IV. Städtegeschichte.

Die Verzeichnung der ost- und westpreußischen Stadtpläne ist auch nach der Herausgabe des »Verzeichnisses der ost- und westpreußischen Stadtpläne« durch E. Keyser im Jahre 1929 von ihm fortlaufend fortgesetzt worden. Es zeigte sich, daß gerade das Erscheinen jenes Verzeichnisses die örtliche Forschung zum Suchen nach weiteren Plänen anregte und ihre Meldung an den Herausgeber veranlaßte. Dadurch wurde es möglich, schon nach kurzer Zeit einen Nachtrag zu veröffentlichen, der 102 bisher nicht bekannte Pläne von 30 Städten umfaßt. Auch konnten die älteren Angaben gelegentlich ergänzt und berichtigt werden. Einleitend werden die Grundsätze erörtert, nach denen Verzeichnisse dieser Art anzulegen sind ( 421).

Nachdem in den letzten Jahrzehnten die Geschichte der meisten Städte des Preußenlandes durch neue Untersuchungen erhellt worden ist, lag es nahe, die Bedingungen, unter denen sie entstanden sind und sich entwickelt haben, einmal zusammenfassend und vergleichend zu behandeln. Dieser Aufgabe hat sich H. Heynike ( 1506) unterzogen. Mit großer Sorgfalt hat er aus den einschlägigen Schriften und einem Teil der gedruckten und ungedruckten Quellen alle Nachrichten zusammengestellt, die sich auf die Siedlungsanlage, die Verwaltung und Wirtschaft der 78 Städte beziehen, die in der heutigen Provinz Ostpreußen gelegen sind. Als erste Stoffsammlung, die nahezu sämtlichen Erscheinungsformen des städtischen Lebens in der Vergangenheit nachspürt, ist das Buch zwar zu begrüßen. Es befriedigt aber nicht die Ansprüche, die weiterhin mit Recht erhoben werden müssen. Es geht zum mindesten für die Ordenszeit nicht an, aus der Entwicklung des Städtewesens nur die Städte herauszugreifen, die gegenwärtig zur Provinz Ostpreußen gehören. Wenn solche Untersuchungen fruchtbar sein sollen, müssen alle Städte des einheitlichen Preußenlandes berücksichtigt werden. Auch nützt es wenig, wenn, wie der Verfasser es getan hat, gewissermaßen stichwortartig z. B. bei dem Abschnitt über den wirtschaftlichen Aufbau die Nachrichten über Stadtländereien, Stadtwald, Stadtdörfer, Ackerbau, Bierbrauerei, Tuchmacherei, Handwerk und Gewerbe, Industrie und Handel von der Gründung der Städte


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bis zur Gegenwart knapp aneinander gereiht werden, ohne daß in jedem Fall der Gang der Entwicklung nach seinen geschichtlichen Voraussetzungen und örtlichen Eigentümlichkeiten gekennzeichnet wird.

Die Siegel, Wappen und Fahnen von Elbing hat der dortige Stadtarchivar H. Kownatzki unter Beifügung von Abbildungen beschrieben ( 301). Das älteste Stadtsiegel ist mit dem Stempel schon aus dem Jahre 1242 erhalten. Es stellt einen nach links segelnden Koggen dar. Die Umschrift nennt die burgenses. Ein weiteres, sehr viel reicher ausgeführtes Schiffsiegel ist seit 1367 bezeugt. Es zeigt auf dem Banner bereits das Stadtwappen, das auch allein auf einem gleichzeitigen kleineren Siegel vorkommt. Aus dem 15. Jhd. sind mehrere Sekret- und Signetsiegel bekannt. Das älteste Siegel der Neustadt Elbing ist seit 1347 bezeugt. Das Wappen der Altstadt zeigt einen weißrot geteilten Schild mit zwei gleicharmigen ledigen Tatzenkreuzen in umgekehrter Farbe. K. will die Kreuze auf den Deutschen Orden als Landesherrn und die rotweiße Farbe auf Lübeck, dessen Stadtrecht Elbing bei seiner Gründung erhielt, zurückführen. Gegen diese Deutung bestehen einige Bedenken. Rotweiß waren die Farben des alten Reiches und der Hanse. Sie hatten über Lübeck hinaus allgemeine Geltung. Gegen die Ableitung der Kreuze vom Ordenswappen spricht die von K. selbst angeführte Tatsache, daß von den 125 Städtewappen des Ordenslandes nur 4 Wappen Kreuze aufweisen. Zu diesen Städten gehörten gerade die ältesten und größten Hansestädte des Preußenlandes Danzig-Rechtstadt, Elbing-Altstadt und Königsberg-Altstadt. Danzig ist eine Gründung der Vorordenszeit. Nur bei einer der vier Städte, Pr. Eylau, dürften die Kreuze auf den Orden als Landesherrn zurückzuführen sein. Die Herkunft der drei anderen Wappen bedarf noch genauerer Untersuchung im Zusammenhang mit der Entstehung auch anderer hansischer Städtewappen. -- Während die Städte Danzig und Thorn nach ihrem Abfall vom Deutschen Orden das Münzrecht sogleich erhielten und ausübten, blieb dies der Stadt Elbing trotz wiederholter Bemühungen versagt. Nur gelegentlich wurden dort im 15. und 16 Jht. einige Münzen geprägt. Erst als nach der Besetzung Elbings durch Gustav Adolf die Stadt, wenn auch nur für kurze Zeit, von der polnischen Oberhoheit befreit wurde, gelang es dem Rat, den schwedischen König 1626 zur Erteilung des Münzrechts zu bewegen. Mit der erneuten Übergabe Elbings an Polen nach dem Waffenstillstand von Stuhmsdorf 1635 erlosch zunächst wieder Elbings Münzrecht, um erst im nächsten schwedischpolnischen Kriege 1656--60 wieder aufzuleben. Diese Entwicklung hat mit genauer Beschreibung der Münzen und unter Auswertung der zuständigen Archive und Sammlungen S. Rühle ( 361) sorgfältig geschildert.

Die ältesten Zinsregister der Altstadt Thorn, von denen das eine 1317 und das andere wahrscheinlich 1322 begonnen wurde, hat F. R. Prowe ( 1510) abgedruckt. Sie verzeichnen die Personen, die von Grundstücken vor den Stadtmauern an die Stadt zinspflichtig waren, und sind daher nicht nur für die Bevölkerungsgeschichte, sondern auch für die Siedlungs- und Baugeschichte Thorns von großer Bedeutung. -- Zur Wiederkehr des Gründungstages der Stadt Marienwerder vor 700 Jahren hat E. Wernicke (Marienwerder: Westpr. Hofdruckerei) umfangreiche Untersuchungen angestellt. Sie sind berufen, das ältere verdienstvolle Buch Töppens über die Geschichte von Marienwerder zu ergänzen und zu ersetzen. Als Vorläufer eines größeren Werkes veröffentlicht der Verfasser zunächst hauptsächlich für den Gebrauch in dem Schulunterricht eine knappe Zusammenfassung des wichtigsten Stoffes in geschickter und lebendiger Form. Die kleine Schrift, die


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mit der Nachbildung des Stadtgrundrisses um 1586 ausgestattet ist, wird auch dem Forscher willkommen sein, da sie einen schnellen Überblick über die Entwicklung der alten Bischofsstadt ermöglicht, und mancherlei, bisher weniger beachtete Einzelheiten enthält. -- Fr. Buchholz hat die Quellen zur Geschichte der ermländischen Stadt Wormditt eifrig gesammelt und die Entwicklung seiner Vaterstadt anschaulich dargestellt (Bilder aus Wormditts Vergangenheit. Wormditt: Kraft). Er berichtet von der Begründung, dem Aufbau und dem Landgebiet Wormditts, von seiner Verwaltung und kirchlichen Versorgung, vom Leben der Bürger und der Zünfte. Recht wertvoll sind die Hinweise auf die früheren Straßen- und Flurnamen. Die humorvolle Schilderung einiger Wormditter Persönlichkeiten ist mehr für weitere Kreise bestimmt. Ein Schlußabschnitt enthält die wichtigsten Nachrichten über die politischen und kriegerischen Ereignisse in und um Wormditt. -- Die Geschichte des Schulzenamtes der Stadt Rössel hat G. Matern ( 1305) auf Grund der umfangreichen Prozeßakten im Frauenburger Archiv ausführlich geschildert. Das Amt geht auf die Lokation der Stadt zurück, deren Handfeste aus dem Jahre 1337 stammt. Der Lokator und Schulze hatte die niedere Gerichtsbarkeit und die Verteilung der Höfe und Äcker zu versehen. Er besaß Jagd- und Fischereirechte, bezog die Gefälle vom Kaufhause und den Bänken, die Zinse von der Mühle. Er hatte Erleichterungen im Kriegsdienst und einen nicht unbedeutenden Grundbesitz. Der Verfasser zeigt die Entwicklung dieser Rechte und behandelt die in Rössel nachweisbaren Schulzen, wobei er seine Ausführungen mit genauen Quellenangaben belegt. Im Jahre 1606 ging die Erbschulzerei an die Stadt über, die einen Teil der Ländereien bald veräußerte.

Neben dem Handel mit Getreide und Holz spielte der Handel mit Salz für die Danziger Wirtschaft die größte Rolle. Das Salz wurde zunächst aus Lüneburg über Lübeck, Schonen und Wisby, später aus Schottland von den Küsten des Atlantischen Ozeans, besonders aus der Bay von Bourgneuf eingeführt. Soweit es in Danzig nicht selbst verbraucht wurde, erfolgte seine Ausfuhr nach Pommern und Preußenland, nach Polen und Litauen, nach dem Baltenlande, Finnland und Skandinavien. Dem Umfang dieses Salzhandels, seinen Richtungen und den bei ihm üblichen Gebräuchen ist C. Geiß auf Grund der Hanserezesse, der Sundzollisten und der umfangreichen Bestände des Danziger Staatsarchivs sorgfältig nachgegangen ( 1511). Seine Zusammenstellungen über den Danziger Schiffsverkehr aus den Pfahlkammerbüchern und über die Salzpreise in den europäischen Häfen zwischen dem 14. und 17. Jhd. verdienen allgemeine Beachtung bei der Erforschung der hansischen Wirtschaftsgeschichte. -- Die politischen Verhältnisse der Gegenwart ließen in dem Kreise der Deutschen Akademie in München den Wunsch entstehen, die früheren und die heutigen Beziehungen Danzigs zum deutschen Volke zum Gegenstand einer Preisarbeit zu machen. Aus der geringen Zahl der Bewerber -- die ostdeutschen Fachhistoriker hatten sich aus verschiedenen Gründen an dem Ausschreiben nicht beteiligt -- ging der Münchener Studienrat H. Hämmerle als Sieger hervor. Er hat in schwungvoller Sprache die Zugehörigkeit Danzigs zum deutschen Kulturraume dargestellt. Da er die Stadt und ihre Bewohner persönlich nicht kannte und auch der landesgeschichtlichen Quellenforschung fernstand, hat er sich fast ausschießlich darauf beschränkt, Stoff und Gedanken des bereits vorliegenden umfangreichen Schrifttums über Danzig geschickt zusammenzufassen. Auch die beigefügten Abbildungen und die historisch-statistischen Tafeln wurden gleichfalls älteren Werken


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entnommen. Dagegen wurde die Behandlung Danzigs in der deutschen Dichtung in eine neue Beleuchtung gerückt. Im ganzen ist das Buch vorzüglich geeignet, der Stadt Danzig in ihrem schweren Daseinskampfe Freunde zu gewinnen ( 189a).


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