a) Erzählende Quellen.

Von der Übersetzung des Widukind hat P. Hirsch, der schon lange mit einer Herausgabe des lateinischen Textes beschäftigt ist, eine Neubearbeitung vorgelegt ( 688). Ihr Text lehnt sich bei aller sachlichen Berichtigung und sprachlichen Erneuerung doch enge an die früheren Übersetzungen an; die erweiterte Einleitung gewährt einen Einblick in die Ergebnisse und Fragestellungen der


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textkritischen Forschung. Ob das an dieser Stelle und in dem Umfange, in dem es geschah, am Platze war, darüber kann man immerhin zweierlei Meinung sein. -- Von ausländischen Geschichtswerken, die aber auch die deutsche Geschichte berühren, geht uns hier nur noch die monumentale Ausgabe des Vaters der dänischen Historiographie, des Saxo Grammaticus, durch J. Olrik und H. Raeder an ( 700). Lange Zeit hat die deutsche Wissenschaft die Führung in der Saxoforschung innegehabt und auch in dieser neuen Ausgabe steckt ein guter Teil deutscher Arbeit. Sie ruht nämlich auf den Vorarbeiten von zwei Torgauer Gymnasialprofessoren, C. Knabe († 1914), der seit 1890 an dem Texte arbeitete, und P. Herrmann († 1930), der sich vor allem um die sagenhaften Teile bemühte. Knabes Nachlaß wurde von der kgl. Bibliothek in Kopenhagen erworben und ist die Grundlage für den neuen Text, den Olrik im übrigen selbständig bearbeitet hat. Da bekanntlich nur eine fragmentarische Hs. des Saxotextes erhalten ist, gewinnt die Tätigkeit des Herausgebers bei dem eigenwilligen Latein dieses Autors eine besondere Bedeutung. Die Konjekturen früherer Bearbeiter sind hier sorgfältig gesammelt. Der zweite Mitarbeiter, Raeder, hat sich vor allem um die sprachlichen Vorbilder (Valerius Maximus usw.) bemüht. Der vorliegende Band enthält nur den Text und den kritischen Apparat dazu; auf einen erläuternden Kommentar wurde leider verzichtet. Der zweite Band soll nach Knabes Sammlungen ein vollständiges Glossar bringen.

Sonst sind nur Monographien über einzelne Quellen zu verzeichnen. Die Chronik von St. Bénigne in Dijon, die Ch. Dahlmann fleißig analysiert hat ( 691), zeigt in ihren älteren Partieen weitgehende Benutzung der karolingischen Geschichtsliteratur; später wird sie wertvoll durch Heranziehung des Klosterarchivs. -- Den Aufsatz von L. Weibull ( 692) kenne ich nur aus der Entgegnung, die inzwischen B. Schmeidler im N. Arch. 50 (1933) 221--28 veröffentlicht hat. Ich entnehme daraus, daß W. im zweiten und vierten Buch Adams von Bremen Einschübe nachweisen will, die vor der ältesten Fassung liegen, also Adams Arbeitsweise weiter aufhellen. Schmeidler zögert etwas in der Anerkennung von W.s Hypothesen, die er aber immerhin als »sehr ansprechend und bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich« bezeichnet. -- Einen wichtigen Beitrag zu dem trüben Kapitel Petrus diaconus bietet W. Smidt ( 694). Schon lange war es aufgefallen, daß in den nicht mehr von Leo verfaßten Teilen der Klosterchronik von Montecassino (von 1075 ab) gute Überlieferung, wenn auch oft falsch eingereiht und mit Doubletten und unglaubwürdigem Stoff untermischt, erhalten ist. Diese wird jetzt von S. auf den von Petrus selbst als Fortsetzer Leos genannten Guido zurückgeführt, dessen Anteil an III 35--IV 95 ein zukünftiger Herausgeber der Chronik genauer würde feststellen müssen. -- Die metrische Bearbeitung von Ebos vita des Otto von Bamberg, die A. Hofmeister bekanntgemacht hat ( 704), besitzt keinen Quellenwert, ist jedoch für das Fortleben des Pommernapostels in seiner Wahlheimat interessant, aber auch für den Tiefstand der Lateinkenntnisse in Pommern in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bezeichnend. -- Dagegen ergibt sich aus den Breviarlektionen, die für den Kult Ottos in Pommern mit Benutzung von Ebos vita hergestellt worden sind, einiges zur Text- und Überlieferungsgeschichte dieses Werkes, wie H. Frederichs ( 1655) gezeigt hat. --

Nicht immer ganz überzeugend sind die Ausführungen von J. Fried-


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länder ( 698) über die Translatio s. Alexandri von Ottenbeuren. Das allerdings wird man der Verfasserin zugestehen, daß sie den Zusammenhang dieser Translationsgeschichte mit den gleichzeitig im 12. Jh. entstandenen Urkundenfälschungen bewiesen hat und daß ihr keinerlei Glaubwürdigkeit zukommt.

Die sächsische Historiographie ist von E. Kessel zum Gegenstand fleißiger und besonnener Studien gemacht worden, für welche die von Thietmars Chronik angeregte Magdeburger Geschichtsschreibung ( 702) der Ausgangspunkt ist. Der einzige Wunsch, den sie offen lassen, ist der nach einer deutlicheren Schilderung der handschriftlichen Überlieferungsverhältnisse. Die älteste magdeburgische Erzbistumschronik läßt K. um 1025 im Kloster Berge entstanden sein; sie wurde im Domstift in verschiedenen Abschnitten fortgesetzt und um 1142 überarbeitet. Dann bespricht K. die verlorenen Nienburger Annalen von 781--1151, die vom Annalista Saxo und den Magdeburger Annalen benutzt wurden; in den Magdeburger Annalen erfolgt 1153 unter Einfluß der Ilsenburger ein Abgehen von der bisher im 12. Jh. vorherrschenden welfischen Tendenz. Formal fällt, besonders in der früheren Zeit, die Benutzung der Reimprosa als Charakteristikum der »Magdeburger Schule«, zu der auch Bruno von Querfurt gehört, auf. Ein zweiter Aufsatz versucht zu einer sichereren Vorstellung über die verlorene älteste Halberstädter Bistumschronik ( 703) zu gelangen; sie ist nach K. erst in der Spätzeit der Ottonen und als ursprüngliches Werk, nicht als Überarbeitung einer älteren Vorlage, entstanden. --

Mit Helmold beschäftigt sich ein Vortrag von F. J. Tschan ( 697). Er entwirft aber nur ein Bild von der Kolonisierung Mecklenburgs, angeregt durch einen Vergleich mit der Eroberung des amerikanischen Westens im 19. Jhd., und weist auf eine bevorstehende englische Übersetzung Helmolds hin. -- Ergiebiger sind die Ausführungen von K. Fiehn über den Chronisten und Dichter Albert von Stade ( 701). Hier interessiert vor allem der erste Teil über die Lebensgeschichte Alberts und die Feststellung, daß sein fälschlich als Annales Stadenses betiteltes Werk besser mit einem alten Katalog als (Welt)- chronik zu bezeichnen ist. -- Sehr förderliche Bemerkungen steuerte H. von Loesch zum sog. Chronicon Polono-Silesiacum bei ( 705), dessen Text in den SS. 19, 553 nicht mehr ausreicht. Das Werk stammt aus dem Kloster Leubus, ist zwischen 1281 und 1285 verfaßt, ursprünglich unter Beschränkung auf Schlesien, später aber zu einer gesamtpolnischen Geschichte erweitert, was eigenartige, durch eine Schlußredaktion nicht beseitigte Doppelerzählungen zu Folge hatte.

T. Frings ( 699) vertieft die schon früher gemachte Beobachtung von einer planvollen Anlage der Vorauer Hs., die am Anfang die deutsche Kaiserchronik, am Ende Ottos von Freising Gesta Friderici und in der Mitte die bekannten deutschen geistlichen Gedichte enthält. Er zeigt, daß die Stoffauswahl offenbar von Ottos Weltchronik beeinflußt ist und fordert eine genauere Untersuchung über die Zusammenhänge zwischen der Geschichtsphilosophie des 12. Jhds. und der Kaiserchronik. -- Zu dem alten Streit über deren Verhältnis zu dem Rolandslied hat G. K. Bauer ( 696) das Wort ergriffen und sich auf die Seite derer gestellt, die die Kaiserchronik als das frühere, das Rolandslied als das spätere Werk ansehen.


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