I. Quellen.

Bayrische und Österreichische Annalen des 12. Jhds. enthalten vom Jahre 508 an einige Nachrichten über die Einwanderung und die Frühgeschichte der Bayern, Angaben, die man heute im allgemeinen als späte Erfindungen


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ansieht. Demgegenüber sucht der kürzlich einem arbeitsreichen Forscherleben entrissene Ernst Mayer ( 674) diese Nachrichten als alt und glaubwürdig zu erweisen in Ausführungen, die ebenso gelehrt wie von unsicheren Vermutungen zur weltlichen und kirchlichen Geschichte (so des Dreikapitelstreites) erfüllt sind; ihre Unhaltbarkeit hat jedoch H. Zeiß ( 686) sogleich gezeigt.

Krusch ( 667) erörtert die bekannte Angabe Gregors von Tours (Hist. II, 9), der Frankenkönig Chlogio habe seinen Sitz »apud Dispargum castrum« im Gebiet der (linksrheinischen) Thoringer gehabt. In diesen erkennt er mit Huschberg, Kurth und W. Schultze die Tungrer, deren Namen Gregor mißverstanden habe; in Dispargum vermutet er den entstellten Namen des aus Tacitus bekannten Asciburgium (heute Asberg bei Mörs), wobei mir aber fraglich erscheint, ob das Gebiet der Tungrer sich je so weit nach Osten erstreckt hat. Er verweist zum Vergleich auf andere Namenverwechslungen und auf zeitliche Unstimmigkeiten bei Gregor, so in der Bischofsliste von Tours; jedoch der 549 erwähnte Bischof Agrestius »ecclesiae Toron(n)icae« oder »Teronnicae«, den Gregor nicht nennt, läßt sich kaum gegen ihn geltend machen, da er 552 zu Paris nicht unter den Metropoliten, sondern unter den einfachen Bischöfen erscheint, und vielleicht hat Duchesne (Fastes II, 286 f., III, 115) darin mit Recht einen Bischof von Tournai vermutet.

Ein Zeitgenosse Gregors von Tours (um 590) war Bischof Eberigisil von Köln, den man später irrtümlich in das 5. Jhd. gesetzt hat, so daß schließlich ein legendärer Evergislus von dem geschichtlichen Bischof unterschieden wurde. Wie dies geschehen ist und wie dem vermeintlichen unmittelbaren Nachfolger des hl. Severin nach der Mitte des 11. Jhds. eine eigene Vita Evergisli gewidmet wurde, zeigt W. Levison ( 1610). Er weist die Quellen der Vita nach, die im wesentlichen ein Plagiat darstellt, und bespricht in diesem Zusammenhang auch die um 1000 in Köln verfaßte Passio Gereonis.

Mit dem Jahre 692 setzt das wertvolle Urkundenbuch ein, das Camillus Wampach seiner Geschichte des Klosters Echternach (Jberr. 1929, Nr. 199) hat folgen lassen (Geschichte der Grundherrschaft Echternach im Frühmittelalter I, 2: Quellenband, Luxemburg, Luxemburger Kunstdruckerei vorm. M. Huss, 1930, XVI u. 463 S., 5 Tafeln). Es erstreckt sich bis 1222 hinab, ist aber besonders reichhaltig für die Zeit der Karolinger, wenn die meisten Urkunden auch allein durch die Abschriften des Liber aureus Epternacensis vom Ende des 12. Jhds. erhalten und nur zum kleinen Teile in der Urschrift überliefert sind.

Eine bisher ins 9. Jhd. gesetzte grammatische Schrift hat P. Lehmann ( 464) Aldhelm von Sherborne zugewiesen. Er war damit der Wahrheit nähergekommen, aber doch nicht bis ans Ziel gedrungen; denn die Schrift gehört, wie unterdessen N. Fickermann (eb.) gezeigt hat, keinem Geringeren an als dem an Aldhelm geschulten hl. Bonifatius (s. jetzt Fickermann, NA. 50, 210--221; Lehmann, Hist. Vierteljahrschrift 27, 758--771). Mit Bonifatius' Briefen an und über König Äthelbald von Mercien, bei Tangl Nr. 69, 74, 75 und besonders 73 (der ganz übersetzt wird), beschäftigt sich Betten ( 1575) ohne erhebliche neue Ergebnisse; er hat dabei einen Nachtrag in Tangls Ausgabe S. 321 und seine Ausführungen im NA. 40 (1916), 715 ff. nicht berücksichtigt und dadurch einige Worte Wilhelms von Malmesbury versehentlich der Yorker Fassung von Brief 73 zugeschrieben.


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In den Kreis von Bonifatius führt auch eine schöne Entdeckung, mit der Bernh. Bischoff in den Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 49 (1931), 387 f. die Frage beantwortet hat: »Wer ist die Nonne von Heidenheim?« So bezeichnet man die bisher unbenannte Verfasserin der inhaltreichen Lebensbeschreibungen des 1. Bischofs von Eichstätt, Willibald, und seines Bruders Wynnebald. Bischoff fand nun in der Haupthandschrift (Clm. 1086) zwischen beiden Viten vier vor ihm unbeachtete Zeilen in Geheimschrift (die Vokale sind durch die Anfangsbuchstaben der ersten fünf Ordinalzahlen ersetzt); die Auflösung ergab eine Angelsächsin Hugeburc als Verfasserin.

Den Quellen zur Geschichte der Angelsächsischen Mission gilt auch eine Untersuchung von M. Lintzel ( 685) über die seit 1909 bekannte, für die altsächsische Verfassungsgeschichte so wichtige alte Vita Lebvini. Er setzt sie mit sehr zweifelhaften Gründen etwas später an als der letzte Herausgeber Hofmeister (s. Jberr. 3, 1927, S. 202), nicht 840/64, sondern 882/930; dafür findet er darin nicht nur glaubwürdige mündliche Überlieferungen aufgezeichnet, sondern sucht eine noch ältere Vita herauszuschälen, die bereits um 800 von einem Angelsachsen aus der Umgebung Lebvins niedergeschrieben worden sei. Das kann richtig sein, ist aber doch nicht eigentlich beweisbar, wie Hofmeister in einer Besprechung ( 685) hervorgehoben hat.

Seiner Entstehungsgeschichte der Libri Carolini (s. Jberr. 5, 1929, S. 204), der stolzen Streitschrift Karls des Großen gegen die Beschlüsse von Nicäa, läßt W. von den Steinen eine neue aufschlußreiche Untersuchung folgen ( 670). In der für Karl etwa 791/92 hergestellten und am Hofe durchkorrigierten Reinschrift, dem Vaticanus Lat. 7207, finden sich am Rande 80 Tironische Noten, meist Adverbien der Anerkennung; sie fehlen dort, wo der Text der Handschrift verbessert worden ist. Der Verf. geht diesen Noten, die Bastgen in seiner Ausgabe trotz der Untersuchung eines Teiles durch M. Tangl nicht berücksichtigt hat, umsichtig und eindringend nach und erkennt darin nicht nur Zeichen der Billigung, die der Wortlaut, soweit er nicht geändert wurde, bei der Verlesung am fränkischen Königshofe gefunden hat, sondern erweist sie auch so gut wie sicher als Ausdruck der Meinung Karls des Großen selbst. So ergibt die Untersuchung auch neue Beiträge zur Kenntnis von dessen Persönlichkeit (s. jetzt auch D. De Bruyne, Revue Bénédictine 44, 1932, S. 227--234).

Im 161. Heft von Lietzmanns »Kleinen Texten« hat H. Dannenbauer ( 669) die wesentlichen Quellen zur Geschichte von Karls Kaiserkrönung vereinigt, indem er bis zu den Anfängen Leos III. zurückgreift und auch die Wandlung der Vorstellungen vom Kaisertum im nächsten Jhd. berücksichtigt. Er hat damit ein nützliches Hilfsmittel für akademische Übungen geschaffen, das durch die Aufnahme von weniger leicht zugänglichen byzantinischen Texten auch manchem Forscher willkommen sein wird. Für eine Neuauflage haben Heldmann und Stach beachtenswerte Vorschläge gemacht.

Mehrmals ist die auffallende Tatsache erörtert worden, daß im 11. Jhd. Bonizo von Sutri das Kaisertum Karls verschweigt und Ludwig den Frommen als den ersten Kaiser aus fränkischem Geschlecht hinstellt. E. Perels ( 671) legt überzeugend dar, daß es sich dabei wirklich um Unwissenheit, nicht um Zwecklüge handelt, daß Bonizo auch mit solcher Unkenntnis nicht allein dasteht.


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Auf die Arbeit von M. Kössler ( 225) über die durch manche Unregelmäßigkeiten sich abhebende erste Urkunde Karls nach der Kaiserkrönung, das Diplom für Arezzo von 801, sowie auf die Besprechung von P. Kehr soll auch hier wenigstens hingewiesen werden. Die wahrscheinlich 810 in Mainz ausgestellte Urkunde des Abtes Beatus von Honau, die wegen der Unterfertigung durch sieben keltische Bischöfe in der Geschichte des Klosterepiskopats immer wieder genannt wird, hat auf Grund der älteren Drucke H. G. Voigt ( 1572) neu herausgegeben und erläutert (jetzt auch bei M. Stimming, Mainzer Urkundenbuch I, 1932, Nr. 111; vgl. ferner Hieron. Frank, Die Klosterbischöfe des Frankenreiches, 1932, S. 29 ff., 103 ff.). Eine Urkunde des Abtes Gozbald von Niederaltaich veröffentlicht Th. E. Mommsen ( 673) aufs neue mit überzeugender Untersuchung der eigenartigen Doppelüberlieferung; die Urkunde ist durch die eingehende Schilderung des Rechtsganges bemerkenswert wie auch durch den damals in Deutschland vereinzelten Fall der Teilinsertion eines Diploms Ludwigs des Deutschen von 841 (Nr. 30 der neuen Ausgabe von Kehr).

Die wenigen Aufzeichnungen des durch den Prädestinationsstreit so bekannten Mönches Gottschalk, die man bisher von ihm selbst besaß, sind durch einen überraschenden Fund von G. Morin erweitert worden, der in einer Berner Handschrift mehrere Traktate Gottschalks entdeckte; nach seinem vorläufigen Bericht ( 455), der auch einen frühen Beleg für den deutschen Volksnamen, der 'gens Teudisca', enthält (S. 309), darf man auf die angekündigte Ausgabe von C. Lambot gespannt sein.

Die Beziehungen des Byzantinischen zum Ostfränkischen Reiche betrifft ein Aufsatz von O. Meyer ( 672) über Inskriptionsformulare der Oströmischen Kanzlei im Zeremonienbuch des Konstantinos Porphyrogennetos. Er glaubt hier in dem ῾ϱήac;ξ von Sachsen, Bayern, Gallien und Germanien trotz der Verschiedenheit der Namen immer den Ostfränkischen König erkennen zu können, der sich selbst nur 'rex' nannte und daher von den Oströmern in wechselnder Weise bezeichnet worden sei. Dagegen hat jedoch Fr. Dölger (Byzantinische Zeitschrift 31, 1931, 439--442) mit Recht erhebliche Bedenken geltend gemacht, indem er die Anschriften auf die Zeit um 919 bezieht, nur in dem 'rex' von Germanien den Ostfränkischen König, dagegen in dem von Sachsen und Bayern den Herzog des einen und des anderen Stammesgebietes erblickt und Γαλλίασ als aus Ἰταλίασ verderbt ansieht; nur in der Beziehung des 'rex' von Francien auf den Westfränkischen König stimmen Verf. und Kritiker überein. Anregend sind auch Meyers Ausführungen über die in der Anrede πνευματικὸσ Ἀδελφόσ ausgesprochene Anerkennung einer geistlichen Verwandtschaft zwischen den Herrschern.


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