »agrargeographische Landschaftsbild« gezeigt, mit Beigabe einer großen Karte. Beachtlich ist das Eingehen auf die Besonderheiten des Hausbaues gegenüber dem gewöhnlichen niedersächsischen Typus. Übrigens wird festgestellt, daß die »Wendländer« zum niedersächsischen Volkstum gehören. Nur geringe Reste der drawäno-polabischen Sprache sind bis auf jüngere Jahrhunderte erhalten geblieben; nie ist sie Kirchensprache gewesen oder in Akten und Urkunden angewandt worden. U. Folkers ( 403) handelt über die deutsch-rechtlichen Siedlungsformen in Ostholstein (Wagrien) und dem Herzogtum


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Lauenburg, wofür eine ungewöhnlich gute Überlieferung an alten Flurkarten vorliegt. Dem Rundling schreibt er ein besonders hohes Alter zu, schon von vorgeschichtlichen Zeiten her, zumal da er dem Betrieb von Weidewirtschaft angepaßt ist. Doch wird die Form über die Zeit der slawischen Siedlung hinaus noch bei der ma.lichen deutschen Kolonisation gelegentlich angewandt. Jünger ist das Angerdorf, das bei Erschließung großer Waldungen bevorzugt wurde; es war das beliebteste Dorf bei Anlagen deutscher Kolonisation, kam aber auch bei Rodungsdörfern der Slawen in Zeiten der deutschen Herrschaft in Anwendung. Das nur selten auftretende breite, kurze Straßendorf wird den Slawen zugeschrieben; das schmale Straßendorf hingegen bezeichnet F. als deutsch-rechtliche Siedelform, Wald- und Marschhufendörfer fehlen. Eine sorgfältige Studie A. Sachtlebens über das östliche Harzvorland ( 413) bewegt sich in den Bahnen, die Schlüter in seiner Arbeit über das nordöstliche Thüringen gegangen ist und durch den Ausbau der Forschungen über das Landschaftsbild vor- und frühgeschichtlicher Zeiten erweitert hat. G. Reischel setzt seine Behandlung der Siedlungsgeschichte ostsaalischer Gebiete für die beiden Kreise Jerichow in der früher bewährten Methode fort ( 418). Beachtenswert ist die kleine Studie von O. Liebchen ( 419), in der gezeigt wird, daß die Flureinteilung von Kleinbesten und Großköris, wo W. Gley in seiner siedlungsgeschichtlichen Arbeit über die Mittelmark Brandenburg Spuren slawischen Agrarwesens hatte erkennen wollen, nach Ergebnissen archivalischer Untersuchung aus neuzeitlicher Umbildung zu erklären sei; L. wendet sich auch gegen die Auffassung, als ob das Einhufensystem ein Merkmal für slawische Bevölkerung sei. Eine sehr lehrreiche Arbeit wird J. Langer ( 415) verdankt. Es ist ihm gelungen, die im Erzgebirge und seinem Vorland auftretenden Orts- und Flurformen wesentlich mannigfaltiger zu kennzeichnen, als dies bisher geschehen war; namentlich werden Formen des Übergangs von den Bereichen der Altsiedlung zum deutschen Kolonisationsbereich und ebenso Formen der Nachkolonisation und des jüngeren Landesausbaus von den bisher bekannten gewöhnlichen Typen unterschieden. Dabei verbindet L. flurgeographische Beobachtung mit Durchforschung der geschichtlichen Quellen; der Versuch einer Unterscheidung verschiedener Hufenarten nach bestimmten Maßen (fränkisch, sächsisch nach der Ackerzahl) ist beachtenswert, bedarf jedoch der Nachprüfung aus umfassenderem geschichtlichem Vergleich. Ungewöhnlich reich ist der beigegebene kleine »Atlas« von Flurkartenbeispielen mit Kennzeichnung typischer Besitzverhältnisse. Die lebhafte Aufnahme siedlungsgeschichtlicher Arbeit in den Sudetenländern hat neue wertvolle Beiträge gezeitigt. Th. Mayer ( 425) gibt aus der Fülle seiner Kenntnisse und Beobachtungen einen programmatischen Überblick über die mannigfaltigen Aufgaben der Siedlungsgeschichte, die dort zu lösen sind, mit wertvollen Winken, wie die Arbeit in einem Zusammenwirken von verschiedenen Seiten her gefördert zu werden vermag. Dabei bezeichnet er die deutsche Kolonisation des Hochmittelalters als eine Angelegenheit von höchst politischer Bedeutung; besonders gilt ihm das Städtewesen als kulturelle Großtat der Deutschen. J. Pfitzner ( 429), schon durch gründliche Einzelforschungen zur Besiedlungs- und Verfassungsgeschichte bekannt, stellt in einem inhaltreichen Abriß die Siedlungsentwicklung in dem Grenzbereich Mährens und Böhmens gegen Schlesien hin dar, seit der vorgeschichtlichen Zeit mit näherem Eingehen auf die slawische Periode und die deutsche

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Kolonisation bis zum Ausgang des MA. Besonders wichtig sind die Ausführungen darüber, wie im Kolonisationszeitalter, vom 12.--14. Jhd., von beiden Seiten die Kräfte in den noch unbesiedelten Raum vordrangen, in einem Kampf der Landesfürsten für Leutegewinn und Steigerung des Bodenertrags; bei solchem Entgegenarbeiten sind immer neue Kolonisationswellen der Bewegung vorwärtsgetrieben worden. Auf eine negative Siedlungsperiode im 15. Jhd. folgte dann eine neue Siedlungswelle im 18., wie schon früher gezeigt war. Die Ergebnisse werden gut durch eine Karte mit zwei Deckblättern veranschaulicht. Die sorgfältige Arbeit W. Bernards ( 426) über das Waldhufendorf Schlesiens bestätigt im wesentlichen die über diesen Dorf- und Flurtyp geltende Anschauung in der gesamtdeutschen Siedlungsgeschichte; ihr besonderer Wert liegt in den Ausführungen über seine Verbreitung auf schlesischem Boden und den statistischen Mitteilungen zur Bevölkerungs- und Wirtschaftsgeschichte.

Wenden wir uns der Stadtsiedlung zu, so sei vorerst auf den Sammelbericht W. Uhlemanns ( 370) über die Stadtplanforschung hingewiesen. Es wird darin eine reich ausgeführte, zweckdienliche Übersicht mit guter Sachkenntnis und treffendem Urteil geboten. Mit Recht wird hervorgehoben, daß die Bestimmung der Grundrißform nicht Selbstzweck sein darf; auch die Stadtplanforschung dient mit der ihr eigenen Methode der volleren Erkenntnis des städtisch-bürgerlichen Wesens und muß stets als eine Grundlage zu wirtschaftlich-sozialer und politischer Strukturforschung betrieben werden. Im Anschluß daran sei E. Keysers Unternehmen zur Verzeichnung der ost- und westpreußischen Stadtpläne erwähnt ( 421), da ihm allgemeine Bedeutung zukommt, sowohl wegen der Berücksichtigung weiter Gebiete für den unmittelbaren Zweck, wie auch wegen des hier gebotenen Vorbildes, das anderwärts Nachahmung verdient.

In den Arbeiten zur Stadtsiedlungskunde hat sich eine bestimmte Methode herausgebildet, wobei die Erkenntnis der geographischen Bedingtheit und die Eigenarbeit mit historischer Problemstellung miteinander verbunden zu werden pflegen, um das Werden der städtischen Kulturlandschaft zu erklären. Ein recht gutes Beispiel bietet die Untersuchung H. Krügers ( 400) über Höxter und Corvey Nicht ein Regelfall wird hier dargestellt, die Entwicklung verläuft vielmehr mit ausgeprägter Besonderheit: aus dörflicher Siedlung (Höxter) ging ein Marktort hervor, der als umwallter Kern noch später erkennbar ist; dann folgte die Entstehung der Stadt, während eine Neugründung am kirchlichen Siedlungskern einging. Die Flußlage Höxters erwies sich als fördernd; bedeutsamer aber war der Fernverkehr für diesen Übergangsort an der Verbindung des westfälischen Hellweges nach dem Osten. Neuartig in Kr.s Arbeit ist die Behandlung des Stadtbildes, wobei die Gliederung nach dem Wirtschaftszweck, nach der Stockwerkshöhe und nach Bauperioden dargestellt wird, um mit einer Kennzeichnung der Stadtsilhouette zu schließen. P. J. Meiers Untersuchung über die Stadt Hildesheim ( 412) ist wesentlich historisch angelegt; unterschieden werden der straßenförmige ottonische Marktort (mit Hagenbefestigung), die als Straßensystem gebaute ummauerte Altstadt als kaufmännische Siedlung des 12. Jhds. und mehrere Einzelsiedlungen, besonders die Dammstädte und die jüngere Neustadt. Eine vergleichende kulturgeographische Betrachtung bietet F. Regel für mehrere hessische Städte ( 391) und ihr umliegendes Gebiet. Unter historisch-topographischem Gesichtspunkt ist Hädickes sorgfältige Arbeit über Kiel von seinen Anfängen bis zur Gegenwart abgefaßt ( 404).


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Endlich sei der Blick auf eine größere Monographie gelenkt, die an einem Beispiel des Auslandsdeutschtums in ungewöhnlich umfassender Weise siedlungskundliche Probleme aufwirft, besonders aber auf das Verhältnis von Siedlung zum Volkstum eingeht: Otto Albr. Isbert »Das südwestungarische Mittelgebirge. Bauernsiedlung und Deutschtum« (Langensalza: Beltz XI, 240 S., RM. 13,50 = Dt. Hefte f. Volks- u. Kulturbodenforschung, Abhandl. 1). Das Buch ist eine Leistung von hohem wissenschaftlichem Wert in methodischer wie sachlicher Hinsicht. Die Arbeit stellt sich eine Doppelaufgabe: die geographische Erkenntnis eines noch wenig bekannten Landschaftsgebiets zu fördern, ebenso aber auch ein Volksgebiet der Deutschen wissenschaftlich herauszuarbeiten und so einen Beitrag zur allgemeinen Deutschtumsforschung zu liefern. Es handelt sich um einen Raum in den Ofener Bergen, dem sog. Schildgebirge und Bakonyer Wald; die Aufgabe ist darum reizvoll, weil sich das Bakonyer Deutschtum mit erstaunlicher Widerstandskraft volklich noch unverändert erhalten hat. Eine Beschreibung des Landschaftscharakters wird vorausgeschickt; damit wird der Siedelraum in all seinen Lebensbedingungen klargestellt, auch mit Aussonderung der Teillandschaften. Die Siedlungen werden zunächst ohne Rücksicht auf die Volksgruppen behandelt. Art und Größe (nach der Einwohnerzahl) werden beschrieben: Städte und Märkte, Dörfer, kleinere Siedlungseinheiten (sog. Pußten). Es folgt eine Besprechung ihrer Lage; sodann wird auf die Verkehrseinheiten und die Verwaltungseinheiten (Komitat, Bezirk, Gemeinde) eingegangen. Im zweiten Hauptteil wendet sich Verf. den Fragen des Volkstums zu. Er schickt eine Erörterung über die Grundbegriffe Nation und Volk voraus. Bei der Nationszugehörigkeit kommt es auf bewußte Einordnung und lebendige Teilnahme an, die Nation bildet die geistig-kulturelle Grundlage des Staates. Volkszugehörigkeit läßt sich nicht willkürlich bestimmen, sie äußert sich als Erlebnis. Bei dem Ermittlungsverfahren, das I. zur Feststellung der Zustände einschlägt, wird betont, daß die Sprache noch nicht das ganze Volkstum ausmacht; aber sie bildet den Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung. Auf diese Erwägungen gründet sich eine Kritik der statistischen Aufnahmen und ihre Verwertung, wobei eine besondere Schwierigkeit darin besteht, die volkliche Reinheit der einzelnen Siedlungen genauer zu erfassen. Auch der sozialen Schichtung ist dabei sorgsame Aufmerksamkeit zu schenken. So werden nunmehr die Volksgruppengebiete für die Magyaren, die Deutschen, die Slowaken und Serben bestimmt, in ihrer Lagerung durcheinander und ihrem Verhältnis zu den Verwaltungsbezirken. Der dritte Teil schildert die Ansiedlungsvorgänge, mit reicher Verwendung bisher unbekannten geschichtlichen Quellenstoffs und beschafft damit neue Momente zur Erklärung des heutigen Siedlungsbildes. In diesem Zusammenhang werden auch die Siedlungsformen besprochen; im wesentlichen ergibt sich nur eine alte Siedelform von Bedeutung, in straßenförmiger Anlage, was bei der Art von Haus und Hof nicht anders möglich ist. Auf Grund all der vorangegangenen Ermittlungen gelingt es, die Hauptgebiete der Volksgruppen in ihrem äußeren und inneren Aufbau verständlich zu machen. Eine große Zahl von Karten, 10 Deckblätter über einer Grundkarte, mit Gelände, veranschaulichen in verschiedener Zeichnungsmethode gut die Ergebnisse der Schrift und verdienen Beachtung als vorbildlicher Versuch bei der kartographischen Darstellung von Sprachinseln.


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