a) Allgemeines.

Von zusammenfassenden Darstellungen liegt in dem Berichtsjahr nur eine französische vor: in der vom G. Glotz herausgegebenen Weltgeschichte hat A. Fliche die Periode von 888--1125 geschildert ( 706). Der Unterschied dieser französischen Weltgeschichte von der gleichzeitigen deutschen, von W. Goetz herausgegebenen Propyläenweltgeschichte wird schon aus dem Gesamtplan des französischen Werkes deutlich: allein für das Mittelalter sind neun Bände vorgesehen. Daraus ergibt sich für die einzelnen Bearbeiter die Möglichkeit eines sehr viel tieferen Eindringens in das Detail. Auch der Verzicht auf Abbildungen und die recht nüchterne äußere Ausstattung zeigt, daß hier ein anderes Ziel verfolgt wird: weniger eine Zusammenfassung des Stoffes unter großen, allgemeinen Gesichtspunkten als eine möglichst genaue Darstellung unseres gegenwärtigen Wissens mit Verweisen auf die Literatur, gelegentlich auch auf Quellen (jedoch ohne kritische Auseinandersetzung). Was dabei herauskommt, ist, wie der vorliegende Band lehrt, mehr ein Nachschlage- als ein Lesebuch. Die Abgrenzung des behandelten Zeitraums gegen die Karolingerzeit mit der Absetzung Karls des Dicken ist in Deutschland m. W. ungebräuchlich, hat aber für die Schilderung der spätkarolingischen Anarchie unstreitig gewisse Vorteile. Fl. bewältigt den Stoff in drei Teilen, von denen die beiden ersten die politische und verfassungsgeschichtliche Entwicklung -- mit einem Einschnitt 962 --, der dritte die kulturelle -- wirtschaftliche und geistige -- schildert. Man wird diese Disposition nicht eben geeignet finden für ein tieferes Verständnis der Dinge. Die Darstellung verrät gelegentlich die genugsam bekannte ultramontane Einstellung Fl.s, so wenn er z. B. (S. 402) Heinrich IV. bei seinem Gange nach Canossa »une pénitence habilement simulée et entourée d'une mise en scène théatrale« unterschiebt.

Die ideologische Grundlage des ma.lichen Imperiums zeichnet in knappen


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Zügen ein römischer Vortrag von G. Laehr ( 709), der sich dabei in den Ausführungen über die Bedeutung der konstantinischen Schenkung auf eigene Forschungen, im übrigen auf die durch Heldmanns Buch über die Kaiserkrönung Karls des Großen angeregte Diskussion und auf die Arbeiten von P. E. Schramm stützen konnte. -- Anknüpfend an F. Kerns These über die wahren Aufgaben der ma.lichen Kaiserpolitik, die Kolonisierung des Ostens nach Aufrichtung einer politischen Rahmenherrschaft, erörtert Th. Mayer ( 712) diese Möglichkeiten und kommt, in manchmal notwendigerweise etwas hypothetischen Ausführungen vom Standpunkt der Siedlungsgeschichte aus zu dem Ergebnis, daß eine Kolonisation des Ostens in größerem Maßstab vor dem 12. Jhd. aus vielfachen inneren Gründen unmöglich war, und betont richtig, daß sie nur im Zusammenhang mit dem Ausbau des Mutterlandes betrachtet werden dürfe. -- Ein Teilproblem dieser deutschen Kolonisation schildert A. Hofmeister in einem mit reichen Literaturangaben und kritischer Stellungnahme dazu ausgestatteten Vortrag ( 710), der die politischen Veränderungen Pommerns vom 9. bis 12. Jhd., den Kampf Dänemarks, der Slawen und schließlich der Deutschen um die Ostseeküste behandelt.

Einzelfragen der Italienpolitik während der Kaiserzeit erfuhren durch zwei Dissertationen eine monographische Behandlung. Die militärische Seite und ihre verfassungsgeschichtlichen Zusammenhänge erörtert R. Knussert ( 714) in einer doch wohl nicht tief genug dringenden Weise. Was die Heerfahrtpflicht anlangt, so behauptet K. -- mindestens für die Periode seit Heinrich V. -- eine Verpflichtung für die weltlichen Fürsten nur für die Krönungsfahrt auf Grund ihres Allodial- und Reichslehenbesitzes, dagegen für die geistlichen Fürsten allgemein für jede Italienfahrt, weil ihr Besitz aus Reichsgut bestanden habe. Brauchbarer ist die fleißige Arbeit von K. Schrod ( 1250), der an Hand der Reichsstraßen die wirtschaftlichen Grundlagen der deutschen Herrschaft in Italien klarzulegen sucht. Zu diesem Zweck ist ein reiches Material über das Itinerar der Herrscher und der Päpste, über das Auftreten von Reichsbeamten usw. zusammengetragen und teilweise auch in Tabellenform erfaßt. Die daraus gezogenen Folgerungen bestätigen, daß in der vorstaufischen Zeit im wesentlichen die lombardische Reichskirche die wirtschaftliche Basis der Königsherrschaft war, während Friedrich I. nach seinem erfolglosen Kampf gegen die Städte den Schwerpunkt in die feudalaristokratischen, städtearmen Gebiete Italiens verlegte.


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