I. Quellen.

Zur Erschließung neuer Quellen für die Papstgeschichte tragen die großen Unternehmungen, die sich dieser Aufgabe widmen, im Berichtsjahr nicht erheblich bei. Das Göttinger Papstregesten-Unternehmen hat lediglich einen allerdings nicht im Rahmen seiner Publikationen erschienenen wichtigen Nachtrag zu seinen italienischen Archivberichten erhalten, die Ausbeute des Karthäuser-Zentralarchivs, früher in der Karthause Grenoble, seit 1905 zu Farneta bei Lucca. Vehse (in der Brackmann-Festschrift) weist darin 20 ältere Papsturkunden von Alexander III. bis Coelestin III. teils im Original, teils in Kopie nach und druckt die vier ganz oder teilweise unbekannten. -- Von der französischen Papstregisterausgabe sind, wenn anders Ref. richtig informiert ist -- die bereits öfter erwähnte unübersichtliche Erscheinungsweise schafft gewisse Unsicherheit -- zwei Faszikel erschienen: Faszikel 6 vom 2. Band der Register Alexander IV., bearbeitet von Coulon; es umfaßt die Jahre 1257/58, ferner Faszikel 14 der Register Bonifaz VIII. von Fawtier. -- Die Fortführung der Monumenta antiquissima von Turner (vgl. Jberr. 6, S. 300) dürfte nach dem Tode dieses ausgezeichneten Gelehrten überhaupt problematisch geworden sein. Dem Benutzer der bisher erschienenen Teile wird die umfangreiche Rezension unentbehrlich sein, die Eduard Schwartz im Berichtsjahr in der Zs. f. Rechtsgesch., kan. Abt. 20, 590 ff. hat erscheinen lassen. Schw. bringt außerdem für die alte These von Turner von der Ursprünglichkeit des lateinischen Textes der Kanones von Serdika in einem Aufsatz in der Zs. für die neutestam. Wiss. 30, 1 ff. ausführliche Beweisgründe gegen v. Hankiewicz. Turner selbst hat durch die kritische Ausgabe noch die Grundlage für alle weiteren Erörterungen legen können. Jetzt zeigt Schw. die Sinnlosigkeiten des griechischen Texts als unverständige Übersetzung auf, die er bald nach 352 in Thessalonich entstanden sein läßt. -- Im Zusammenhang mit der Edition der Acta conciliorum gibt Schwartz (in der Reitzenstein-Festschrift) eine erneute Analyse der sogenannten


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Sammlung der Kirche von Thessalonich, die Stephan von Larissa 531 in Rom zum Nachweis der römischen Oberhoheit über Ostillyrien überreichen ließ. Sie ist uns leider nur unvollständig im Vat. 5751 des 10. Jhds. und zwei jungen Kopien daraus, Vat. 6339 und Barberinus 3386 überliefert, erstmals 1662 von Holstenius in seiner Collectio Romana, freilich ohne Rücksicht auf ihre Ordnung in der Hs., ediert. 1891 hat Friedrich vergeblich ihre Echtheit angezweifelt, 1922 Streichhan in der Zs. für Rechtsgesch., kan. Abt. 12, 333 ff. zum erstenmal eine Analyse nach der Hs. gegeben. Die von diesem in Aussicht gestellte Ausgabe ist bisher ausgeblieben. Die Sammlung ist die Hauptquelle für die Geschichte des Vikariats von Thessalonich und ist dafür ausgewertet worden zuerst von Duchesne (Byzant. Zs. 1), dann von Leporski (russ.), zuletzt -- ohne Kenntnis seiner Vorgänger -- von Streichhan (a. a. O.). -- Von der großen Quellenpublikation der Görres-Gesellschaft zur Geschichte der päpstlichen Hof- und Finanzverwaltung im avignonesischen Zeitalter ist ein erfreulicher Fortschritt zu melden. Wie anregend sie für die Forschung über die Papstfinanzen gewirkt hat, ist bereits Jberr. 6, S. 305 betont worden. Um so lebhafter begrüßt man die Erweiterung des zugänglichen Materials, die der 5. Band dieser Reihe, herausgegeben von Mohler ( 1538), mit den Einnahmen der apostolischen Kammer unter Klemens VI. bringt. Die Editionsmethode schließt sich ganz bewußt an das von Göller geschaffene bewährte Schema an. Eine darstellende Einleitung ist nicht vorangeschickt. Da wir nun die Publikation der -- übrigens recht beträchtlichen -- Ausgabeposten Klemens VI. durch K. H. Schäfer an derselben Stelle seit langem besitzen (1914) und erst kürzlich (vgl. Jberr. 6, 1495) Frank uns eine Monographie über die Einnahmen dieses Papstes aus Deutschland geschenkt hat, ließe sich mit aller gebotenen Vorsicht der Etat dieses Pontifikats aufstellen und die finanzielle Auswirkung der Prunkfreude und Freigebigkeit dieses echt avignonesischen Papstes ermessen. Daß er in Deutschland wenigstens Mühe und nicht immer Erfolg hatte, seine stark angespannten Forderungen in der gewünschten Höhe beizutreiben, hat die erwähnte Untersuchung von Frank gezeigt. -- Von einzelnen Quellenveröffentlichungen bedürfen auch die Nachträge eines Hinweises, die Michel, »Verstreute Kerullarios- und Humberttexte« in der Röm. Quartalsschrift 39, 355 ff. zu seinen früheren Veröffentlichungen von Schriften zur Kirchenspaltung des 11. Jhds. (vgl. Jberr. 6, S. 301) gibt. Es handelt sich unter anderem um ein Fragment des Kerullarios über Christi Ostermahl aus dem Paris. 1234, dessen Echtheit M. erweist und das er auf Winter 1053/54 ansetzt, ferner um eine neuentdeckte erste Redaktion des Schlusses (c. 34, 35) der Contradictio Humberts gegen Nicetas Stethatos aus Vat. lat. 4845 und Brux. 1360. -- Die letzte vollendete Arbeit von Laehr (in der Festschrift für Brackmann) schenkt uns noch einige neue Papstbriefe. Sie beschäftigt sich mit den Schätzen der Briefsammlungen von St. Victor, die Luchaire schon bekanntgemacht hat, und kann sie durch Funde im Paris. lat. 14876 und 15135 noch bereichern. Unter diesen finden sich auch Papstbriefe, meist den Streit betreffend zwischen Eskil von Lund und St. Victor wegen des hier von Eskil deponierten und vom Abt entwendeten Silbers. -- Vor nicht langer Zeit noch war man der Meinung, daß uns Originalsuppliken aus dem 14. Jhd. nicht mehr erhalten seien. Inzwischen sind doch eine Reihe ans Tageslicht gekommen, und nun kann van Moé (Bibl. de l'école des chartes 92, 253 ff.) ihre Zahl noch vergrößern. Aus Paris, Ms. lat. 3012, druckt

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und faksimiliert er Suppliken aus der Zeit Johannes XXII., Clemens VI. und Innozenz VI. Seine Bemerkungen zur Diplomatik des Supplikenwesens zu besprechen, liegt ebensowenig im Rahmen dieser Ausführungen wie eine Erörterung des Buches von Fabian ( 234) über einen speziellen Zweig des Supplikenwesens, die Prunkbittschriften. Wir erwähnen nur die 11 von ihm (S. 123 ff.) neu edierten Stücke, deren erstes von 1441, also aus der ältesten Zeit des Vorkommens dieses Typs überhaupt stammt, ferner seine Zusammenstellung aller bekannten Prunksuppliken in Regestenform.


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