IV. Deutsche Innenpolitik im Jahrzehnt der Reichsgründung:

Dehios Aufsatz über Bismarcks Stellung zu den Heeresvorlagen der Konfliktszeit ( 997) kann feststellen, daß der neue Ministerpräsident zunächst versuchte, die zweijährige Dienstzeit durchzusetzen, allerdings mit Einschränkungen, die praktisch parlamentarische Bewilligung ausgeschaltet hätten. So war u. a. an Verstärkung des Kapitulanten-Systems gedacht. Das Ganze ist ein charakteristischer Beitrag für Bismarcks Fähigkeit bei aller Anpassungsfähigkeit an seine Gegner den Kern seiner politischen Ziele festzuhalten. Die Parallele zur Wahlrechtsfrage drängt sich auf, wo er ja auch das allgemeine Wahlrecht, zum Teil auch


S.218

im Interesse der eigenen Politik, zugestand, aber es für die Regierung durch Wahlpflicht und Regierungskandidaten unschädlich machen wollte. -- H. O. Meisners Buch über den preußischen Kronprinzen im Verfassungskampf ( 973) ergänzt die Ausgabe der Tagebücher des späteren Kaiser Friedrich durch eine eingehende Aktenpublikation, die den bekannten Danziger Zwischenfall fast lückenlos schildert, ergänzt durch eine zusammenfassende einleitende Betrachtung des Herausgebers. Der Protest des Kronprinzen in der Danziger Rede gegen Bismarck und sein System hat ja nicht nur persönliche Bedeutung, sondern war, wie gerade diese Publikation zeigt, typisch für die schweren Probleme des innerpreußischen Lebens, im Zusammenhang mit Preußens Stellung zur deutschen Frage. Von den Einzelheiten sei hier nur erwähnt, daß die Danziger Rede, wenigstens nach Worten des Kronprinzen an seinen Vater, wohl überlegt, d. h. nicht in augenblicklicher Erregung entstanden und daß gegenüber dem weicheren Kronprinzen seine Gemahlin die vorantreibende und zum Widerstand ermutigende Kraft war. Von ihr gingen auch im wesentlichen die Indiskretionen aus, die der englischen wie der deutschen Presse Kenntnis von dem intimen Briefwechsel des Königs und des Kronprinzen gaben. Das mitgeteilte Aktenmaterial zeigt, daß das Ringen der Anhänger einer liberalen Verfassung mit den monarchischen Traditionen des preußischen Königtums fast zwangsläufig und beweist zugleich, daß die vom Kronprinzen angestrebte Zwischenlösung unmöglich war. Gerade der sich zum Persönlichen zuspitzende politische Konflikt charakterisiert in den von Meisner aus den Akten zusammengestellten Äußerungen besonders scharf die politische und persönliche Eigenart der Briefschreiber; vor allem die König Wilhelms, der als Vater und König schwer durch den Konflikt mit dem Sohn erschüttert war; aber er ist ganz verwachsen mit den altpreußischen Anschauungen, die ihm innere Festigkeit gaben. Im Gegensatz dazu erscheint der Kronprinz zwar menschlich nicht weniger sympathisch, aber weich und im Grunde um Scheindinge kämpfend, trotz dem politisch klugen Rat seines Beraters Max Duncker, der immer weniger gehört wurde. In dem Konflikt vorantreibend waren vor allem Stockmar, Samwer und Freytag, die den Kronprinzen völlig für die Sache der entschiedenen Liberalen gewinnen wollten. Auch die Königin Augusta stand auf der Seite des Sohnes und so sehr sie die persönliche Seite dabei betonte, so war auch sie wohl nicht ganz unbeeinflußt von ihrer politischen Stellung und ihrer Gegnerschaft gegen Bismarck. Daneben finden wir bezeichnende Äußerungen von Roon, Manteuffel und manchen anderen. -- Der Aufsatz von Daniels ( 974) ist eine durch die Brüningschen Notverordnungen angeregte Betrachtung über die Konfliktszeit und die Auseinandersetzung zwischen König Wilhelm und dem Kronprinzen, die im wesentlichen auf dem Buch von Meisner beruht.

Gilberts Arbeit über Droysen und die preußisch-deutsche Frage ( 971) ist nicht nur für die Beurteilung Droysens, sondern auch für die Entwicklung der Einheitsbewegung wichtig. Über den Briefwechsel hinaus ist Droysens Nachlaß benutzt. Der Verfasser untersucht einleitend Droysens geschichtsphilosophische Ansichten, besonders den Einfluß Hegels und der christlichen Religion. Er legt den Nachdruck darauf, daß Droysen durch 1848 zur Erkenntnis der Macht Preußens kam und den Eigenwert des preußischen Staates würdigen lernte. Das Buch ist eine umsichtige und höchst aufschlußreiche


S.219

Arbeit. -- Die Entwicklung der politischen Ansichten Julius Froebels in den Jahren 1863--71 schildert H. Lülfing ( 972). Er behandelt damit die Zeit, die nach der eigentlich entscheidenden politischen Tätigkeit Froebels liegt. Denn mit dem Scheitern des Fürstentages war die Niederlage seiner politischen Arbeit entschieden. Wichtig ist der Versuch, das innen- und außenpolitische System des Föderalisten Froebel herauszuarbeiten.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)