III. Kulturgeschichte. Volkskunde.

E. Nöbbe ( 348) bespricht -- im Anschluß an die von dem schwedischen Forscher B. Salin vorgenommene Einteilung in 22 Kategorien -- in Schleswig-Holstein gefundene Goldbrakteaten, jene merkwürdigen Schmuckstücke der Völkerwanderungsepoche, die in ihrer Form Geldmünzen gleichen. Und zwar nehmen die im deutsch-dänischen Norden entstandenen Brakteaten insofern eine Sonderstellung ein, als sie einen Mann schreitend, laufend, springend, von einer Runenzeile, von Schlangen, Vierfüßern und Vögeln umgeben oder im Kampfe mit solchen Tieren darstellen. Jedoch ist es bisher nicht gelungen, einen Zusammenhang zwischen Bild und Inschrift zu ermitteln. Die Bilder aber aus der altnordischen Götterlehre zu erklären, dürfte ebensowenig möglich sein, wie bisher auch die sie umgebenden Runeninschriften nicht gedeutet werden konnten.

Harry Schmidt (»Nachrichten zur Geschichte der Gottorfer Hofkapelle«, Nordelbingen 8, 223--242) trägt zur Kenntnis des Lebens an den Fürstenhöfen des 16. und 17. Jhds. anziehend bei, wenn er die Stellung der Trompeter an dem zu europäischer Bedeutung sich entwickelnden Gottorper Hofe charakterisiert. Zugleich ist der inhaltsreiche, neues handschriftliches Material erschließende Aufsatz personalgeschichtlich besonders hoch einzuschätzen. -- Durch B. Engelkes quellenmäßig ausgiebig fundierte Untersuchung (»C. F. Cramer und die Musik seiner Zeit«. I. Nordelbingen 8, 334--367) wird die wenig beachtete Tatsache bekannt, daß der genialische Göttinger Hainbundbruder »grundmusikalisch« war und vor allem in Lübeck durch Overbeck und C. Ph. E. Bach zur Musik hingeführt wurde; allerdings zeigen sich die Textdichtungen, »musikalische Übersetzungen«, auch sonstige musikschriftstellerische Erzeugnisse des unsteten und später tief unglücklichen Mannes als reichlich dilettantisch.

E. Erichsen (»Das Schulwesen der Landschaft Norderdithmarschen um 1780«, Nordelbingen 8, 368--389) bearbeitet die umfangreichen, für die Schulgeschichte bisher ungehobenen Schätze im Archiv des Kreises Norderdithmarschen, und zwar für die Zeit nach der Übernahme des vorher unter Gottorper Verwaltung stehenden Norderdithmarschen durch den dänischen König. Der erschreckende Tiefstand des Schulunterrichts, der die Realien so gut wie gar nicht berücksichtigte und weder Herz und Gemüt, noch Intellekt und Wille der Schüler pflegte, vielmehr bloß zwischen Lesen, Schreiben, Auswendiglernen und Aufsagen mechanisch abwechselte, die traurigen sozialen, oft unmoralischen Zustände bei den Lehrern, überhaupt die Verwilderung im Schulwesen hängt, wie E. ausspricht, wesentlich mit dem starken Sinken des Wohlstandes der Landschaft nach den vielen Kriegen, die der kleine Gottorper Staat hatte überstehen müssen, zusammen; war auch die Schulpflicht wenigstens vorhanden, so konnte doch erst eine eingehende neue Schulgesetzgebung Wandlung schaffen.

Es war ein glücklicher Gedanke O. Lauffers, ein so wichtiges Organ wie die »Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte«, die in ihren Anfängen der 1786 gegründeten »Schleswig-Holsteinischen Patriotischen Gesellschaft« als Sprachrohr dienten, auf ihren volkskundlichen Inhalt für das Ende des 18. und den Beginn des 19. Jhds. durch H. Krieg ( 570) untersuchen zu lassen. Der


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vorliegende erste Teil der Arbeit, der sich mit den »landschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen« beschäftigt, gibt die Faktoren des Landschaftsbildes (Grenzen, Siedlungen, Verbindung zwischen diesen, Schutz durch Deiche, deren Bau und Erhaltung) wieder, daran schließt sich die Schilderung der Landwirtschaft (besonders Feldbestellung und Tierzucht) als des hauptsächlichen Gewerbes in Schleswig-Holstein, aber auch eine solche des bäuerlichen Hausgewerbes und des primitiven Betriebes (Fischerei, Jagd usw.) wie der verschiedenen bürgerlichen Gewerbezweige.


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