III. Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte.

An seine früheren Untersuchungen über die ordenszeitlichen Siedlungen in der Gegend von Stuhm schließt A. Semrau ( 423) die Geschichte der Siedlungen im Kammeramt Morein in der Komturei Christburg an. Ihre Entstehung wird in alphabetischer Reihenfolge mit genauen Belegen dargestellt. Auch werden die archivalisch überlieferten Flurnamen der einzelnen Orte verzeichnet, ein Unternehmen, das wissenschaftlich um so bedeutender ist, als die Flurnamenforschung bisher nur selten auf die Quellen früherer Jahrhunderte planmäßig zurückgegriffen hat. Auch die Dienstrechte und das Volkstum der Siedler werden erörtert. G. Kisch ( 1300 a) fügte seinen mehrfachen Sonderforschungen zur Geschichte des preußenländischen Rechtes eine neue Untersuchung über die Entstehung des Fischereiregals im Ordenslande zu. Von Brünneck hatte das Recht des Ordens auf die Seefischerei von seinem Regal der Binnenfischerei abgeleitet und gemeint, daß bei dieser Entwicklung das Vorbild der herzoglichen Rechte in Pommerellen maßgebend gewesen sei. Dem gegenüber betont Kisch mit Recht, daß das Regal des Ordens an der Seefischerei und der Binnenfischerei gleich alt wäre und auf das Privileg Friedrichs II. von 1226 und den Kruschwitzer Vertrag von 1230 zurückzuführen ist. Treffend wird auch auf die Handfeste für die Stadt Elbing von 1246 verwiesen, in welcher der Orden sich räumlich umgrenzte Fischereirechte vorbehalten hat. Weitere Untersuchungen


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über den gleichen Gegenstand stellt der Verfasser in nahe Aussicht. -- Die fortgeschrittene Finanzverwaltung des Deutschen Ordens und seine sorgfältig geführten Rechnungsbücher sind seit langem bekannt. Die Landesbischöfe paßten sich seinem Vorbild an. Für das Bistum Ermland liegen genaue Rechnungsbücher leider erst seit dem Anfang des 16. Jhds. vor. Sie zeigen noch während des ganzen Jahrhunderts das Fortwirken der Ordensüberlieferung. Wie H. Schmauch ( 1505) kürzlich nachgewiesen hat, leitete der Schäffer die bischofliche Zentralverwaltung. In den einzelnen Kammerämtern unterstanden ihm sogenannte Burggrafen. Das Rechnungsjahr begann gewöhnlich mit dem 1. November. Die Geldbeträge wurden möglichst in Rechnungseinheiten umgerechnet, anfangs in preußische Mark, später unter dem Einfluß der polnischen Bischöfe in polnische Gulden. Die Grundzinsen der Hintersassen bildeten die wichtigsten Einnahmen. Dazu kamen Realsteuern, wie das Wartgeld, das Schalauer Korn, die Gerichtsgefälle, das Loskaufgeld der Bauern, Abgaben aus dem Besitzwechsel der Schulzen und Freihufen. Dagegen wurden Steuern in dieser Zeit nur einmal erhoben. Die bischöflichen Domänen lieferten Getreide, Mühlenerzeugnisse, Fische und Honig. Alle Nahrungsmittel, die für die beschöfliche Hofhaltung nicht nötig waren, wurden, vorwiegend in Königsberg, verkauft. Die Forstwirtschaft brachte nur wenig ein. Die Ausgaben betrafen die bischöflichen Bedienten, deren Zahl in Heilsberg selbst rund 100 betrug, den Ankauf von Schlachtvieh und Wein, die Unterhaltung der bischöflichen Gebäude. Die Ausgaben für politische Zwecke waren im Vergleich zu denen der großen Städte sehr gering. Der Verfasser bringt zahlreiche Belege aus den Rechnungsbüchern für die Einzelheiten der Finanzverwaltung, die auch für die Wirtschaftsgeschichte, besonders die Preisverhältnisse, wichtig sind. H. Kownatzki schildert in einer kleinen, vom Magistrat der Stadt Elbing herausgegebenen Schrift, Elbing als ehemaligen englischen Handelsplatz ( 1507 a). Die Stadt an der Nogatmündung hatte bereits im 13. und 14. Jhd. mit England in Handelsbeziehungen gestanden. Diese erhielten für einige Jahrzehnte eine überraschende Bedeutung, als die 1579 begründete englische Ostland-Kompanie seit dem gleichen Jahre ihre Schiffe in Elbing anlaufen ließ, um von dort Getreide, Holz, Pottasche und Bernstein zu holen. Der polnische König hatte, um das von ihm befehdete Danzig zu schädigen, bereits 1577 bestimmt, daß die Ausfuhr polnischer Waren nach England über Elbing geleitet werden sollte. Der Elbinger Rat kam den Ausländern sehr entgegen. Erst die schwedischen Kriege machten diesen wirtschaftlichen Beziehungen ein Ende. Seit 1628 suchte der englische Handel wiederum vorwiegend Danzig auf. Trotzdem blieben zahlreiche englische Familien in Elbing ansässig. Sie erwarben dort Grundstücke und das Bürgerrecht. Einige von ihnen gelangten sogar in den Rat. Unter ihnen ist die Familie Ramsay bekannt, die mehrere Ratsherren und Stadthistoriker gestellt hat, sowie die Familie Auchinvole, der im 18. Jhd. der berühmte Begründer der modernen Statistik Gottfried Achenwall entstammte. Die Schrift ist mit zahlreichen gutausgewählten Bildern geschmückt, welche Häuser und Grabsteine der bekanntesten Engländer in Elbing zeigen -- Eine bedeutende Lücke in unserer bisherigen Kenntnis über den Handel des Preußenlandes mit seinen östlichen Nachbarn füllte K. Forstreuter ( 1507) mit seiner Untersuchung über die Memel als Handelsstraße aus. Die von ihm zum ersten Male herangezogenen Listen über den Zoll in Memel, Tapiau und Labiau, sowie zahlreiche andere Archivalien in Königsberg und Danzig ermöglichten ihm unter Auswertung neuerer Schriften in polnischer und litauischer

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Sprache den Warenaustausch zwischen den Haupthäfen Danzig und Königsberg mit Litauen bis in zahlreiche Einzelheiten hin darzustellen. An die Geschichte der Wasserwege, besonders der Kanäle, schließt er die Schilderung der Handelsverträge an, die mit dem Frieden am Melnosee 1422 einsetzten. Der Vertrag von 1529 blieb mehrere Jahrhunderte gültig. Seit 1431 wurde ein Zoll an der Schleuse in Labiau im Betrage von 1/60 des Wertes aller Waren erhoben. Polen führte einen Zoll erst 1528 ein. Die Erträge dieser Zölle, die Einrichtung und die Benutzung der übrigen Land- und Wasserwege, das Gästerecht in Kowno und Wilna, den Stapel in Königsberg und den Handel in Memel, die verwandten Schiffsarten hat Forstreuter besonders für das 16. und 17. Jhd. eingehend dargelegt. Aus Litauen wurden Waldwaren, Leder- und Pelzwaren, Hanf und Leinen im Austausch gegen Salz, Metallwaren, Fische und Gewürze bezogen. Zum Schluß wird kurz auf die Entwicklung des preußenländischen Handels mit Rußland verwiesen. -- Ist schon die bisherige Zahl der Untersuchungen zur Wirtschaftsgeschichte der Ordenszeit nur gering, so ist für die folgende Zeit diese bisher so gut wie gar nicht behandelt worden. Es ist daher dankenswert, daß E. Müller ( 1504) die Entwicklung der Landwirtschaft, des Handels, des Gewerbes, des Verkehrs vornehmlich in Ostpreußen für das 16.--19. Jhd. in einem großen Überblicke dargelegt hat. Es sind damit die Grundlinien für die künftige Einzelarbeit gezogen.


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