5. Verschiedenes.

Die Arbeit von Günther ( 1407) versucht hauptsächlich im Sinne Hoenigers nachzuweisen, daß die wirtschaftlichen Folgen des 30jährigen


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Krieges längst nicht so vernichtend gewesen seien, als gemeinlich angenommen wird, und daß namentlich Dauerwüstungen und Siedlungsverlust durch ihn nicht verursacht worden seien. Dem Verf., der sich auf gründliche Literaturverwertung stützt, kann man darin zustimmen, daß die Wüstungen durchweg auf ältere Zeiten zurückgehen; daß sie aber überhaupt nicht durch Kriegsverheerung, sondern ausschließlich durch langwirkende wirtschaftliche Vorgänge (Wassermangel, unergiebiger Boden, ungünstige Lage) verursacht worden seien, dürfte zu weit gehen. Bei der Beurteilung der Heeresdisziplin und der Soldatenpsychologie und der häufigen Bezugnahme auf Erfahrungen des Weltkrieges übersieht Verf. den gewaltigen Unterschied zwischen modernen Armeen mit wohlgeregeltem und geordnet funktionierendem Verpflegungs- und Nachschubwesen und den damaligen, ganz vom besetzten Lande lebenden Heeren; er übersieht, wie vernichtend eine langdauernde und häufig wiederholte Einquartierung und Kontributionsbeitreibung wirken mußte, selbst wenn man ihm zugeben wollte, daß Ausschreitungen und Schandtaten nur von Marodebrüdern, nicht von regulären Soldaten, verübt worden seien, was aber so unbedingt keineswegs zutrifft; er übersieht endlich, daß auch planmäßige Verwüstungen ganzer Landstriche durch zurückgehende Heere (um den Verfolger zu behindern) oder zur Bestrafung feindseliger oder abgefallener Fürsten sehr häufig vorkamen.

Die Fortsetzung der im vorigen Bericht ( 1418) angezeigten Abhandlung von Saring über die Kontinentalsperre in Preußen liegt nun vor ( 1416); sie behandelt in der Hauptsache die eigenartige Tätigkeit, die der Geh. Staatsrat von Heydebreck im Auftrage Hardenbergs bei der Durchführung der die Vernichtung des englischen Kontinentalhandels bezweckenden französischen Edikte von 1810 entfaltete. H. hat es bei der Leitung dieser äußerst schwierigen und delikaten Angelegenheit geschickt verstanden, so zu lavieren, daß die Folgen für den Handel nicht allzu schlimm wurden, ohne doch das Mißtrauen der Franzosen zu erwecken, und er hat dabei für die notleidenden preuß. Finanzen bedeutende Vorteile herauszuschlagen gewußt. Die nach den Akten gearbeitete Abhandlung läßt die verwickelten Verhältnisse, die unter jenem Zwangssystem entstanden, im einzelnen deutlich erkennen; auch über die verheerende Wirkung der Kontinentalsperre, namentlich auf den Export Preußens, werden Angaben beigebracht.

Die im vorigen Bericht erwähnte Literatur über den deutschen Zollverein (S. 294 ff.) hat weitere Ausdehnung erfahren.

Die kleine Schrift von v. Eichmann ( 1317), in der Hauptsache eine juristische Untersuchung über den Aufbau und die rechtliche Natur des Z. V., bringt nichts Neues, außer daß versucht wird, den Z. V. als eine organisierte Staatenverbindung zu definieren, weil er gemeinsame, untergeordnete Organe besessen habe. Aber abgesehen davon, daß als Staatenverbindungen nach Jellinek nur dauernde rechtliche Vereinigungen politischer Natur angesehen werden können, was auf den Z. V. nicht zutrifft, so kann man auch weder die jährlichen Generalkonferenzen von Vertretern der Vereinsstaaten noch das Zentral-Rechnungs-Büro, das eine preußische Behörde war, als stabile Vereinsorgane bezeichnen, und die Verwaltung besorgten einzelstaatliche Beamten. So scheint mir auch diese ohnehin nicht bedeutsame Feststellung mißglückt.

Der Aufsatz von Franz ( 1422) gibt in einer sehr ins einzelne gehenden


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Schilderung einen Ausschnitt aus den unendlichen Schwierigkeiten, unter denen das Werk der deutschen Einigung allmählich zustande kam. Hannover, österreich- und bundesfreundlich gesonnen, widerstrebte im Verein mit den Süddeutschen der Neuorientierung des Zollvereins durch Preußen aufs heftigste und suchte namentlich die ihm beim Anschluß 1851 zugestandenen Vorteile mindestens zu behaupten. Nach zweijährigem Kampfe siegte Bismarck mit seinem »divide et impera«: nachdem er Kurhessen gewonnen, traten auch Hannover und Oldenburg dem neuen Handelsvertrag bei und ließen München und Wien im Stich. Hannover konnte immerhin finanziell verhältnismäßig günstig abschneiden. Für die Untersuchung sind Berliner, Münchener und Wiener Akten ausgiebig benutzt.

Franz schildert weiterhin ( 1423), wie in Bayern Frhr. von der Pfordten, derzeit bayr. Bundestagsgesandter, die Seele des Widerstandes gegen den Beitritt zu jenem Handelsvertrag war, aus innerster Überzeugung, weil er ihn für wirtschaftlich schädlich und für national abträglich hielt und weil er die Ausschließung Österreichs und die Hegemonie Preußens verhindern wollte. Die Schwierigkeit der Entscheidung und die sich bekämpfenden Einflüsse sind gut geschildert.

In die Geschichte der hauptstädtischen Finanzverwaltung leuchtet Latendorf ( 1329) mit einer auf eingehende Durchforschung der städtischen Akten aufgebauten Untersuchung hinein und holt damit etwas nach, was für andere Städte (Breslau, Görlitz, Erfurt, Brandenburg) schon mehr oder weniger geschehen ist. Es handelt sich um die Überleitung aus der alten unorganisierten Rechenführung, wobei neben der Kämmereikasse für jede anderweitige Einnahme eine besondere Kasse bestand und die Gelder von da aus unmittelbar verwendet wurden, so daß es einige Dutzend von Kassen und Fonds (1831 11 Haupt- und 26 Spezialkassen) und nahezu ebenso viele Etats gab. Von einem Stadthaushaltsplan war keine Rede. Aus diesem hier im einzelnen geschilderten Kassenwirrwarr ist erst ganz allmählich eine sinnvolle Ordnung geschaffen worden: seit 1825 drängten die Stadtverordneten auf eine allgemeine und zuverlässige Übersicht des Stadthaushalts, es kam seit 1829 zu Konflikten des Magistrats mit den Stadtverordneten einerseits, dem Ministerium anderseits wegen des vorhandenen Defizits und zu zeitweiliger Bestellung eines Staatskommissars ( 1831). Die Einrichtung einer »Zentralkasse«, seit 1836, schuf noch keineswegs eine Kasseneinheit, erst Ende 1842 wurde die Grundforderung der Stadtverordneten erfüllt, ein Generaletat aufgestellt und eine einzige Hauptkasse eingerichtet, auf die der Gesamtetat abgestellt wurde, und von der die noch bestehenden Einzelkassen ressortierten. Erst seitdem ist das Prinzip der fiskalischen Kasseneinheit durchgeführt, gibt es eine verfassungsmäßige, völlig kontrollierbare städtische Finanzwirtschaft.

Einen beachtenswerten Beitrag zur neueren Bank- und Wirtschaftsgeschichte Deutschlands liefert das Buch von Däbritz ( 1424), das die Anfänge der Disconto-Gesellschaft von 1850 bis 1895 darstellt. Es leitete dabei die Erwägung, daß die Geschichte des Berliner Bankwesens besonders in seinen Anfängen noch erstaunlich wenig erforscht ist und daß die 1901 über die halbhundertjährige Entwicklung jener Großbank veröffentlichte Denkschrift fast nur das Anlage-, Emissions- und Gründungsgeschäft, dagegen nicht das reguläre Bankgeschäft berücksichtigt und zudem nur Einzelabhandlungen enthält.


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Daher erschien eine geschlossene und vollständige, die gesamte bankmäßige Betätigung in ihrer vielfältigen Verflochtenheit behandelnde Darstellung wohl am Platze. Diese gibt in 6 chronologisch geordneten Abschnitten mit Sorgfalt und Sachkunde ein anschauliches Bild von den eigenartigen Ursprüngen und Wandlungen und weiterhin der bedeutenden Entwicklung des ganz aus der Initiative David Hansemanns hervorgegangenen und anfangs von ihm geleiteten Unternehmens, und berücksichtigt dabei verständnisvoll die weiteren Hintergründe und Zusammenhänge. So wird gezeigt, wie der Gedanke der Kreditgenossenschaft auf Gegenseitigkeit mit unbeschränkter Haftung der Mitglieder durch Hansemann und H. Schulze-Delitzsch gleichzeitig und doch völlig unabhängig voneinander zum Leben gebracht worden ist. Fesselnd sind die Ausführungen über die Formen, in denen sich das Bankgeschäft seit dem 18. Jhd. entwickelt hat, im besondern über die Anfänge des »irregulären« Bankgeschäfts, der Anlagebanken, für deren geistigen Ursprung auf den Grafen St. Simon hingewiesen wird. Dem vortrefflichen Inhalt des Buches entspricht die gute und gefällige Ausstattung. Eine kurze Besprechung von Wallich findet sich in FBPG. 44 S. 221 f.


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