2. Handelsgeschichte.

Weitnauer hat im 9. Bande der Striederschen Studien zur Fugger-Geschichte ( 1400) die Musterbuchhaltung des Fuggerschen Hauptbuchhalters Matthäus Schwarz, die 1518 entstanden und 1550 ergänzt worden ist, herausgegeben und als wirtschaftsgeschichtliche Quelle ausgewertet. Von diesem Lehrbuch der doppelten Buchhaltung, einem der ersten in deutscher Sprache abgefaßten, sind bisher 3 Abschriften bekannt; es ist hier die Elbinger Handschrift mit Vergleichung des Wortlauts der Wiener und Danziger Handschrift abgedruckt (S. 174--314), und es sind vom Verf. gründliche und lichtvolle Ausführungen über die kaufmännische Literatur und die Buchhaltungstechnik jener Zeit beigefügt. Über die letztere verbreitet sich auch Sieveking in seiner Besprechung in interessanter Weise, und geht namentlich auf die hier beschriebenen verschiedenen ( 4) Formen des »vermischten Buchhaltens« ein. Weitnauer hat als so gut wie sicher nachgewiesen, daß der Schwarzschen Musterbuchhaltung die Originalgeschäftsführung der Fuggerschen Faktorei in Venedig über das Jahr 1516 zugrunde liegt, und er baut darauf eine eingehende Untersuchung dieses Handels auf. Allerdings bezweifelt er selbst, daß die Faktorei-Geschäftsbücher unverändert in der Schrift wiedergegeben seien, und Kulischer hält es gar für fraglich, ob man es mit wirklichen oder fiktiven Geschäften zu tun habe. Gegen solche Skepsis spricht jedoch vielfache Übereinstimmung mit sicher beglaubigten Tatsachen und Namen. Unter den Beziehungen der Faktorei interessieren am meisten die mit der Kurie bzw. der Fugger-Faktorei in Rom und die mit dem Kaiser, es handelt sich beiderseits um ausgiebige Geldtransaktionen; sonst seien noch die mit dem Haupthause und den zahlreichen anderen Faktoreien, mit den Bankiers Bisani in Venedig und Guadagni in Lyon erwähnt. Der Warenumsatz der Fugger in Venedig bestand hauptsächlich im Verkauf von Silber und Kupfer, im Einkauf von Stoffen und Edelsteinen, der früher bedeutende Gewürzhandel tritt ganz zurück. Umsätze und Gewinne sind erheblich, Bezahlung geschieht großenteils in Waren. Viel größer aber ist der Wechselverkehr, auf ihn entfallen 600 000 Dukaten von einem Gesamtumsatz von 825 000 (= ca. 32 Mill. RM.!). Neben den bedeutenden Zahlungen aus politischen Gründen, insbesondere hoher Lösegelder für gefangene kaiserliche Feldhauptleute, seien noch die Kreditbriefe für Reisende und Pilger erwähnt. Es ergeben sich wertvolle Aufschlüsse über die Formen des derzeitigen Geldhandels: Wechselgeschäfte und Darlehen, sowie über die reinen Bankgeschäfte: Depositen- und Abrechnungsverkehr. Die


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Schrift bietet somit einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Bankwesens. Ihr Wert ist um so höher anzuschlagen, als sie in jeglicher Hinsicht, nach Inhalt, Darstellung, Anordnung und äußerer Ausstattung, mit wahrhaft mustergültiger Sorgfalt abgefaßt ist.

Eine den Fugger vergleichbare, im niederdeutsch-hansischen Gebiet ganz einzigartige Stellung nahm das Handelshaus der Loitz ein, die, in Stettin schon vor der Mitte des 15. Jhds. beheimatet, Geist und Stil ihrer Unternehmungen doch an ihrem zweiten Wirkungsorte Danzig ausgebildet haben. Die Arbeit, die Papritz nach sehr gründlichen archivalischen Forschungen in Berlin, Stettin und Danzig über dieses Haus veröffentlicht ( 1496), gibt daher außerordentlich wertvolle Aufschlüsse über die Geschichte des Frühkapitalismus in Norddeutschland. Geschildert werden die Handels- und Darlehnsgeschäfte der Gebrüder Loitz mit dem ewig geldbedürftigen Kurfürsten Joachim II., die, schon 1537 einsetzend, zu recht bedeutendem Umfang anschwollen, und die einerseits damit zusammenhängenden Seesalz-Unternehmungen nach Schlesien, seit 1553. Die eingehende Darlegung der Lieferungs- und Finanzgeschäfte mit dem Kurfürsten, bei denen die Loitz, nachdem sie schon recht unliebsame Erfahrungen gemacht, mit dem Berliner Andreas Lindholz Partnerschaft schlossen, läßt wieder die prekäre Natur solcher Beziehungen erkennen. Die beiderseits oft recht bedenkliche Geschäftsmoral zeitigt einen Wust von Ränken und Streitigkeiten; suchen die Kaufleute zu übervorteilen, so ziehen sie doch schließlich gegenüber einem Fürsten, der mit seinen Verpflichtungen aufs bedenkenloseste umgeht, notwendig den Kürzeren. Auch hier ist der Zusammenmenbruch der beteiligten Kaufleute das Ende. Die Seesalzversorgung Schlesiens durch Unternehmer, die Rolle, die Brandenburg dabei spielt, und die brandenburgisch-pommerschen Kämpfe um die Oderschiffahrt werden wieder ausführlich und in vollem Zusammenhang geschildert und erfahren dabei neue Beleuchtung; indem nachgewiesen wird, wie die Verwirrung im Oderhandel hauptsächlich durch das verantwortungslose Verfahren Joachims II. verschuldet worden ist, sind die früheren Darlegungen von Schmoller und van Nießen danach zu berichtigen Es wäre sehr zu wünschen, daß Papritz dieser ebenso sorgfältig fundierten wie überzeugend und lebendig verfaßten Abhandlung weitere Veröffentlichungen über die interessante Geschichte der »Fugger des Nordens« folgen ließe.

Einen ferneren Einblick in die deutschen Handelsbeziehungen mit Südeuropa gewährt Beutin ( 1408) mit Proben aus den Genueser Zollbüchern seit 1577, die allerdings nur die Einfuhr zu Lande enthalten. Die deutsche, hier einschließlich der Schweizer, Einfuhr bestand vorwiegend aus Kupfer, das aber seit 1600 zu Schiff ging, und Leinwand. Neben den Arten und Mengen der Waren sind Namen und Herkunft der handelnden Kaufleute ermittelt. Deutlich wird der gewaltige Rückgang infolge des 30jährigen Krieges, erst 1665 zeigt sich wieder ein Anstieg. Doch ist noch 1709 kein deutscher Name in den Zollbüchern verzeichnet und ein erheblicher Aufstieg erst in der 2. Hälfte des 18. Jhds. eingetreten.

Keine deutschen Außenhandelsbeziehungen, sondern die Betätigung eines in das Ausland verpflanzten und dort eingebürgerten Großhandelshauses hat das Buch von Fitzler (Die Handelsgesellschaft Felix v. Oldenburg & Co. 1753--1760. Ein Beitr. zur Gesch. des Deutschtums in Portugal im Zeitalter


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des Absolutismus. Stuttg., Kohlhammer. 304 S.) zum Gegenstand. Als Teilergebnis aus sehr viel weitergesteckten Forschungen veröffentlicht, ruht es auf einer wahrhaft imposanten archivalischen Unterlage, und auch die herangezogene Literatur an portugiesischen, deutschen, englischen und holländischen Quellenwerken und Darstellungen ist erstaunlich vielseitig und anscheinend lückenlos. Die Darstellung greift auch inhaltlich erheblich über die im Titel bezeichnete Aufgabe hinaus und beschränkt sich keineswegs auf die Unternehmungen jenes Handelshauses, gibt vielmehr auch gründliche Untersuchungen über die Art des derzeitigen Übersee- und Kolonialhandels. Den Handelsherrn Felix v. Oldenburg lernen wir als Hauptpächter des portugiesischen Tabaksmonopols (1741--53) und dann als Leiter der Indien-Handelsgesellschaft kennen, die 1753 im Auftrage Pombals begründet wurde, um dem portugiesischen Überseehandel wieder eine von England unabhängige Geltung zu erringen. Sie war mit ausgedehnten Befugnissen, Monopolrechten und staatlichen Hoheitsrechten ausgerüstet, aber auch mit staatlichen Verpflichtungen belastet; privatrechtlich wird sie als Kommanditgesellschaft auf Aktien angesehen, unter der unbeschränkten verantwortlichen Leitung des Inhabers v. Oldenburg. Sie nahm trotz ihres 10jährigen Privilegs ein vorzeitiges Ende infolge der Tyrannei Pombals, nachdem ihr auch das große Erdbeben von 1755 großen Schaden zugefügt, und ihre mit 4 Schiffen unternommenen Fahrten endeten schon 1759. Wirtschaftsgeschichtlich wertvoll ist, was hier über die Rechtsverhältnisse und die Verwaltungsorganisation eines solchen Unternehmens ermittelt wird, ferner über die Regelung der Handelsfahrten, die Handelswege, Größe und Beschaffenheit der Schiffe, Ladungsverhältnisse, Fahrtgeschwindigkeiten, in dieser Hinsicht abweichend von anderen, auch von Sombart übernommenen Annahmen. Ferner werden ausführliche Nachrichten über die Zielländer und -häfen an den indischen und afrikanischen Küsten und in China (Macao) und ausgezeichnete, sehr eingehende Ermittelungen über die Handelswaren gebracht. Zahlreiche Dokumente, Statistiken und Frachtlisten ergänzen den reichen Inhalt, desgleichen gute Register und eine Kartenskizze.


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