V. Wirtschaft.

Die Wirtschaftsgeschichte des brandenburgischen Territoriums erfährt durch eine kartographische Darstellung von G. Wentz einen wohlgelungenen Ausbau ( 417). Er veranschaulicht den geistlichen Grundbesitz in den Diözesen Brandenburg und Havelberg um 1535, also unmittelbar vor der Auflösung. Der in Jberr. 1929, S. 452 besprochenen allgemeinen Karte der kirchlichen Einteilung der Gesamtmark folgt also ein in die Einzelheiten gehendes Bild der wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Institute in den genannten zwei Landesdiözesen. Etwa ein Drittel des Gebietes macht der geistliche Besitz aus. Mit einem Blick erkennt man die sehr starke Stellung der Zisterzienser, die sich auch in der Geschlossenheit des Besitzes der einzelnen Klöster ausprägt. Ebenso lehrt die Karte, daß Bischöfe und Kapitel sich mit denen westlicher und südlicher Bistümer nicht messen konnten. Zusammen mit der in Jberr. 1929, S. 452 gekennzeichneten Germania Sacra haben wir jetzt eine Schilderung der geistlichen Grundbesitzverhältnisse, wie wir sie nicht besser wünschen können. -- Zur Bevölkerungsgeschichte, der immer noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird, liefert A. Hänseler einen Baustein in dem Aufsatz »Über Herkunft und Nationalität der ersten Netzebruchkolonisten« (D. Neumark. Mitteilungen, 8, S. 5--16). Der Danziger Werder, das Weichseltal und auch der Arnswalder Kreis haben in der


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vorfriderizianischen Zeit Kolonisten abgegeben. Holländer kommen nicht in Betracht. Wichtig sind »Bevölkerungskarten der Ober- und Niederlausitz auf Grund der Volkszählung der Jahre 1910 und 1925«, die F. Burkhardt im Maßstab 1 : 200 00 mit einem begleitenden Aufsatz herausgegeben hat (Deutsche Hefte f. Volks- und Kulturbodenforschg. 1, H. 2). Demnach ist in der Niederlausitz, die uns hier angeht, das Wendentum ständig zurückgegangen. Industrie und Abwanderung in die Städte bilden den Hauptgrund. -- Für die Agrargeschichte notieren wir zwei Untersuchungen. M. Pick nützt die Jberr. 1926, S. 532, 1927, S. 486, 1928, S. 410 beurteilten Klassifikationsregister von 1718/19 in der Ausgabe von P. Schwartz aus für einen kurzen, aber doch das Wesentliche heraushebenden Aufsatz über »Die Agrarverhältnisse der Neumark um das Jahr 1718« (Brandenburgia 40, S. 103--111). Ungeheuerlich auch hier wieder die Entblößung des Landes von selbständigen Bauern. Von kritischer Schärfe ist eine Untersuchung von O. Liebchen ( 419), ein Warnzeichen, slawische Spuren des Agrarwesens nicht leichtfertig in großen Ackerblöcken zu sehen, die erst eine Folge des Dreißigjährigen Krieges sind. -- Das Städtewesen der Mark ist im Berichtsjahre nur wenig angebaut worden. H. Bütow weist wenigstens auf »Pläne neumärkischer Städte aus der Zeit von 1720--25« hin (D. Neumark. Mitteilungen 8, S. 60--62). Sie ruhen im Ministerium für Landwirtschaft in Berlin, auf das auch für nichtmärkische Städte hiermit aufmerksam gemacht sei. Ein großes Stück städtischer Wirtschaftsgeschichte wird durch H. Rachel dargestellt, die wirtschaftliche Entwicklung Berlins von der Aufbauzeit nach dem Dreißigjährigen Kriege bis zum Ende des 18. Jhds. ( 1413). Das Buch, einfach und sachlich geschrieben, ist aus jahrelanger Kenntnis des Stoffes erwachsen. Die staatliche Wirtschaftspolitik, die gerade diesem Zeitraum ein so starkes Gepräge gibt, wird auf wenigen Seiten gekennzeichnet; dann geht das Buch zu einer in den Einzelheiten sauber mit Quellen belegten Schilderung der Träger des Wirtschaftslebens, also der Organisation der Innungen, Gesellen Unzünftigen und Fremden, der Juden über. Sehr klar werden weiterhin die Verhältnisse der einzelnen Handels- und Gewerbezweige wiedergegeben. Man gewinnt aus allem den Eindruck, daß das damalige Berlin eine für damalige Umstände wirtschaftlich höchst rege Stadt gewesen ist mit allen den Nöten, denen ein solcher Wirtschaftsorganismus unterworfen ist. Als ein besonders gelungenes Kapitel des verdienstlichen Buches darf das über die Textilmanufakturen gelten. Einen anderen Bezirk frühkapitalistischer Wirtschaftsgeschichte sucht J. Papritz zu erhellen ( 1496). In der Mitte des 15. Jhds. taucht in Stettin ein Handelshaus der Familie Loitz auf, das emporsteigt und es im hansisch-niederdeutschen Gebiet den großen süddeutschen Firmen gleichtut. Die Stellung im Boisalzhandel des Odergebiets, die Verflechtung in die kaufmännischen Geschäfte Joachims II. von Brandenburg und der Fall 1572 bilden den Inhalt der aktenmäßig wohl unterbauten, flüssig geschriebenen, aber, was Zusammenfassung und Darstellung des Endergebnisses angeht, etwas zurückhaltenden Arbeit. -- In ein abgelegenes und zunächst anscheinend wenig ergiebiges Gebiet der Wirtschaft wagt sich O. Latendorf ( 1329). Die Kassenorganisation Berlins von ihrer Neuschöpfung durch die Städteordnung bis zu der durch die Ausdehnung des städtischen Aufgabenkreises bedingten Umänderung 1843 ist das Thema. Der Nationalökonom, der L. ist, entging dabei der Gefahr, das geschichtliche Material zu mißachten. Er hat die einzelnen Phasen sauber herausgearbeitet, was um so mehr Anerkennung verdient, als Vorarbeiten fast völlig

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fehlten. Ganz wird man den Wert der Arbeit erst dann ermessen können, wenn mehr Arbeiten zur städtischen Finanzgeschichte des 19. Jhds. vorliegen. -- J. Haeckel setzt die Jberr. 1927, S. 486 erwähnte Arbeit über die Anfänge der Berlin-Potsdamer Eisenbahn fort ( 1498).


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