II. Bevölkerungsgeschichte.

Das Memelland bildet schon zu Beginn der christlichen Zeitrechnung, wenn nicht noch früher, ein Sondergebiet, dessen Kultur sich gegen das vielfach germanisch-durchsetzte altpreußische Gebiet südlich der Memel ebenso abhebt, wie gegen die Bereiche der ostbaltischen Kulturen. Auf Grund zahlreicher eigener Grabungen hat C. Engel den Gang ihrer Entwicklung übersichtlich und mit zahlreichen Verweisen auf die Quellen dargestellt (Einführung in die vorgeschichtliche Kultur des Memellandes. Memel: Siebert). Leider sind die Abbildungen ohne Schuld des Verfassers mangelhaft ausgefallen. Wichtig sind die neuen Aufschlüsse über skandinavische Einwirkungen um das Jahr 1000. Sie deuten Handelsbeziehungen der Wikinger an. Die Bodenfunde bezeugen auch das Fortleben heidnischer Gebräuche bis in die Zeit der Reformation. -- Die politische Zuteilung des Memellandes und eines großen Teiles der kurischen Nehrung an Litauen


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wurde unter anderem damit begründet, daß diese Gegend seit Urzeiten von Litauern bewohnt gewesen wäre. Auch die Kuren wurden als die vermeintlichen Urbewohner der Nehrung den Litauern zugerechnet. Ihre völkische Herkunft und das Alter ihrer Ansiedlungen sind seit langem strittig. Deshalb ist es zu begrüßen, daß K. Forstreuter ( 289) auf Grund bisher nicht beachteter Amtsrechnungen und Landkarten die Nationalitätenverhältnisse auf der kurischen Nehrung erneut untersucht hat. Wie er feststellte, haben die Ordensritter und deutsche Krieger die ersten Niederlassungen dort begründet. Denn die angeblichen Ureinwohner, die Kuren, sind vor 1400 südlich des Memeler Tiefs nicht bezeugt. Da die Memel als Grenze zwischen Kuren und Preußen erwähnt wird, ist damit zugleich die Zugehörigkeit der Nehrung zum alten Preußenlande belegt. Erst im 15. Jhd. wanderten kurische Fischer ein und erst seit 1593 werden auf der Nehrung kurische und litauische Dörfer unterschieden. Im 18. Jhdt. nahm die Bevölkerung beträchtlich zu, ihr Volkstum ist aus den damaligen Berichten der Kirchenvisitationen ersichtlich. Im Jahre 1920 war die deutsche Mehrheit nicht zu bezweifeln. -- Ungewöhnlich umfangreiche Berechnungen zur Bevölkerungsgeschichte haben Hugo Olinski und Hedwig Walden an den Elbinger Kirchenbüchern vorgenommen. Die ältesten Taufbücher gehen auf das Jahr 1603 zurück. Doch können erst von 1653 ab die Geburten in sämtlichen Gemeinden übersehen werden. Die von Olinski vorgelegten Tafeln geben die Zahl der Geburten in jeder Kirchengemeinde an. Da genaue Einwohnerzahlen erst seit 1772 vorliegen, kann auch erst seit diesem Jahre der Hundertsatz der Geburten sicher berechnet werden. Er ging von 45,7/1000 1772 auf 36,5/1000 1810 und 30,1/1000 1871 zurück. Wenn der Verfasser für die vorausliegenden Jahrzehnte die Einwohnerzahl der 30jährigen Geburtenziffer gleichsetzt, stellen sich dabei zu große Ungenauigkeiten heraus. Die für 1692 mit 24,4/1000 und 1722 mit 29/1000 angegebene Geburtenziffer ist daher mit einigen Zweifel aufzunehmen. Nicht minder aufschlußreich sind die Jahrestafeln, die H. Walden über die Heiratsstatistik vorgelegt hat. Sie bietet von 1614 bis 1874 die genauen Ziffern aller Trauungen in den einzelnen Kirchengemeinden ( 287).


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