III. Kritische Einzelfragen.

Eine Reihe von Arbeiten widmet sich wieder dem vielleicht wichtigsten Thema der Papstgeschichte: das Papsttum und sein Einfluß in den einzelnen Staaten der mittelalterlichen Welt, ein Teil des umfassenden Problems Staat und Kirche. Vieles hat die historische Forschung gerade auf diesem Gebiete schon seit langem erarbeitet, und namentlich die Beziehungen vom Papsttum zum Kaisertum sind so zur zentralen Antithese des MA.s geworden, daß darüber andere nicht minder wichtige Konstellationen der ma.lichen Machtfaktoren allzu sehr in den Hintergrund traten, auch die Beziehungen der Päpste zu anderen Mächten als den Kaisern. Doch haben gerade die letzten Jahre vieles nachgeholt, und es ist kein Zufall, daß das Kehrsche Papsturkundenunternehmen, das ganz bewußt vom Empfänger päpstlicher Korrespondenz und Privilegien ausgeht und damit jede Stelle erfaßt, zu der einmal päpstliche Beziehungen bestanden haben, hierin die schönsten Ergebnisse zeitigt. So lange es seine Sammeltätigkeit auf Deutschland und Italien beschränkte, fiel diese seine Wirkung nicht auf. Nicht als ob sie nicht vorhanden gewesen wäre, aber die hier gewonnenen Erkenntnisse wirkten weniger neu, fielen wohl auch in der Fülle der Neuerscheinungen unter den Tisch. Dieses Schicksal traf auch noch etwa einen so beachtenswerten Aufsatz wie


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Kehrs Rom und Venedig bis ins XII. Jhd. (Quellen und Forschungen 19 [1927], 1 ff.), obwohl die päpstlichen Beziehungen zu dieser oberitalienischen Seerepublik nicht mehr an dem breiten und ausgetretenen Weg: Kaisertum--Papsttum liegen. Das änderte sich nun, als das Göttinger Papstregestenwerk Neuland betrat und seine Sammeltätigkeit auf die iberische Halbinsel ausdehnte. Die Mitteilungen, die Kehr und sein Mitarbeiter Erdmann über das Verhältnis der spanischen Reiche und Portugals zum Papsttum in verschiedenen Abhandlungen (vgl. Jberr. 2, S. 423; 4, S. 303) machen konnten, stellen die vielleicht überhaupt wichtigste Erweiterung unseres Wissens über die Papstgeschichte in der neuesten Zeit dar, und man kann nur hoffen, daß bei der im Erscheinen begriffenen Britannia und Gallia pontificia, namentlich aber bei der eben (1933) in Druck gehenden Italia inferior pontificia sich ähnliche Begleitarbeiten ergeben. Es ist nun freilich nicht so, daß wir für alle Länder auf Arbeiten aus dem Kreis des Göttinger Unternehmens warten müßten, wir besitzen schon eine Reihe mehr oder minder wertvoller Einzelmonographien. Für die Beziehungen der Bretagne zum päpstlichen Stuhl konnte erst 1929 (vgl. Jberr. 5, S. 362) auf das Werk von Poquet du Haut-Jussé verwiesen werden; im Berichtsjahr untersucht Brooke, »The English church and the papacy«, auf den Wegen des klassischen Buches von Boehmer wandelnd, noch einmal Englands Stellung zu Rom im Zeitalter des Investiturstreits und weiterhin bis zu Johann ohne Land. Er ordnet es danach ein in »die Mitte zwischen Frankreich mit seinem schwachen Königtum und Deutschland, 'where the tradition of obedience to the king was strongest'« (W. Holtzmann, Rezension in der Zs. f. Rechtsgesch., kan. Abt. 21, 428). Von Wichtigkeit ist seine Sammlung der Kirchenrechtsquellen des ma.lichen England, die auf eine Registrierung kanonistischer Hss. auf der Insel hinausläuft. -- Auch für Südosteuropas und für Byzanz' Verhältnis zu Rom fehlt es nicht mehr an einschlägiger Literatur. Ohne älteres zu nennen, verweise ich nur auf die letzten Forschungsergebnisse, zu ersterem 1.) auf die Arbeit von Dvornik »Les slaves, Byzanze et Rome« (Jberr. 2, S. 261); sie rückt das Verhalten des Papstes zu der Christianisierungsarbeit des Cyrill und Methodius in den Mittelpunkt ihrer Darstellung, behandelt aber auch Themen wie: Bulgarien -- Papsttum, Illyrien -- Papsttum usw. (vgl. meine ausführliche Rezension in der Byzant. Zs. 33, 125 ff.); 2.) auf den Aufsatz von W. Holtzmann, »Papst Alexander III. und Ungarn« (Ungarische Jahrbücher 6 [1927], 397 ff.), der einen der wenigen deutschsprachigen Beiträge zu den Beziehungen dieses Landes zur Kurie darstellt (dort auch die fremdsprachige Literatur). Er klärt die Nachrichten, die man über ungarische Konkordate von 1161 und 1169 besitzt, und erweist einen Fortschritt Roms in der Durchsetzung seiner Ansprüche im zweiten Konkordat. Für Byzanz' Stellung zum Papsttum haben die letzten Bereicherungen unseres Wissens gebracht die in diesen Berichten besprochenen (vgl. Jberr. 6, S. 301 und oben) Editionen von Michel zur großen Kirchenspaltung des 11. Jhds. und Ohnsorges Bemerkungen über Alexander III. Politik gegenüber Manuel (vgl. Jberr. 5, S. 362), denen er im Berichtsjahr eine neue hinzufügt ( 1533). In der Festschrift für Brackmann datiert er den Brief Kaiser Manuels (Dölger nr. 1533) auf 1147 und löst damit einerseits die unüberwindlichen Schwierigkeiten, die seine Einordnung zu 1180 bot, anderseits verdeutlicht er dadurch Manuels Stellung zum Kreuzzugsplan von 1147. -- Nicht unwesentliche

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Förderung erfuhr die Klärung der Beziehungen Papsttum -- Einzelstaaten auch durch die Reihe von Arbeiten über die Wirksamkeit der päpstlichen Legaten, die, zum größten Teil auf Brackmanns Anregung, in den letzten Jahren entstanden. Schon bei früherer Gelegenheit (vgl. Jberr. 5, S. 362) wurde darauf hingewiesen, wie diese Arbeiten unter Brackmanns Ägide zuerst Legationen eines Papstes in ein Land behandelten, wie dann erst ausnahmsweise, dann von Ohnsorge grundsätzlich alle Legationen während eines Pontifikats nach allen Richtungen hin einbezogen wurden und welche neuen Erkenntnisse diese methodische Änderung ergab. Die im Berichtsjahr erschienene Arbeit von Dunken ( 727) stellt durch die Beschränkung auf ein enges Territorium wieder einen neuen Typ dar. Sie führt uns nach Oberitalien, in ein Land, in dem die Tätigkeit der päpstlichen Legaten besonders intensiv gewesen ist. Schon darin prägt sich seine enge Verbundenheit mit Rom aus. Diese wird um so deutlicher, wenn wir sehen, daß ihr Wirken hier nicht nur ein politisches, sondern mehr fast noch ein kirchenorganisatorisches ist, wozu sich in den meisten anderen Ländern keine Parallele bietet. Die Untersuchung wäre trefflich geeignet zu zeigen, wie sich aus Zahl und Art der Legationen die Stärke des päpstlichen Einflusses in einem Land ablesen läßt, doch ist sie leider in der Herausarbeitung des Hauptgedankens wie im Detail nicht immer glücklich; dazu bittet Ref. im einzelnen seine Bemerkungen im Neuen Archiv 49, 608 zu vergleichen (s. auch oben S. 180). -- Angesichts dessen, was wir oben über den reichen Ertrag der spanischen Forschungen Kehrs und Erdmanns feststellten, ist es besonders bedauerlich, daß die Auswertung ihres Materials auf Legationen hin durch Säbekow, »Die päpstlichen Legationen nach Spanien und Portugal bis zum Ausgang des XII. Jhds.« nicht befriedigt. Abgesehen davon, daß die Bearbeitung dieses Themas verfrüht ist, da Kehr erst einen Teil seiner spanischen Papsturkundenfunde publiziert hat, ist auch die vollständige Erfassung des vorliegenden Stoffs unterblieben und im Detail mancher Schnitzer unterlaufen. Ref. verweist dafür auf die Kritik aus der berufenen Feder von Erdmann im Neuen Archiv 49, 606 f. So bleibt die Geschichte des Legatenwesens in Spanien, eines Legatenwesens, das in nichts hinter dem oben berührten oberitalienischen zurücksteht, es vielleicht sogar übertrifft, eine Aufgabe künftiger Darstellung. -- Dem ersten Legaten in Spanien, dessen Tätigkeit am Beginn der kurialen Beziehungen zu Spanien überhaupt steht, Hugo Candidus, widmet Lerner ( 1531) in einer Frankfurter Preisschrift eine neue Monographie. Seit den Arbeiten von Holtkotte (1903) und Gaffrey (1914) sind es namentlich wieder Kehrs Funde gewesen, die neue Einsicht in das Wirken Hugos gewährten, zumal über seine Rolle als spanischer Legat. Mit Kehr läßt L. Hugo seine erste Gesandtschaft 1064 statt wie bisher 1068 antreten; daß auch diese verbesserte Erkenntnis noch der Korrektur bedarf, wird im nächsten Berichtsjahr auszuführen sein. Auf dieser und einer zweiten Legation hat er nicht unbeträchtliche Erfolge in der Verdrängung des mozarabischen Ritus gehabt, der die spanische Kirche so streng von der römischen abschloß, und u. a. die Tradition bedeutender spanischer Klöster an Rom erreicht. Sein weiterer Lebensweg, sein Anteil an der Erhebung Gregors VII., sein Abfall von diesem und die Beweggründe dazu, seine Politik im wibertinischen Lager sind und bleiben voll Problemen, wenn nicht neue Quellen eines Tages auch hier die teils wortkargen, teils polemisch verzerrten (Bonizo) Nachrichten ergänzen. L. versucht, nicht durchweg mit Erfolg, der

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Überlieferung keine Gewalt anzutun, im Gegenteil überall einer vorsichtigen Interpretation das Wort zu reden. Vielleicht gerade dadurch erhalten seine Ausführungen gelegentlich etwas Widerspruchsvolles. Und in der Formulierung seiner Grundauffassung Hugos als eines »Vertreters feudaler Anschauungen und der Reformkurie eines Leo IX.« (S. 61) ist er seinerseits ziemlich apodiktisch. -- Als Annex zu dem Bericht über die Legatenforschung gehört ein Hinweis auf die Ergänzungen Bauermanns ( 243) zu der Tätigkeit des Legaten Johannes von St. Stephan in Monte Celio, wie sie Ina Friedländer (vgl. Jberr. 4, 1250) geschildert hat. B. weist eigenhändige Urkunden dieses Legaten nach und deutet in diesem Zusammenhang neuerdings auf das schon lange von Brackmann gestellte Thema: Diplomatik der Legatenurkunde hin.

Zur Geschichte der päpstlichen Territorialherrschaft liegt zunächst eine Fortsetzung der Studien Vehses vor. Er handelt diesmal über Benevent als Territorium des Kirchenstaates bis zum Beginn der Avignonesischen Epoche (Quellen und Forschungen usw. 22, 87 ff.) und führt damit mehr noch als mit der Geschichte der Sabina mitten hinein in die große Politik, war doch diese Stadt die ständige Reibungsfläche zwischen den Päpsten, den deutschen Kaisern und den Normannen in ihrer wechselnden Konstellation. In einem ersten Teil führt er das Auf und Ab der päpstlichen Macht über Benevent von ihrer ernsthaften Aufrichtung durch Leo IX. bis zum Ausgang der Normannenherrschaft. Es ging dabei nicht ohne Rückschläge ab, ehe Gregor VII. das langobardische Fürstengeschlecht beseitigen und Paschal eine Rektoratsverfassung einführen konnte. Auf dies und die weitere Entwicklung wird im Zusammenhang nach Abschluß der Arbeit im kommenden Bericht zurückzukommen sein. -- Einen interessanten und wichtigen Beitrag zur Klärung der rechtlichen Struktur der päpstlichen Territorialherrschaft liefert Jordan ( 1545), indem er dem Eindringen des Lehnswesens in das Rechtsleben der römischen Kurie nachgeht. Gewiß, daß lehnsrechtliche Vorstellungen den Päpsten seit der Reformzeit geläufig waren, ja, daß sie mehr und mehr mit einem umfassenden Lehnssystem ihre theoretischen Weltherrschaftsansprüche zu realisieren suchten, wußte man bereits, und erst kürzlich hat uns das Buch von Wühr (vgl. Jberr. 6, 304) die Lehnspolitik Gregors VII. wieder eindringlich als »Mittel und Ergebnis seiner Reformpraxis« (S. 66) vorgeführt. Wenn diese Seiten der Ausführungen J.s, auf denen er die Lehnsverträge der Päpste schildert, angefangen von der Tradition Polens an den hl. Petrus über die systematische, aber im ganzen doch erfolgarme Lehnspolitik Gregors VII. bis zu ihrem Höhepunkt unter Innozenz III. -- wenn diese Seiten die wichtigsten wären, so hätte die Arbeit oben unter dem Abschnitt: das Papsttum und sein Einfluß in den einzelnen Staaten Platz finden müssen. Viel beachtlicher aber ist eben das, was er aus dem durchweg dürftigen Urkunden- und gelegentlich anderem Quellenmaterial über die Bedeutung des Lehnswesens für die italienische Territorialherrschaft des Papstes ermittelt hat. Hier zeigt er, wie zunächst die Kurie sich gegen das mit der fränkischen Herrschaft in Italien eindringende Lehnswesen stemmt, wie Johann III. noch lebhaft römisch-bürokratische Methoden vertritt, wie nach der Anarchie des 10. Jhds. der Franzose Silvester II. lehnsrechtliche Vergabungen des Papstes einführte, ohne daß sein System bei seinen Nachfolgern gleich Anklang fand, wie denn auch Gregor VII. parallel zu seinen Erfahrungen in der großen Politik mit diesem System noch auf viel Widerstand stieß. Im


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12. Jhd. bricht es sich dann mehr und mehr Bahn, am lebhaftesten gefördert von einem Engländer auf dem Stuhl Petri, Hadrian IV. Abschließend stellt J. (S. 64) fest: »Eine neue Art der Leihe ist hier entstanden. Römisch-rechtlich ist die Festsetzung einer bestimmten Zeit und die regelmäßig vereinbarte Zinszahlung, neu sind die Verpflichtungen der persönlichen Bindung zwischen beiden Vertragskontrahenten durch die fidelitas und das homagium des Mannes auf der einen und das Schutzversprechen des Herrn auf der anderen Seite.«

Zur Organisation des kurialen Geschäftsgangs liegen Beiträge von Caspar für die Frühzeit, von v. Heckel für das Spätma. vor. In einer Vorstudie zum zweiten Band seiner Papstgeschichte zeigt Caspar (in der Brackmann-Festschrift) wieder jenes feine Gefühl für das Nuancenspiel der päpstlichen Diplomatie, das als Hauptmerkmal seiner ganzen Papstgeschichte bereits Jberr. 6, S. 302 bezeichnet wurde. »Aus der altpäpstlichen Diplomatie« -- ein charakteristischer Titel für diese Casparsche Art! Behandelt wird die Friedensgesandtschaft des Papstes Hormisda nach Konstantinopel von 519. Die Rolle des Diakons Dioscror wird dabei als die eines inoffiziellen Begleiters herausgearbeitet, der als »Unverantwortlicher« die eigentlich heiklen Missionen erledigen konnte. Durch Vergleichsmaterial wird ein solcher Begleiter für besondere Missionen als ein beliebteres Hilfsmittel der päpstlichen Diplomatie bezeugt. -- Den Geschäftsgang der päpstlichen Kanzlei im 13. Jhd. zu erkennen, erlauben uns nur ein paar sehr dürftige Nachrichten. Um so bemerkenswerter ist, was v. Heckel ( 238) der damit früheren Vorarbeiten zu einer umfassenden Geschichte der päpstlichen Kanzlei (über die letzte vgl. Jberr. 6, S. 111) eine neue zufügt, in souveräner Beherrschung dieses Stoffes doch aus ihnen herauszulesen vermag. Den Instanzenzug des Beurkundungsgeschäfts regelt für diese Zeit Absatz 9 der Kanzleiordnung Innozenz' III., und v. Heckel erweist nun namentlich durch vorsichtige Rückschlüsse aus jüngerem Material, daß dieser tatsächlich praktisch in Übung war. Dabei wird die Rolle des Petenten festgelegt, die noch nicht so groß ist wie in kommenden Jahrhunderten, und insbesondere auch die Besoldung und Beamtenstellung der Skriptoren erörtert.

Zum Schluß ein paar Einzelheiten! Vom ältesten und daher sehr wertvollen Bericht über das Attentat auf Bonifaz VIII. zu Anagni war bisher eine Hs., London Royal 14 C I, bekannt. Nun weist W. Holtzmann ( 1537) eine zweite, vollständigere, nach, Oxford All Souls College 39, aus der hervorgeht, daß dieser Bericht einen Brief des Prokurators des Bischofs von Lincoln darstellt. Auch sein Datum ist jetzt ermittelt: 27. Sept. 1303. H. geht dann auf die Kontroverse (Fedele, R. Holtzmann) ein, ob der Papst bei der Gefangennahme mißhandelt worden sei. Er entscheidet sich dagegen unter Hinweis darauf, daß das strittige manus inicere keine Realinjurie ausdrücke, sondern Bibelwort sei und die Szene von Anagni zu Jesu Gefangennahme in Parallele stelle. Eine Kollation der neuen Hs. mit der letzten Edition (MG. SS. XXVIII) ist beigefügt. -- In das bewegte Zeitalter der Reformkonzilien führt Thea Buykens ( 1540) interessanter Versuch, »die Frage nach der Wesensänderung« Enea Silvio Piccolominis, des späteren Pius II., »neuen Lösungsansätzen zuzuführen«. An die Stelle einseitigen Lobes oder Tadels bemüht sie sich verständnisvoll behutsame Einfühlung in die zwiespältige Natur dieses Renaissance-Menschen zu setzen und damit gleichzeitig seine Beurteilung lediglich


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konfessionell bestimmten Gesichtspunkten zu entziehen. Ihre Thesen sind mindestens erwägenswert, bedürfen freilich -- das empfindet sie selbst -- der Prüfung am Gesamtlebenslauf Eneas, während sie mit seiner Erhebung zum Episkopat abbricht. Auch fehlt es gelegentlich nicht an etwas vagen Formulierungen, die über Schwierigkeiten hinweggleiten, so wenn etwa ein neues Ergebnis der Arbeit darin gesehen wird, »den Piccolomini in den verschiedenen Lagen nicht frei isoliert, sondern gebunden und eingeordnet zu zeigen«. Wichtig ist die starke Betonung des Künstlertums Eneas: »Der Dichter überragt den Historiker«. Als aber Enea in das politische Getriebe geriet, war der Künstler in ihm nicht stark genug, um sich diesem fernzuhalten. »Vom Leben lassen konnte er nicht«; aber »er verlor darüber den Glauben an die Menschheit«. Dieser seelische Umbruch vollzog sich nach B. bereits in Basel, nicht, wie man bisher behauptete, erst in Rom. Weniger überzeugend und neu erscheint das, was Verf. über Eneas Rolle in den Wiener Konkordatsverhandlungen vorbringt. Neben dem Anteil Eneas am Geschehen seiner Zeit verfolgt B. auch seine literarische Entwicklung und erweist aus ihr die zwiespältigen Stimmungen und Gefühle, die ihn oft beherrschten. Eine Fortsetzung der Arbeit würde B. nach ihren eigenen Feststellungen Gelegenheit geben, Eneas Haltung als Papst stark auf die Antithese Persönlichkeit: Amtsidee abzustellen; der Erörterung dieses die ganze Papstgeschichte durchziehenden Konflikts an einem prominenten Beispiel würde erhebliche Bedeutung beizumessen sein.


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