C. Lutherliteratur.

Von der Luthertrilogie des Erlanger Kirchenhistorikers Hans Preuss liegt der 1. Band vor: Martin Luther, der Künstler ( 1723). Pr. wendet sich »gegen die Forschungsarbeit des 19. Jhds., die in Luther nur den


S.327

Theologen sah und gegen die neueste, die Luther nur zur Inkarnationssubstanz eigener Ideen macht«. Der Kirchenhistoriker wird seine Aufgabe nur dann richtig verstehen, wenn er Luther als den Lebendigen erfaßt. Sein Leben ist beschlossen in seiner Erscheinung als Künstler und Prophet. Pr. wählt in den drei künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten Bildende Kunst, Musik, Dichtung die gegebene Einteilung. Dabei wird das Thema sehr weit gefaßt. So erfahren im 1. Teil Luther und die Bilder, auch Luthers Handschrift ihre Beurteilung. Daneben sind drei Monographien zu Luthers Theologie zu nennen. Hildebrandt ( 1739) behandelt auf eigene Weise die Abendmahlslehre. Denn er lehnt es ab, die Frage rein exegetisch-historisch zu verstehen. Vielmehr dem »Est« wird in Luthers Theologie eine beherrschende Stellung eingeräumt, wobei geschickt Luthers Auffassung gegen den Neokalvinismus unserer Zeit ausgespielt wird. Das Ergebnis der Arbeit sei mit des Verf. eigenen Worten wiedergegeben: Das »Est als Wirklichkeit« behauptet nichts anderes als das Prinzip der Einlinigkeit des Glaubens, das »Est als Wahrheit« nichts anderes als das Prinzip der Eindeutigkeit in der Erkenntnis Gottes, das »Est als Wort Gottes« nichts anderes als das Prinzip der Einseitigkeit in der Offenbarung. -- Man stelle diesem Werk gegenüber, was Menzel in seiner Breslauer Lizentiatenarbeit ( 1728) über Luthers Abendmahlsauffassung zu sagen hat, um zu ermessen, wie hoch sich Hildebrandts Arbeit über diese liberalistisch-irenische Kritik erhebt. Auch Obendieks Abhandlung über den Teufel bei Luther ( 1741) begnügt sich nicht mit der historisch-psychologischen Fragestellung, sondern der Teufelsglaube wird als das Stück der Theologie Luthers erkannt, das aufs stärkste andere religiöse Vorstellungen beeinflußt hat. O. urteilt: »Die systematische Erfassung der Teufelsvorstellungen Luthers zeigt, daß Luther Gott und Welt, das Versöhnungs- und Erlösungswerk Christi, die Offenbarung und das Wort Gottes, den Menschen und den Weg des Menschen zu Gott nicht ohne die Teufelsvorstellung denken kann.« Einleuchtend wird von O. nachgewiesen, wie gerade dadurch die Eschatologie ihren spezifisch christlichen Charakter erhält. -- Schließlich sei auf das inhaltsreiche Buch von M. Ludwig über Religion und Sittlichkeit bei Luther hingewiesen ( 1740), dessen 1. Teil »Das Problem Religion und Sittlichkeit bei Luther in der theologischen Literatur und seine methodischen Schwierigkeiten« -- eine Leipziger Promotionsschrift -- gesondert erschienen ist. Hier geht L. den in der theologischen Literatur behandelten Problemen aus der Ethik Luthers nicht nur nach, sondern nimmt auch in gut begründeter Weise dazu Stellung. Auf dieser Grundlage steht nun die eigene Darstellung, die dem chronologischen bis zum Sermon von den guten Werken [1520] gehenden Teil einen systematischen folgen läßt, der das Ergebnis zusammenfaßt. Das Ergebnis kann kein anderes sein als dieses: Untrennbarkeit von Religion und Sittlichkeit bis zur äußersten Konsequenz, so daß jede nachträgliche oder äußerliche Verknüpfung (Lohngedanke, das Motiv der Dankbarkeit) ausgeschlossen ist. Daß in der Einzelausführung in diesem Buch manches der Kritik bedarf, darauf hat Friedr. Wilh. Schmidt hingewiesen. (Theol. Blätter 12. Jg., Sp. 74). -- Reinhold Seeberg ( 1725) hat in einem Vortrag seine Auffassung vom theologischen Werden Luthers zusammengefaßt: Das Fundament ruht auf Paulus, aber auch Nominalismus und Mystik haben Bausteine geliefert, ohne die Eigenart des Paulinismus verwischen zu können. Von anderen kleineren Arbeiten sei zunächst auf Albrechts Schrift hingewiesen,

S.328

die alte Notizen zu Luthers Genesisvorlesung aus dem Juli 1545 bekannt macht ( 1737). Seitdem diese Vorlesung in der Weimarer Ausgabe gedruckt ist, sind wiederholt handschriftliche Stücke dazu veröffentlicht worden. Bei Albrechts Fund handelt es sich um die Nachschrift eines Hörers aus vier Vorlesungen. Die Stelle wird von A. in der WA nachgewiesen. --Stammler ( 1761) macht auf mehrere Ausgaben der Lutherbibel aus dem 17. Jhd. aufmerksam und zeigt, wie vor allem die Wittenberger Ausgabe von 1622 auf treue Überlieferung hinzielt. Aber die sprachgeschichtliche Entwicklung macht sich trotzdem geltend. Gustav Bebermeyer berichtet im Lutherjahrbuch ( 1722) über Stand und Aufgaben der sprachgeschichtlichen Lutherforschung. So erfährt der von H. W. Beyer in seinem Forschungsbericht »Luthers Bibelübersetzung«, der zu den Problemen der Lutherbibel selbständig Stellung nimmt (Theolog. Rundschau 1929), eine sehr willkommene Ergänzung. Bebermeyer legt besonderen Nachdruck darauf, daß Luther mit der lebendigen Volkssprache so eng verbunden war. Sein Abstand von der Humanistenprosa ist sehr groß. -- Schließlich sei H. Hahnes Untersuchung der bekannten Totenmaske Luthers genannt, die sich in der Marktkirche zu Halle findet ( 1738). H. hat als Anthropologe und Arzt den Kopf und die Hände geprüft. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, daß eine echte Grundlage vorliegt, die aber 1663 zur Angleichung an die Jugendbilder überarbeitet worden ist. Die alte Gestalt läßt sich unschwer wiederherstellen. -- Wie sich der Einfluß der modernen Lutherforschung überall geltend macht, das kann man aus G. Ritters trefflichem Aufsatz über die geistigen Ursachen der Reformation ( 1716) erkennen. Wie stark ist hier der alten nationalpolitischen und liberal-kulturellen Auffassung Luthers die neue kontrastiert, die vom theologischen Denker und religiösen Propheten ausgeht! Auch die Art, wie Maurer ( 1718) in seinem Forschungsbericht über die literarischen Erscheinungen zum Thema: Humanismus und Reformation spricht, spiegelt die Wendung wider. Dagegen ist die Luther-Bibliographie Seesemanns ( 1720) ein reines -- gut geordnetes -- Verzeichnis aller Bücher und Abhandlungen. In ihrer Vollständigkeit ist diese Luther-Bibliographie unübertroffen.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)