II. Deutschland:

Die staatsrechtliche, nicht historische Untersuchung Eichmanns ( 1317) führt zu dem Ergebnis, daß der deutsche Zollverein von 1834 bis 1867 eine Staatenverbindung mit gemeinsamen untergeordneten Organen war. -- Eine Reihe bedeutsamer, bisher unbekannter Akten zur inneren Geschichte des Kaiserreiches veröffentlicht Goldschmidt ( 1325). Sie behandeln die in den letzten Jahren wieder so stark in den Vordergrund getretene preußisch-deutsche Frage. In der ausführlichen, die nachfolgenden Akten kritisch würdigenden Einleitung sucht G. Bismarck als Unitarier darzustellen, doch ist m. E. der Beweis nicht völlig geglückt; wie ich es überhaupt für bedenklich halte, Bismarck zum Kronzeugen des Unitarismus anzurufen. Entscheidend für ihn war, was dem Reich diente. Die zur Vereinheitlichung des Reiches drängende Entwicklung fördernd, die Gegebenheiten ausnutzend, neigte er bald dem einen, bald dem anderen zu. Gestützt auf den Reichstag, suchte er in den siebziger Jahren den preußischen Partikularismus der Führung des Reiches unterzuordnen, unter Hinweis auf den bündischen Aufbau des Reiches setzte er in den achtziger Jahren dem Streben des Parlamentes nach Machterweiterung eine Schranke. Eine dauernde verfassungsmäßige Lösung des


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preußisch-deutschen Verhältnisses wurde unter Bismarck nicht erreicht. Sein in den Erfordernissen der Außenpolitik begründeter Wille, die Reichsregierung nicht von den Parteien abhängig werden zu lassen, dem Reichstag keinen maßgebenden Einfluß zu gewähren, seine Abneigung gegenüber selbständigen, eigenwilligen Mitarbeitern führten zu einem kunstvollen, auf ihn persönlich zugeschnittenen System, mit dem er meisterhaft die mannigfachen Widerstände bezwingend, die widerstrebenden Kräfte zur Einheit des Reiches zwang; die Mängel der Reichsverfassung wurden durch seine Persönlichkeit ausgeglichen. Seine Nachfolger verstanden nicht das kunstvolle Spiel, auch fehlte ihnen das persönliche Ansehen des Reichsgründers. Es gelang ihnen nicht, die einheitliche Führung von Reich und Preußen aufrechtzuerhalten, zumal der ständig wachsende Einfluß der Parteien, eine Folge der mangelnden Zielklarheit der Regierung, die Gegensätze zwischen Reich und Preußen verschärfte. Sofern die führenden Männer die aus diesem Gegensatz für das Reich entstehenden Gefahren erkannten, fehlte ihnen doch zum Teil der Wille oder auch die Kraft, die notwendigen Reformen zu vollziehen, Preußen der Politik des Reiches einzuordnen. Der auf eine feste Staatsverwaltung gegründete preußische Partikularismus erwies sich als der stärkere; er hatte aber nur die Kraft, die ihm nicht behagenden Pläne des Reiches zu verhindern, nicht aber, selber die Führung des Reiches zu ergreifen. Für diese inneren Auseinandersetzungen der obersten Reichs- und Staatsbehörden bringt G. manchen lehrreichen Beleg. Seine politischen Folgerungen zur Beseitigung des preußisch-deutschen Dualismus in der Gegenwart sind durch die jüngsten Ereignisse zum Teil überholt; wichtig bleibt aber die Erkenntnis, daß eine Personalverbindung von Reichs- und Staatsbehörden allein auf die Dauer nicht genügt, um den Dualismus zwischen dem Reich und dem größten Einzelstaat, bzw. den der obersten Behörden zu beseitigen.


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