II. Landschaftsgeschichte:

Die Pflege der wissenschaftlichen Untersuchungen zur Landschaftsgeschichte Pommerns hat auch für diesen Bericht ein Ergebnis gezeitigt. Wenn auch die Arbeit von Menke ( 1300) über Wolgast nicht sehr in die Tiefe geht, so ist doch der Überblick über die Entwicklung eines begrenzten Bezirks recht willkommen. In den verschiedenen »terrae« werden durch die deutsche Einwanderung und die Klostergründungen von Eldena, Stolpe und Pudagla die ehemaligen Kastellane zu Vögten des Landesherrn, bis schließlich durch Herzog Bogislaw X., dessen Landesverwaltung ausführlich geschildert wird, etwa um 1543 aus mehreren Vogteien ein Amt Wolgast gebildet wird. Dieses erhält einen Amtmann an der Spitze, der zugleich die Rechte des Grundherrn ausübt und nur die Visitatoren des Landesherrn über sich hat. Wirtschaftlich hat er für die Ertragfähigkeit des Landes zu sorgen. Für den Übergang des Amtes an Schweden werden die damit verbundenen Veränderungen in der Amtsverwaltung unter breiter Schilderung der schwedischen Verwaltung Pommerns dargestellt. Der 2. Teil der Arbeit ist dem topographischen Zusammenhang des Amtes gewidmet und baut sich geschickt auf dem historischen Quellenmaterial auf. -- In Verbindung mit der Teilung des Herzogtums Pommern in Stettin und Wolgast im Jahre 1532 wurden die Einkünfte aus dem Fürstentum Rügen durch eine besondere Aufnahme festgestellt. Diesem umfangreichen, im Stettiner Staatsarchiv aufbewahrten Aktenstück ist auch eine Karte von Rügen beigegeben, die man als die älteste ansehen kann. Haas ( 1343) beschreibt diese Karte, die in Faksimile hinzugefügt ist, und veröffentlicht aus dem Aktenstück den ersten Abschnitt über die verschiedenen Einnahmen des Landesherrn aus dem Amte Rügen.

Ausschließlich der Wirtschaftsgeschichte widmet Köller ( 1499) seine Forschungen über den Kreis Kammin. Er beginnt sie mit der Urgeschichte, aber erst von 1500 an erhält seine Arbeit eine deutliche Vertiefung durch die Benutzung des umfangreichen archivalischen Stoffes, der mit großem Fleiß herangezogen ist. Die Steuerverhältnisse werden durch eingehende Schilderung der Geldverhältnisse erläutert. Das Lehnrecht der Grundbesitzer und die bäuerlichen Verhältnisse werden quellenmäßig behandelt. Auch die für Kammin bedeutende Fischerei wird in ihren verschiedenen Betriebsarten behandelt. Ein besonderes Kapitel ist den Wirkungen des Dreißigjährigen Krieges gewidmet. Ausführlich beschäftigt sich dann der Verfasser mit der Entwicklung der Wirtschaftsverhältnisse unter der preußischen Verwaltung und bringt u. a. den Wandel der Roßdienste in Geldleistungen zu einer klaren Darstellung, anderes freilich ist nicht nur dem Kreise Kammin eigentümlich. Bemerkenswert ist, daß bereits in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts im Kreise Kammin Kartoffeln angebaut wurden. Auch die Wirtschaftsverhältnisse der Stadt Kammin werden behandelt. Den Schluß bildet eine durch Statistik unterstützte Übersicht über die Wirtschaftsverhältnisse der neuesten Zeit.

Für die mecklenburgische Landesgeschichte hat stets die Herkunft und Zusammensetzung der Bevölkerung ein besonderes Problem gebildet, dem Witte ( 185) als der beste Kenner ein inhaltreiches und sehr anregendes Schriftchen widmet. Nach einer einleitenden Übersicht über die Geschichte


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Mecklenburgs wendet sich Witte der Entstehung der mecklenburgischen Volksart zu, die sich aus Germanentum und Slawentum zusammensetzt. Er geht dabei auf die Urgermanentheorie ein, für die sich zwar Nachweise nicht erbringen lassen; doch müsse man in bescheidenen Grenzen Reste von Urgermanen annehmen. Besonders wichtig sind die kritischen Ausführungen über die Auffassungen der Eindeutschung Mecklenburgs. Eine bunte Reihe von Theorien zur Frage des Bevölkerungswechsels stehen sich hier gegenüber, die sogar politischen Einschlag erhalten haben. Die Ergebnisse Jegorows werden auch hier restlos abgelehnt.

Das kleine und doch so bedeutsame Schriftchen beschließt Witte mit Betrachtungen über die Abstammungs- und Stammesfrage, in denen er sich dahin äußert, daß der mecklenburgische Mensch aus slawischen und deutschen Bestandteilen gemischt ist. Diese stammten überwiegend aus der deutschen Einwanderung im Mittelalter, und zwar aus Holstein und den südwestlich gelegenen Ostfalen-Gebieten. Die Nachhaltigkeit des Einwirkens der deutschen Kultur schuf in Mecklenburg den mecklenburgischen Menschen, der sich in dauerndem Werden seit der Mitte des 12. Jhds. nachweislich zu formen beginnt. Die Vorbedingung solcher Bildung sieht er auch darin, daß die Urslawen wie die Germanen nordischen Ursprungs sind, wobei freilich die Frage offenbleibt, wie weit sie als eine einheitliche Volksmasse mit nordischem Charakter angesehen werden konnten. Unbeweisbar können mit fremden Völkern Mischungen stattgefunden haben, die die starken und auffallenden, daher volkstümlich gewordenen sogenannten slawischen Merkmale herbeiführten. Maßgebend ist jedenfalls für den mecklenburgischen Menschen trotz slawischer Einflüsse eine innere Verbundenheit mit deutschem Wesen.

Einem zeitlich begrenzten Thema aus der mecklenburgischen Geschichte geht Kentmann ( 905) nach, angeregt durch die Arbeit von P. Wetzel über den Zentralverwaltungsrat von 1813 (Greifsw. Diss. 1907), der durch die partikularistischen Interessen und das mangelnde nationale Empfinden der deutschen Fürsten zum Mißerfolg bestimmt worden sei. Kenntmann prüft die Stichhaltigkeit dieser These für Mecklenburg-Strelitz auf Grund archivalischer Studien nach und muß feststellen, daß Mecklenburg-Strelitz durch kostspielige Aufstellung eines Husarenregiments in Verabredung mit dem preußischen König, durch Organisation des Landsturms und Sammlung freiwilliger Spenden, trotz der Aussaugung des Volkes durch die Franzosen, eine großzügige nationale Leistung vollbracht hat, zu der freilich der erst später eingesetzte Zentralverwaltungsrat in seiner bürokratischen Tätigkeit kein Verständnis gewinnen konnte.


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